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Die Brücke ohne Baugenehmigung: In diesem Zustand ist die Dresdner Waldschlößchenbrücke

Alles scheint sich derzeit um die eingestürzte Carolabrücke zu drehen. Doch welche Geschichte haben die anderen Elbbrücken in Dresden und wie ist ihr Zustand? Teil 2: Ein Blick auf die umstrittene Waldschlößchenbrücke.

Von Peter Hilbert
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Die Waldschlößchenbrücke in Dresden in der blauen Stunde. Auf 636 Metern Länge überspannt sie die Elbe und benachbarten Wiesen. Seit mehr als elf Jahren rollt der Verkehr darüber.
Die Waldschlößchenbrücke in Dresden in der blauen Stunde. Auf 636 Metern Länge überspannt sie die Elbe und benachbarten Wiesen. Seit mehr als elf Jahren rollt der Verkehr darüber. © Archiv/Peter Hilbert

Schon über elf Jahre rollt der Verkehr über die Waldschlößchenbrücke. 2023 fuhren knapp 9,3 Millionen Autos, aber auch rund 1,2 Millionen Radfahrer über Dresdens jüngste Elbebrücke.

Ein Blick zurück: Am 24. August 2013 wird die Waldschlößchenbrücke feierlich übergeben. Der Bau hatte sich fast sechs Jahre hingezogen. Von einem Jahrhundertprojekt hatte der damalige sächsische Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) am 29. November 2000 beim symbolischen ersten Spatenstich am Käthe-Kollwitz-Ufer gesprochen. So lange dauert der Bau der umstrittenen Elbquerung zwar nicht. Aber dafür wird mehr als doppelt so viel Zeit benötigt, als noch am Anfang geplant.

Außerdem strich die UNESCO 2009 den Weltkulturerbetitel für das Dresdner Elbtal, da durch den Brückenbau die Landschaft "irreparabel zerstört" werde. Dennoch wird die Brücke seit der Eröffnung immer häufiger genutzt.

Nach dem symbolischen Auftakt im Jahr 2000 geschieht wegen des Streits sieben Jahre lang nicht viel. Erst Ende 2007 startet der Brückenbau. Das geschieht dann mit vollem Einsatz. 120 Bauleute arbeiten 2008 beiderseits der Elbe. In diesen Etappen wurde die Waldschlößchenbrücke gebaut.

2007: Der Bau beginnt

Am 19. November 2007 beginnt der Brückenbau am Altstädter Ufer. Fünf Tage zuvor hat das Oberverwaltungsgericht Bautzen den Baustopp aufgehoben. Damals wird die vom Aussterben bedrohte Fledermausart Kleine Hufeisennase zum Hauptakteur im Brückenstreit. Die Bautzner Richter urteilen jedoch, dass von der Brücke keine Gefahren für Fledermäuse ausgehen. Allerdings gibt es erhebliche Auflagen für deren Schutz. So müssen eine nächtliche Tempo-30-Zone für die Sommerhalbjahre eingerichtet und Blitzer aufgestellt werden.

Der Bau hat begonnen. Ein Blick zum Neustädter Ufer im August 2008.
Der Bau hat begonnen. Ein Blick zum Neustädter Ufer im August 2008. © Hans-Joachim Kummert

2009: Die Stahlteile rollen

Eine tausend Kilometer lange Tour hat Brummi-Fahrer Peter Mancke hinter sich, als er mit seinen Kollegen in der Nacht zum 10. Juli 2009 die ersten Stahlteile zur Brückenbaustelle bringt. Auf Tiefladern kommen die 25 Meter langen Träger vom nordbelgischen Eeklo nach Dresden. In den Werkhallen unweit der Nordsee verarbeiteten Fachleute 7.000 Tonnen Stahl beim Bau der Träger. Mit 100 Schwertransporten der Firma Hegmann Transit werden sie auf die Montageplätze am Altstädter und Neustädter Ufer gebracht. In der Nacht zum 4. November 2010 kommt der letzte Tieflader.

Nach 825 Kilometern ist nachts das Ziel am Johannstädter Montageplatz erreicht. Drei Nächte lang waren die Schwertransporte aus Belgien unterwegs.
Nach 825 Kilometern ist nachts das Ziel am Johannstädter Montageplatz erreicht. Drei Nächte lang waren die Schwertransporte aus Belgien unterwegs. © Hans-Joachim Kummert

2010: Der Bogen schwimmt

Der Bogen der Waldschlößchenbrücke überspannt die Elbe. In mehreren Schritten ist die 1.800 Tonnen schwere Stahlkonstruktion ab dem 17. Dezember 2010 vom Johannstädter Ufer aus in ihre endgültige Position geschoben worden. Zwei Tage später schwimmt sie in die Lücke überm Fluss, um die Brücke zu schließen. Trotz der Kälte verfolgen an dem Wochenende tausende Schaulustige von beiden Elbseiten aus die Arbeiten. Auch Brückengegner protestieren. Am Neustädter Ufer hat das Netzwerk Welterbebewegung sein großes Symbol weithin sichtbar an einer Hubbühne befestigt. Das Einschwimmen des Brückenbogens geht schneller als geplant. "Wir sind stolz, dass wir dieses wichtige Etappenziel erreicht haben", resümiert Henri Lossau, der technische Leiter der Brückenbau-Arbeitsgemeinschaft.

