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Von Null zum 100-Kilometer-Lauf: Dresdner läuft für Eltern-Raum auf Kinderintensivstation

Eltern mit schwer kranken Kindern brauchen geschützte Räume, wenn Ärzte mit guten oder schlechten Nachrichten zu ihnen kommen. Dafür startet der Dresdner Matthias Breitkopf einen Ultralauf und will möglichst viele Unterstützer mitziehen.

Von Nadja Laske
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Als Elektrotechniker am Frauenhofer Institut sitzt Matthias Breitkopf viel am Schreibtisch. Mit seinem Lauf gleicht er das aus - aber er will noch mehr erreichen.
Als Elektrotechniker am Frauenhofer Institut sitzt Matthias Breitkopf viel am Schreibtisch. Mit seinem Lauf gleicht er das aus - aber er will noch mehr erreichen. © René Meinig

Dresden. Ein schmuckloser Gang, Stühle, spiegelglatter Boden, Türen, die ins Sorgenvolle führen. Matthias Breitkopf ist das Bild im Kopf geblieben. Auch er hat dort als Vater gesessen – und gewartet. Auf ein Gespräch mit dem Arzt, auf eine Hoffnung, darauf, dass alles wieder gut wird.

Wie er sitzen Jahre später noch Eltern im Haus 21 vor der Kinderintensivstation und starren auf Türen, die sich irgendwann öffnen. Mediziner werden herauskommen und sich zu ihnen setzen, auf die Stuhlreihe an der Wand. Wahrscheinlich sind diese Mütter und Väter nicht allein. Neben ihnen sind andere Familien in der gleichen Lage. Auch ihr Kind ist schwer krank. Auch sie können der Unwirtlichkeit dieses Ortes nicht entgehen.

Kein Geld für ruhigen Warteraum im Finanzplan

Wie schön und hilfreich wäre es, wenn wenigstens der Rahmen dieser Ausnahmesituation angenehmer wäre, ein schützender, intimer Raum für Ruhe, Gefühle und Gespräche. Das wünschen sich nicht nur betroffene Eltern, das ist auch ein großes Anliegen der Kinderintensivmediziner am Universitätsklinikum Dresden. Schon lange bemängeln sie die Umstände, unter denen die Angehörigen ihrer jungen Patienten vor der Station warten müssen, während drinnen um das Leben ihrer Kinder gerungen wird. Statt des unpersönlichen Ambientes förmlich zwischen Tür und Angel ohne Rückzugsmöglichkeit sollte es ein separates Wartezimmer geben, finden sie.

Aber das Geld dafür ist im regulären Finanzplan nicht vorgesehen. Es ist eigentlich noch nicht einmal ein Raum vorhanden, der sich dafür nutzen ließe. Doch man könnte ihn schaffen – vorbei am architektonischen Konzept des Hauses 21, in dem die Frauen- und Kinderheilkunde beheimatet ist.

Als Matthias Breitkopf einen Entschluss fasste, waren diese Gedanken bereits gesponnen. Allein, es fehlte die wirtschaftliche Absicherung für ein besonderes Bauprojekt: Im Foyer des Klinikkomplexes soll eine neue Ebene und damit zwei Räume mit bequemen Sitzgelegenheiten und Spielecke für Geschwisterkinder entstehen. Das Projekt wird rund 180.000 Euro kosten, die über Spenden generiert werden müssen.

"Ich war bisher sportlich auf dem Rad unterwegs", erzählt der 46-Jährige. Als er sich jedoch eines Tages vornahm, auch Langstrecken zu laufen, reichte es ihm nicht, das einfach nur für die eigene Fitness zu tun. "Ich wollte das Laufen mit einem guten Zweck verbinden." So nahm er zunächst Kontakt zum Uniklinikum auf und geriet darüber mit der Dresdner Kinderhilfe ins Gespräch. Sie unterstützt Angehörige von Kindern, die am Uniklinikum behandelt werden, und sah ebenfalls großen Handlungsbedarf für die wartenden Eltern der Kinderintensivstation.

