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Jubel an der Dresdner Staatsoperette: Pralles Leben als große Show

Die selten gespielte Operette „Du bist ich“ wird in Dresden zur furiosen, verwirrenden Revue, die mitnimmt und begeistert.

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Christina Maria Fercher als Loulou und Andreas Sauerzapf als Bob in der Inszenierung von „Du bist ich oder: Der Traum von der Karibik“, die jetzt an der Dresdner Staatsoperette Premiere hatte.
Christina Maria Fercher als Loulou und Andreas Sauerzapf als Bob in der Inszenierung von „Du bist ich oder: Der Traum von der Karibik“, die jetzt an der Dresdner Staatsoperette Premiere hatte. © Pawel Sosnowski

Von Jens Daniel Schubert

Der Untertitel der ersten Spielzeitpremiere, „Der Traum von der Karibik“, passte perfekt zum Thema „Eine Nacht in Havanna“, welches die Staatsoperette ihrem Sommernachtsball am Freitag gegeben hatte. Es war eine heiße Nacht mit vielen Angeboten und Attraktionen, ein Fest zum Tanzen und zum Genießen. Was alles auf der Menükarte stand, welche Promis wo das Tanzbein geschwungen haben, welche Hauptpreise die Tombola bot und was als schönste Abendgarderobe gekrönt wurde berichtet die SZ an anderem Ort.

Die Operette am Beginn des Abends konnte in Feierlaune und Traumwelten entführen. „Du bist ich“ heißt das Stück, mit dem der kubanische Komponist Moïses Simons 1934 in Paris einen Überraschungserfolg landete. Seit der deutschen Erstaufführung 2013 ist die Staatsoperette erst das zweite Haus, das diese surrealistische Verwechslungs-Revue seinem Publikum präsentiert.Das hintersinnige Vergnügen wird von abwechslungsreicher, tänzerischer Musik in lateinamerikanischen Rhythmen mit einer Vielzahl eingängiger Melodien getragen. Der neue Chefdirigent Michael Ellis Ingram führt Orchester, Chor und Solisten zu stimmungsvoller Interpretation.

Szene aus "Du bist ich oder: Der Traum von der Karibik" mit Jeannette Oswald (Honorine) und dem Ballett der Staatsoperette.
Szene aus "Du bist ich oder: Der Traum von der Karibik" mit Jeannette Oswald (Honorine) und dem Ballett der Staatsoperette. © Pawel Sosnowski

Die straffe Fassung von Hausregisseurs Matthias Reichwald verzichtet darauf, die Geschichte bis in den letzten Winkel logisch nachvollziehbar zu zeigen. Dafür entfaltet sie das Spielpotenzial der Story, reizt die schauspielerischen Leistungen der Akteure in den vielfältigen Charakteren, feiert die Musik und die Show, changiert zwischen Traum und Realität, balanciert zwischen Lust und Liebe, bedient die glatte Oberfläche wie den pointierten Witz und lässt dennoch in die Tiefen, vielleicht Abgründe des Menschen schauen.

Ausstatterin Henriette Hübschmann hat das Orchester auf der Hinterbühne platziert und die Pariser Revue „Zur Weltreise“ auf dem überbauten Orchestergraben. Glitzer und Glimmer zeichnen sie aus, Silke Richter moderiert augenzwinkernd durchs Programm. Als Star wird die geheimnisvolle Schönheit Viviane präsentiert, eindrucksvoll gesungen von Dimitra Kalaitzi. Der eigentliche Höhepunkt, Damenschwarm Bob, wird zunächst nur angekündigt.

Pariser Bar statt echte Antillen

Unter den Gästen ist Pat, der gerne so wäre wie Bob. Da er notorisch pleite ist, verlässt ihn demonstrativ seine Freundin Loulou. Christina Maria Fercher gibt sie keck, rigoros und sexy. Auch die „alte Erbtante“, attraktiv-jugendlich-resolut von Jeannette Oswald verkörpert, lässt Pat abblitzen. Er soll in ihren Zuckerrohrplantagen auf den Antillen arbeiten! Der Barkeeper spendiert einen Riesentrog Sangria, mit dem sich Pat, von Bryan Rothfuss spielerisch wie sängerisch facettenreich dargestellt, bis zur Ohnmacht betrinkt.

Alles Weitere ergibt sich wie im Traum. Der bewunderte Star Bob macht ihm ein unfassbares Angebot: Du bist ich. Gemeinsam reisen sie in die Antillen. Das ist hier nichts anderes als die Pariser Bar, in der die weiß gekleideten Gäste mit ein paar Palmenwedeln wedeln. Der Barkeeper, herrlich polternd und später anrührend liebestoll dargestellt von Markus Lieske, mutiert zum geschäftigen Plantagenverwalter, der seine attraktive wie selbstverliebte Tochter Maricousa, niemand anderes als Pats Ex Loulou, mit dem angereisten Plantagenerben, also Pat, verkuppeln will.

Jeder Topf bekommt sein Deckelchen

Sie lässt sich scheinbar darauf ein, flirtet aber hemmungslos mit dessen „Leibarzt“, Revuestar Bob, den es als Alter Ego von Pat mal wieder auf die Sonnenseite verschlagen hat. Andreas Sauerzapf hat das strahlende Lächeln, den charmanten Witz und die kräftigen Tenortöne für diese Rolle. Schließlich kommen Gouverneur samt Tochter ins Spiel, kaum zu verkennen als Conférencière und Revue-Sängerin Viviane. Und während sich die jungen Damen zoffen, verlieben sich die jungen Männer in die Falsche, die sich als die Richtige entpuppt. Zum krönenden Höhepunkt erscheint auch noch die Erbtante und schnappt sich im Rausch der karibischen Nächte den Plantagenverwalter.

Die Operette lässt den Vorhang fallen, wenn jeder Topf sein Deckelchen hat. Alles ist eine große Show, man ist wieder zurück in der Pariser Bar. Das Leben will genossen sein. Jeder und jede darf sein, wer sie will. Du bist ich? Aber wer bin ich? Wer will ich sein? Darf man nur träumen oder den Traum auch beim Schopfe packen?

Die furiose, verwirrende Revue nimmt mit, begeistert, fasziniert. Und doch gelingt es dem Regisseur, die Figuren und ihre Geschichten so zu erzählen, dass man ihnen nicht fremd bleibt. Gutes Theater eben. Applaus, Applaus!

Wieder am 15.9., 4., 13., 18., 26. und 27.10.; Karten unter 0351 32042222 oder hier.