Am 19. Dezember 2010 schwimmt der Bogen in die Brückenmitte. Die holländischen Spezialisten haben Präzisionsarbeit geleistet.
Am 19. Dezember 2010 schwimmt der Bogen in die Brückenmitte. Die holländischen Spezialisten haben Präzisionsarbeit geleistet. © Hans-Joachim Kummert

2011: Der Beton fließt

Die Stahlkonstruktion der Waldschlößchenbrücke ist komplett. Am 24. August 2011 wird das 90 Meter lange Stück der Fahrbahnplatte zwischen den Brückenbögen betoniert. Morgens um sechs ist das erste Transportbetonfahrzeug angerollt, hat die Arbeit begonnen. Binnen elf Stunden werden rund 1.800 Tonnen Beton mit Hochdruck in die Brückenmitte gepumpt. Keine leichte Arbeit für die Brückenbauer. Immerhin steigt die Quecksilbersäule an diesem Tag auf stattliche 31 Grad. Allerdings zieht sich der Bau der Fahrbahnplatte bis zum 28. Juni 2012 hin.

Am 24. August 2011 wird der erste Abschnitt der Fahrbahnplatte zwischen den Bögen betoniert.
Am 24. August 2011 wird der erste Abschnitt der Fahrbahnplatte zwischen den Bögen betoniert. © Hans-Joachim Kummert

2013: Rund 190.000 Menschen feiern die Eröffnung

Am 24. August 2013 ist für das umstrittene, rund 182 Millionen Euro teure Bauwerk ein historischer Moment. Es wird offiziell eröffnet. Ministerpräsident Stanislaw Tillich, Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz (beide CDU) und andere Prominente stehen inmitten der Ehrengäste, halten ihre Reden. Nicht vergessen ist auch der Verlust des Unesco-Weltkulturerbetitels für das Dresdner Elbtal. Das gelb-schwarze Eröffnungsband ist durchtrennt, die Waldschlößchenbrücke offiziell eröffnet.

Die Dresdner feiern die Eröffnung. Bei einer Entdeckertour der Sächsischen Zeitung erkunden sie Brücke und Tunnel. An diesem Wochenende feiern insgesamt 190.000 Besucher die Eröffnung, bevor ab Montag der Verkehr rollt.

2024: Immer noch keine Baugenehmigung

Fast elf Jahre rollt der Verkehr über die Waldschlößchenbrücke, die in solidem Zustand ist. Der derzeit gültige Brücken-TÜV bescheinigt ihr einen Wert von 2,0 bis 2,4 und gilt damit als befriedigend. Probleme wie an der Carolabrücke sind derzeit nicht in Sicht. Der einzige Schwachpunkt sind die LED-Lichtleisten in den Handläufen. 775 der insgesamt 1.322 Lichtleisten sind bisher ausgefallen, neu installierte jedoch nicht, erklärt Brücken-Abteilungsleiter Holger Kalbe vom Straßenbaumt.

Gut genutzt wird die Waldschlößchenbrücke nicht nur von Kraftfahrern, sondern auch von immer mehr Radfahrern.
Gut genutzt wird die Waldschlößchenbrücke nicht nur von Kraftfahrern, sondern auch von immer mehr Radfahrern. © René Meinig

Das Bundesverwaltungsgericht hat im Juli 2016 die Baugenehmigung für die Brücke gekippt. Nachgeholt werden musste die Umweltverträglichkeitsprüfung nach den strengen EU-Richtlinien für Flora-Fauna-Habitate (FFH).

Die Stadt hat die Planfeststellungsunterlagen Ende 2021 bei der Landesdirektion Sachsen eingereicht. Danach sind acht Stellungnahmen beziehungsweise Einwände eingegangen. Diese wurden durch die Stadt beantwortet. Derzeit wertet die Landesdirektion die Einwände sowie Gegenstellungsnahmen aus. "Einen Zeitpunkt, wann wir den Planfeststellungsbeschluss bekommen, hat uns die Landesdirektion noch nicht genannt", sagt Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne).