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Keine Flops, neuer Glanz: Semperoper-Intendant Peter Theiler geht

Peter Theiler bilanziert nach sechs Spielzeiten seine Dresdner Intendanz und sagt: "Die Semperoper bleibt ja in Schweizer Hand.“

Von Bernd Klempnow
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Peter Theiler nimmt Abschied: Was würde er sich wünschen? „Mehr bürgerschaftliches Engagement der Dresdner für ihre Semperoper.“
Peter Theiler nimmt Abschied: Was würde er sich wünschen? „Mehr bürgerschaftliches Engagement der Dresdner für ihre Semperoper.“ © Semperoper Dresden/Ludwig Olah

Abschied mit einem vergessenen Geniestreich. Wenn sich am Sonnabend in der Dresdner Semperoper der Vorhang zu Hector Berlioz’ Oper „Benvenuto Cellini“ hebt, dann ist das eine besondere Premiere. Nicht nur, dass diese Opéra-comique über den Renaissance-Künstler und Lebemann nach gut 100 Jahren wieder mal in Dresden zu erleben ist. Es ist die letzte Premiere der Intendanz von Peter Theiler. Der 68-jährige Schweizer verabschiedet sich mit seiner Lieblingsoper nach 28 Jahren als Leiter von vier Bühnen in den Ruhestand. Den will er mit Frau und Hund in der sächsischen Landeshauptstadt verbringen. „Hier ist es wunderbar, Dresden ist sehr lebenswert“, zog er am Freitag seine persönliche Bilanz. Er war seit Sommer 2018 für sechs Spielzeiten der Leiter des sächsischen Theaterflaggschiffs. Bereits seit 2015 war er in Dresden mit der Vorbereitung beschäftigt.

Wird in wenigen Tagen auch in Dresden verabschiedet: Christian Thielemann, Chefdirigent der Dresdner Staatskapelle. Er wechselt an die Berliner Lindenoper.
Wird in wenigen Tagen auch in Dresden verabschiedet: Christian Thielemann, Chefdirigent der Dresdner Staatskapelle. Er wechselt an die Berliner Lindenoper. © Matthias Creutziger

Er selbst gibt sich bescheiden, wenn er sagt: „Wir haben keine Flops produziert, aber vieles von dem erreicht, was ich umsetzen wollte.“ Dabei war seine Amtszeit eine sehr gemischte. Großartig ging es im September 2018 mit Schönbergs „Moses und Aron“, dann Verdis „Nabucco“ und schließlich Meyerbeers „Hugenotten“ los. Doch die Pandemie wirbelte ab Frühjahr 2020 jegliche Pläne durch drei lange Corona-Schließzeiten durcheinander.

War auch so ein Geniestreich: die Premiere der Richard-Strauss-Oper "Die Frau ohne Schatten" in der letzten Spielzeit von Peter Theiler.
War auch so ein Geniestreich: die Premiere der Richard-Strauss-Oper "Die Frau ohne Schatten" in der letzten Spielzeit von Peter Theiler. © Semperoper Dresden/Ludwig Olah

Nicht nur, dass die „Architektur der Spielpläne“ zusammenfiel. Die Schutzmaßnahmen, die in Sachsen zeitweise besonders streng und lange waren, sorgten für künstlerische und finanzielle Totalausfälle. Auch menschlich war diese erzwungene Stille eine „absolute Zumutung“, so Ministerpräsident Michael Kretschmer in einem Sonderheft zum Theiler-Abschied. „Die Gemeinschaft der Opernschaffenden auf und hinter der Bühne zusammenzuhalten, eine Position des Hauses zu finden und den Draht zum Publikum nicht abreißen zu lassen, war eine Meisterleistung. Dank dieses Wirkens hat die Semperoper nichts an ihrer Zugkraft verloren.“

Das 270 Seiten umfassende, reichlich bebilderte Sonderheft, das alle 53 Premieren in Oper und Ballett – davon wiederum drei Opern- und fünf Ballett-Uraufführungen sowie 27 deutsche oder Dresdner Uraufführungen – aufzählt und viele Kollegen zu Wort kommen lässt, ist in der Schinkelwache in limitierter Auflage für 19 Euro erhältlich. Es lohnt der Rückblick, zumal die Corona-Delle mit ihrem Tiefpunkt 2021 mit nur 26.000 Besuchern überwunden scheint.

Erfolge auf der Bühne und in der Kasse

In der noch laufenden Spielzeit 2023/24 mit insgesamt 249 Vorstellungen im sogenannten Kerngeschäft mit Oper-, Ballett- und Konzertaufführungen erzielte die Sächsische Staatsoper mit Stand Ende Juni Karteneinnahmen in Höhe von knapp 17.700.000 Euro brutto und damit ein Plus von gut 100.000 Euro brutto über den erwarteten Einnahmen. Der Kostendeckungsgrad liegt somit bei sensationellen 35 Prozent. Bis zum Saisonende am 10. Juli – und dem Abschied von Chefdirigent Christian Thielemann am Pult der Sächsischen Staatskapelle – rechnet das Haus mit einer Gesamtbesucherzahl von gut 316.000 Gästen, bei einer Auslastung von rund 90 Prozent. Dies bedeutet einen Anstieg der Besucherzahlen um acht Prozent im Vorjahresvergleich.

Er ist einer der Stars, die unter Peter Theiler relativ regelmäßig in Dresden sangen: Tenor Rolando Villazon.
Er ist einer der Stars, die unter Peter Theiler relativ regelmäßig in Dresden sangen: Tenor Rolando Villazon. © Marion Doering

Dass die Abschiedssaison eine so erfolgreich wird, liegt nicht nur am neu erwachenden Interesse des Publikums. Es hat einen Grund auch in der ausgewogenen Programmatik von starker Repertoire-Pflege etwa mit der Wiederaufnahme von „Tristan und Isolde“, von gesellschaftlich relevant befragten Neuproduktionen etwa mit einer grandiosen „Turandot“ als Hunger-Game und von beeindruckenden Uraufführungen auf der großen Bühne wie die brillante „Jüdin von Toledo“.

Gut ist ebenso die Mischung der Besetzungen etwa mit den Hauskünstlern und den dem Haus schon lange verbundenen Sängern sowie regelmäßig agierenden Stars. Ausgebaut wurde das Education-Programm. Das Haus ist Stadttheater und europaweit leuchtender Exzellenzbetrieb in einem. „Nach mehr als 1.600 Vorstellungen kann man sagen", so die langjährige sächsische Kunstministerin Eva-Maria Stange, „Peter Theiler hat die Semperoper nicht nur zu neuem Glanz weit über die Grenzen Sachsens und Deutschlands geführt, sondern er hat sie zu einer ,Oper für alle’ weiterentwickelt.“

Nora Schmid wird ab Sommer 2024 die Semperoper leiten.
Nora Schmid wird ab Sommer 2024 die Semperoper leiten. © dpa

Nicht alles gelang, was normal ist. Mitunter gab es auch Misstöne. Legendär ist der Streit mit Christian Thielemann, der die berufsverbietenden Pandemie-Auflagen nicht akzeptieren wollte, weil andere Häuser, etwa in Wien oder Berlin, sie anders handhabten. „Ich bin und war doch mit Christian Thielemann nicht überquer. Aber ich habe als Ermöglicher und Absicherer eine Fürsorgepflicht“, sagt der Intendant. Und in der möge sich jeder wiederfinden.

„Ereignisreich“ nennt Peter Theiler seine Jahre in Dresden: „Ich übergebe ein gut bestelltes Haus an eine sehr geschätzte Kollegin. Zumal ja mit Nora Schmid die Semperoper in Schweizer Hand bleibt.“