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Dresden isst bunt - an 280 Tischen auf der Augustusbrücke und dem Schlossplatz

"Dresden isst bunt" ist eine Aktion für Austausch, Verständnis und Miteinander, die Professor Gerhard Ehninger vor fast zehn Jahren ins Leben rief. Nicht nur er hält sie für notwendiger denn je.

Von Nadja Laske
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Initiatoren, Gastgeber und Unterstützer des Gastmahles werben für ihre Aktion auf den Elbwiesen in Dresden mit Canalettoblick: Maria Noth, Gerhard Ehninger, Eva Sturm, Ronald Zenker, Raafat Saeed und Ursula Staudinger (v.l.).
Initiatoren, Gastgeber und Unterstützer des Gastmahles werben für ihre Aktion auf den Elbwiesen in Dresden mit Canalettoblick: Maria Noth, Gerhard Ehninger, Eva Sturm, Ronald Zenker, Raafat Saeed und Ursula Staudinger (v.l.). © Marion Doering

Dresden. Liebe geht durch den Magen. Nächstenliebe folglich auch. Wenn jemand aus innerer Einstellung heraus bereit ist, anderen beizustehen, Verständnis zu haben und Opfer zu bringen, ist all das nicht ohne Offenheit und Toleranz möglich.

Damit ist in wenigen Zeilen erklärt, welche Vision die Initiatoren der Aktion "Dresden isst bunt" vor Augen haben, wenn sie nun schon zum achten Mal in aller Öffentlichkeit zu Tisch bitten. An insgesamt 280 Tischen werden am Montag, 9. September, Hunderte Gäste und Gastgeber Platz nehmen, gemeinsam essen, trinken, reden, lachen, sich gegenseitig zuhören, befragen und inspirieren. Herzlich dazu eingeladen sind alle Dresdner und Gäste der Stadt.

Sorge um Wirkung auf Wirtschaft

Entlang der Augustusbrücke und sternförmig auf dem Schlossplatz wird aufgetafelt. Dafür sorgen rund 100 Kulturpartner der Cellex-Stiftung, Veranstalterin des besonderen Zusammenkommens. Einst hatte es der Mediziner und Wissenschaftler Professor Gerhard Ehninger und seine Mitstreiter ins Leben gerufen. Damals spaltete die Ankunft Tausender Flüchtlinge in Dresden die Gesellschaft, und Gegner der Migration begannen unter dem Label Pegida jeden Montag durch die Stadt zu demonstrieren.

Die Härte und Unerbittlichkeit, das mangelnde Mitgefühl und Verständnis für Menschen, die in der Hoffnung auf ein besseres und sichereres Leben nach Deutschland kamen, hatte nicht nur Gerhard Ehninger erschreckt und zu denken gegeben. Schnell schlossen sich ihm zahlreiche Vereine, Verbände, Initiativen, Unternehmen, Institutionen und Privatpersonen an - mit dem Ziel, mehr Austausch und Kenntnis untereinander zu schaffen, Vorurteile abzubauen und Hass den Nährboden zu entziehen.

Heute hat "Dresden isst bunt" 96 Sponsoren, 111 Kulturpartner und 55 helfende Ehrenamtliche aus fünf Nationen. Damit sei die Bereitschaft, die Aktion zu unterstützen, im Vergleich zum vergangenen Jahr wieder gewachsen, sagt Eva Sturm, Vorständin der veranstaltenden Cellex-Stiftung. "Während sich im Wahlkampf verschiedene Parteien einen Überbietungswettbewerb lieferten, wie man Deutschland abschotten kann, haben Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und Forschung offenbar ganz andere Sorgen."

Eva Sturm zufolge haben sie im Vorfeld des Gastmahls immer wieder die Befürchtung geäußert, dass die Stimmung in Dresden und in Sachsen weiter in Richtung Fremdenfeindlichkeit kippt. Das wirke sich auf Dresden und Sachsen als Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort aus. "Bundesländer mit einem politischen Klima wie hierzulande sind für Menschen mit Migrationsbiografie alles andere als attraktiv."

Prof. Gerhard Ehninger gründete das Gastmahl unter dem Eindruck von Pegida in Dresden und ist Vorsitzender des Stiftungsrates der Cellex Stiftung.
Prof. Gerhard Ehninger gründete das Gastmahl unter dem Eindruck von Pegida in Dresden und ist Vorsitzender des Stiftungsrates der Cellex Stiftung. © freier Fotograf

Gründer Gerhard Ehninger freut sich einerseits über die Entwicklung der Veranstaltung, sorgt sich aber andererseits wegen deren Notwendigkeit. "Zehntausende Beschäftigte in der Pflege, der Gastronomie, der Forschung oder der Halbleiterindustrie praktizieren täglich den multikulturellen Lebensalltag", sagt der 72-Jährige.

Die politische Debatte über die Begrenzung der Migration werde von einigen "ohne Rücksicht auf Verluste" geführt. "Ich bitte alle demokratischen Politikerinnen und Politiker, ihre verbalen Hahnenkämpfe einzustellen, sich auf die umsetzbaren Instrumente zu beschränken und mögliche Kollateralschäden mitzubedenken." Sachsen brauche Zuzug und eine Atmosphäre, die Zuzug ermögliche – ganz gleich, welches Geschlecht, welche Hautfarbe oder welche Religion die Menschen haben. Auch die sexuelle Orientierung dürfe keine Rolle spielen.

"Abschottung gefährdet den Wohlstand aller"

Ronald Zenker, Vorstandssprecher des CSD Dresden e. V., ergänzt: "Die offenen Angriffe und Einschüchterungsversuche auf Christopher Street Days in Sachsen und auf die ganze queere Community haben in diesem Jahr ein Ausmaß angenommen, das wir nicht länger hinnehmen." Die Landtagswahlkämpfe haben dies aus seiner Sicht angeheizt. Hier müssten jetzt alle dazu beitragen, dass diese Stimmung nicht vollständig kippe. Das gehe nur im Miteinander.

Ein Symbol für dieses Miteinander ist das Gastmahl. Und es komme zur richtigen Zeit, jetzt kurz nach dieser Wahl. Unter den Unterstützerinnen und Unterstützern ist auch Professorin Ursula Staudinger, Rektorin der TU Dresden. "Wissenschaftliche Exzellenz und die daraus resultierenden positiven wirtschaftlichen Effekte sind nur durch internationale Kooperationen und weltweiten Austausch erreichbar. Wer durch Ausgrenzung, Abschottung bis hin zu Rassismus dagegen arbeitet, der gefährdet den Wohlstand aller."

Mit dabei ist auch die Stiftung Frauenkirche Dresden. Ihre Geschäftsführerin Maria Noth erklärt die Motivation, bei dieser Veranstaltung mitzuwirken, so: "Wenn sich Menschen um einen Tisch versammeln, entsteht Gemeinschaft. Beim Kosten, Teilen und Sprechen lernen sich Gastgebende und Gäste auf herzliche Weise kennen." Das brauche es in der heutigen Zeit so dringend. "Räumen wir Vorbehalte und Eigensinn ab wie gebrauchtes Geschirr. Decken wir unsere Tische vielmehr mit Offenheit, Neugier und Empathie."