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So bissig ist das neue Stück der Herkuleskeule

Es muss nicht immer Roland Kaiser sein. Versuchen Sie es doch mal mit dem neuen Programm der Dresdner Herkuleskeule: Sie werden sich schwarz freuen.

Von Rainer Kasselt
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Sie treiben den Irrwitz auf die Spitze im neuen Programm der Dresdner Herkuleskeule: Philipp Schaller (l.) als Mateo und Hannes Sell als Malte.
Sie treiben den Irrwitz auf die Spitze im neuen Programm der Dresdner Herkuleskeule: Philipp Schaller (l.) als Mateo und Hannes Sell als Malte. © ROBERT JENTZSCH

Mateo und Malte wollen die Welt retten. Schöner Zug von ihnen. Im Programm der Herkuleskeule „Rabimmel Rabammel Rabumm“, das zur Premiere am Mittwoch heftig beklatscht wurde, geben sie ihr Bestes. Retten die Welt aber nicht, und mit politischem Kabarett schon gar nicht. Dort erzählen sie doch eh nur immer dasselbe, meint Mateo: „Die Welt ist schlecht, die Reichen immer reicher, die Armen immer ärmer, die AfD voll Nazi, Klimaschutz voll wichtig, Fleischessen voll böse, Florian Silbereisen voll dumm“ und so fort. Da will Mateo lieber zu Roland Kaiser gehen.

Mit der Menschenmilch aufgesogen

Bei der Herkuleskeule nehmen sie sich gern mal auf den Arm. Das haben sie quasi mit der Muttermilch aufgesogen, Pardon das heißt „Menschenmilch“. Ohne Genderwitz wagt sich ja heute kein Kabarettist mehr auf die Bühne. Und mit purer Agitation erst recht nicht. Also hat sich Philipp Schaller eine Kabarettkomödie ausgedacht und spielt den sozial hellwachen Mateo gleich selber. Er baut einen putzigen Rahmen um die Probleme der Gegenwart: Malte zieht bei Mateo ein, weil ihn die Freundin Tabea rausgeschmissen hat. Malte schwört auf vegane Speisen und findet in Mateos Kühlschrank zu seinem Entsetzen Schnitzel und verpackte Wiener Würstchen. Er hält dem Fleischesser ellenlange Vorträge, will ihn zum besseren Menschen erziehen. Geht natürlich schief. Mateo spottet, nennt ihn Salafist und schnappt ihm zuletzt Tabea weg. So weit der Komödienteil. Im politischen Teil geht es scharf und bissig zur Sache.

Klimakleber, Kindererziehung, Krisenstimmung sind nur drei von vielen Themen. Die Argumente der Kontrahenten fliegen hin und her. Jeder hat auf seine Weise recht, es gibt keine einfachen Antworten. Der Streit, der die Gesellschaft spaltet, spiegelt sich im Stück deutlich wider. Philipp Schaller, seit 2020 Chef der Herkuleskeule, meldet Zweifel an, will aufklären und verstören. Sein liebster Platz ist der zwischen den Stühlen. Er möchte uns aus unseren Denkhöhlen holen. Malte, furios von Hannes Sell gespielt, entdeckt den harten Kerl in sich und will dringend Panzer fahren. Mateo fasst es nicht: „In Europa nebenan ist Krieg und du träumst vom Panzerfahren!“ „Ich bin eben ein echter Grüner“, kontert Malte. Und Mateo überrascht mit dem Bekenntnis, er sei für Waffenlieferungen in die Ukraine. Fügt aber hinzu: „Wenn wir schon Panzer liefern, kann dann nicht wenigstens ein leiser Zweifel beim Absender zurückbleiben?“ Starker Szenenbeifall.

Witzige Pointen und Musiker in Hochform

Vor der Pause des gut zweistündigen Abends hätte man sich ein paar Raffungen gewünscht. Nur gut, dass Schaller nicht mit witzigen Pointen spart. Mit mehr Tempo geht es im zweiten Teil weiter. Das Publikum wird mit Martinslaternen und dem Gesang des Kinderliedes „Rabimmel, Rabammel, Rabumm“ in das Spiel einbezogen. Die dramaturgisch passend ausgewählten Songs prägend den Abend entscheidend mit. Hervorzuheben Rainald Grebes Mittelschichtlied „Lass die Kerne in den Oliven“, der „Bartsong“ von Schwarze Grütze, der neue und alte Wendehälse aufs Korn nimmt. Die „Maulenden Rentner“ von Pigor & Eichhorn schießen mit spitzem Pfeil gegen deutsche Senioren, die im Ausland alles schlechter finden.

Die fantastischen Musiker Jens Wagner und Volker Fiebig sind sängerisch und instrumental in Hochform. Hannes Sell wird von Programm zu Programm komödiantischer und musikantischer. Ein Kabinettstück seine Kaffee-Kapsel-Zungenbrechernummer, toll der Rockersong. Philipp Schaller überzeugt mit schelmischem Spiel und Sympathie für Hungernde in der Welt und Alleinerziehende in Deutschland. Fast eine Viertelstunde läuft er auf dem Laufband, lange vor Stückbeginn. Ellen Schaller hält das Ganze mit Witz und szenischem Geschick inszenatorisch zusammen. Ein runder Abend, der auch junge Leute ansprechen dürfte. Es muss nicht immer Roland Kaiser sein. Wie Mateo am Ende verblüfft erfährt.

Wieder am 18., 19. und 24. 10., 1., 9., 11., 18. und 28. 11. Kartentelefon: 0351 492 55 55