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Dresdner Fernsehturm hat Geburtstag: "Die Wachwitzer Riesennadel sendet"

Der Fernsehturm ist das höchste Bauwerk Dresdens und ein unübersehbares Wahrzeichen. Vor 55 Jahren wurde dort der Sendebetrieb aufgenommen.

Von Ralf Hübner
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Wahrzeichen der Stadt: Blick um 1979 auf den Dresdner Fernsehturm.
Wahrzeichen der Stadt: Blick um 1979 auf den Dresdner Fernsehturm. © SZ/Hans-Dieter Opitz

Dresden. Eine Tasse Kaffee in mehr als 140 Metern Höhe genießen mit Blick auf die Tafelberge der Sächsischen Schweiz, das Osterzgebirge oder über die Stadt Dresden: Bis 1991 war das für die Besucher des Dresdner Fernsehturmes möglich. Das 252 Meter hohe Bauwerk gilt architektonisch als einer der schönsten Fernsehtürme in Europa und ein Wahrzeichen der Stadt.

Vor 55 Jahren wurde er am 18, September 1969 offiziell in Betrieb genommen. Das Turmcafé jedoch blieb noch bis zum 6. Oktober geschlossen. Denn: Erst nachdem der Fernsehturm in Berlin eröffnet worden war, durften auch die Dresdner in ihren Turm.

"Wachwitzer Riesennadel sendet", titelte die Sächsische Zeitung damals. Bei einem Festakt mit der versammelten SED-Parteiprominenz des Bezirkes Dresden gab der Minister für Post- und Fernmeldewesen der DDR, Rudolph Schulze, telefonisch die Anweisung zum Sendestart. Auf Fernsehgeräten flimmerten die ersten, vom Wachwitzer Turm gesendeten Bilder über die Mattscheibe.

Frauen 1988 bei der Reinigung im Gastraum des Fernsehturmcafés.
Frauen 1988 bei der Reinigung im Gastraum des Fernsehturmcafés. © Foto: SZ/Gunter Hübner

1956 hatte der Deutsche Fernsehfunk der DDR den Sendebetrieb aufgenommen. Doch der Empfang des Programms war vor allem in Tallagen wie etwa dem Elbtalkessel schwierig. Im Raum Dresden betraf das von Pirna bis Coswig rund 600.000 Bewohner. Schon seit 1953/54 gab es deshalb in Radebeul eine Station auf den Lößnitzhöhen. Ein Fernsehturm sollte Abhilfe schaffen. Ursprüngliche Planungen sahen deshalb vor, den neuen Fernsehturm ebenfalls auf den Lößnitzbergen zwischen Radebeul und Coswig zu errichten. Doch wegen eines Heimes für Tuberkulosekranke dort in der Nähe, das hätte verlegt werden müssen, erhob das Ministerium für Gesundheitswesen Einspruch. Und so fiel die Wahl auf den Wachwitzer Hang 120 Meter über dem Elbtal.

Dort mussten Berichten zufolge dem Projekt nur einige Kleingärten weichen. Im Sommer 1964 wurde der Grundstein gelegt und der Turm noch im gleichen Jahr bis zur „Taille“ hochgezogen. Die Betonbauer kamen aus allen Teilen des Landes und hatten zuvor vor allem Schornsteine und Kühltürme gebaut. Kurt Nowotny, Herrmann Rühle und Johannes Braune waren die verantwortlichen Architekten. Beim Anblick von Sektkelchen soll Nowotny auf die Idee zur Gestaltung des Turmes gekommen sein. Möglicherweise haben aber auch Entwürfe für den Stuttgarter Fernsehturm aus den 1950er-Jahren Pate bei dem Projekt gestanden.

1968 wird endgültige Höhe erreicht

Die Arbeiten des Turmschaftes bis zu einer Höhe von 167 Metern lag in den Händen des Spezialbaukombinates Magdeburg. Die Laterne, das Schachtgerüst und den Antennenträger bis zur endgültigen Höhe von 252 Metern baute der VEB Sächsische Brücken- und Stahlhochbau in Dresden-Niedersedlitz.

Die Arbeitsmethoden muten aus heutiger Sicht abenteuerlich an, denn für die Betonbauer gab es keinen Aufzug. Die 21 Arbeiter kletterten über Leitern in die Höhe. Das Baumaterial wurde mit Flaschenzügen und Hebekran in die Höhe transportiert. Ein Bauarbeiter stürzte in einen 120 Meter tiefen Aufzugsschacht und starb. Der Unfall wurde offiziell nie bekannt. Im Dezember 1965 war die Marke von 167,15 Metern erreicht, und es wurde Richtfest gefeiert. Danach wurde der Turmkopf, ein mehrgeschossiger Stahlskelettbau, auf die Abschlussplatte des „Kelches“ aufgesetzt und ab Sommer 1967 der Antennenträger montiert. Mitte 1968 hatte der Turm die endgültige Höhe von 252 Metern erreicht, ab August wurden die technischen Anlagen installiert. Als der Turm 1969 in Betrieb ging, wurden ein Fernsehprogramm sowie vier UKW-Sender ausgestrahlt. Am 3. Oktober kam mit der Übergabe des Berliner Fernsehturm ein zweites Fernsehprogramm in Farbe hinzu.

Am 7. Oktober konnten die ersten Besucher von Turmcafé und Aussichtsplattform in 148 Metern Höhe den Blick über das Elbtal schweifen lassen. Am Tag zuvor hatten dort die Bauarbeiter zusammen mit ihren Ehefrauen gefeiert. Die 132 Plätze des Cafés über zwei Etagen waren später meist gut ausgelastet, die Küchenmannschaft bereitete Tag für Tag etwa 250 Mittagessen.

Der Fernsehturm war sofort ein beliebtes Ausflugsziel. Zwei Schnellaufzüge, die von Leipziger Institut für Fördertechnik entwickelt worden waren, brachten die Gäste mit einer Geschwindigkeit von sechs Metern pro Sekunde zur Aussichtsplattform. Die Fahrt dauerte kaum eine halbe Minute. Es waren damals die schnellsten Aufzüge in Europa. Zehn Gäste passten in die Aufzugsgondel. Erwachsene zahlten für die Fahrt drei Mark. Die Alternative dazu waren 750 Treppenstufen.

Erst im Juni 1991 gingen im Café die Lichter aus. Bis zum Jahresende konnten die Besucher noch auf die Aussichtsplattform, dann war auch das zu Ende. Die Aufzüge müssten saniert, ein weiter Fluchtweg angelegt, der Brandschutz auf den aktuellen Stand und das Café neu gestaltet werden. Zuletzt schien die Wiedereröffnung von Aussichtsplattform und Café fast in Reichweite. Fördergelder wurden zugesagt. Doch spätestens nach dem Einsturz der Carolabrücke dürfte es erneute und Debatten um den Turm geben. Zunächst treffen sich an diesem Wochenende aber Mitglieder der Dresdner Bürgerinitiative Fernsehturm und Anwohner, um über mögliche Verkehrskonzepte zu reden.