Von null Kilometern im April ausgehend hat Matthias Breitkopf bis August in 20-Kilometer-Etappen trainiert. Am Freitag will er an einem Tag 100 Kilometer laufen. Das ist sein festes Ziel.
Von null Kilometern im April ausgehend hat Matthias Breitkopf bis August in 20-Kilometer-Etappen trainiert. Am Freitag will er an einem Tag 100 Kilometer laufen. Das ist sein festes Ziel. © René Meinig

So entstand die Idee eines Spendenlaufes, der einerseits auf die unangenehme Situation ohne wirklichen Warteraum aufmerksam machen und Geld für das Bauvorhaben einbringen soll. Und weil Matthias Breitkopf keine halben Sachen macht, griff er gleich zum höchsten Ziel – einem Ultralauf von 100 Kilometern, den er nun am 15. September laufen wird.

"Zu Beginn unseres Plans standen null Kilometer in meinem Trainingskalender", sagt Matthias Breitkopf. Deshalb nannte er sein Laufprojekt "Von Null auf Hundert für die Kinderhilfe" und startete im November vergangenen Jahres seine Vorbereitungen für eine Strecke, die mehr als das Doppelte eines Marathons beträgt. Bis Anfang August umfasste sein Training kürzere Strecken bis zur Halbmarathondistanz von rund 20 Kilometern. Dabei lief er in Intervallen schneller und langsamer, um zu testen, wie er mit möglichst langem Atem unterwegs sein kann.

Unterstützung an der Strecke

"Mein Motto ist: Lieber langsam ankommen, als schnell aufgeben", sagt er und rechnet für die Route rund 14 Stunden Laufzeit ein. Am Freitag wird er zwischen vier und fünf Uhr morgens am Universitätsklinikum in Richtung Dresdner Heide starten. Zieleinlauf wird gegen Abend ebenfalls auf dem Krankenhausgelände in der Johannstadt sein.

Funktioniert alles nach Plan, soll Matthias Breitkopfs GPS-Track am Ende die Wegstrecke in Form eines Teddybären abbilden. Das hat er so gewählt, weil der Teddy das Logo der Dresdner Kinderhilfe ist. Doch die Form nach Wegkilometern reichte noch nicht aus, um auf die angepeilten 100 Kilometer zu kommen. Also plante der Ultraläufer auch noch ein paar weitere Kilometer, die das Wort "Danke" und ein Herz ergeben.

Seit Matthias Breitkopf sein Laufprojekt publik macht, sind bereits 9.000 Euro für die Elternruheräume zusammengekommen. Insgesamt hofft er auf eine fünfstellige Summe. Die genügt zwar nicht als Absicherung der Finanzierung, doch die Kinderhilfe sammelt Spenden auf vielen weiteren Wegen.

"Mich erreichen ganz viele Nachrichten von Menschen, die toll finden, was wir machen, und uns unterstützen wollen", erzählt er. Am meisten bewegen ihn Schilderungen von Eltern, die wie er Erfahrungen mit schwer kranken Kindern gemacht haben und die schwierige Situation vor der Kinder-ITS aus eigenem Erleben kennen. "Sie sind begeistert und dankbar und steuern auch Spenden bei."

Wer den 100-Kilomter-Läufer unterstützen will, kann ihn am Wege begrüßen und anfeuern. Wo er am Freitag gerade unterwegs ist, das lässt sich per GPS-Übertragung auf der Website www.radler-helfen.de ablesen. Ansonsten wird ihn seine Frau auf dem Fahrrad begleiten, sozusagen als Versorgungsfahrzeug mit Getränken und lauftauglicher Nahrung und natürlich zur mentalen Stärkung. "Es hat sich mir auch ein anderer Ultraläufer angeschlossen, der mitlaufen will."

Über weiteren Beistand freut sich Matthias Breitkopf. Beides ist ihm willkommen – finanzielle Unterstützung für den Ruheraum-Bau und die Motivation zum sportlichen und gesunden Leben. Denn nur wer selbst fit ist, hat die Kraft, auch für andere da zu sein.