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Grünes Gewölbe in Dresden: So sehen die gestohlenen Juwelen jetzt aus

Ihre Rückgabe durch die Juwelendiebe gut drei Jahre nach dem Einbruch ins Dresdner Grüne Gewölbe war eine Sensation. Nun sind viele Beutestücke zurück in ihrer Vitrine - wenn auch nicht alle in Top-Zustand.

Von Oliver Reinhard
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Blcik auf die Vitrine mit den zurückerlangten Juwelen im Historischen Grünen Gewölbe: Ab Mittwoch werden die Schmuckstücke auch der Öffentlichkeit gezeigt.
Blcik auf die Vitrine mit den zurückerlangten Juwelen im Historischen Grünen Gewölbe: Ab Mittwoch werden die Schmuckstücke auch der Öffentlichkeit gezeigt. ©   dpa/Robert Michael

Es ist ein bisschen wie Weihnachten: Andächtige Stille macht sich breit, als zuerst Kunstsammlungsdirektorin Marion Ackermann und Ministerpräsident Michael Kretschmer die barocke Schatzkammer im Grünen Gewölbe betreten, gefolgt von Kunstministerin Barbara Klepsch und Museumsleiter Marius Winzeler.

In ihren Gesichtern halten sich Ehrfurcht und Freude die Waage, bis sie den Ort der Bescherung erreichen und vor dem „Gabentisch“ zu stehen kommen, der Vitrine mit den eigentlichen Hauptsachen des Tages, und mit den Preziosen darin um die Wette strahlen.

Das ist auch würdig und recht, denn nach fast fünf Jahren ist Sachsens verlorene Tochter, die im November 2019 bei einem spektakulären Einbruch gestohlene Prunkgarnitur Augusts des Starken, nach Hause zurückgekehrt, zumindest zum größten Teil. Schon als Staatsanwälte und Beamte der Soko „Epaulette“ die geretteten Stücke kurz vor Heiligabend 2022 wieder nach Sachsen holen konnten, hat Marion Ackermann von einem „Weihnachtswunder“ gesprochen. Ab sofort können auch Besucherinnen und Besucher des Grünen Gewölbes daran teilhaben.

Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, und Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen, stehen vor der Vitrine mit den zurückerlangten Juwelen im Historischen Grünen Gewölbe im Residenzschloss.
Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, und Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen, stehen vor der Vitrine mit den zurückerlangten Juwelen im Historischen Grünen Gewölbe im Residenzschloss. © Marco Klinger

„Wir sind begeistert und sehr dankbar, heute ist ein schöner Tag für uns“, stellt Michael Kretschmer zutreffend fest, denn der Diebstahl des weltweit bedeutendsten barocken Schmuck-Ensembles hatte ebenso eine schmerzhafte Lücke im sächsischen „Staatsschatz“ hinterlassen wie in den Herzen unzähliger Menschen, nicht nur im Freistaat.

Zwar fehlen noch drei der 21 gestohlenen Objekte, zudem sind einige beschädigt und werden auch in diesem Zustand gezeigt. Doch bis auf den zerbrochenen Degen sind die Schäden für Laien nur in geringem Umfang wahrnehmbar.

Der Zustand der Schätze darf nicht verändert werden. Aus diesem Grund sind auch an diesen Degen des Diamantrose-Sets deutliche Beschädigungen zu erkennen.Das Foto links zeigt den Degen vor dem Diebstahl.
Der Zustand der Schätze darf nicht verändert werden. Aus diesem Grund sind auch an diesen Degen des Diamantrose-Sets deutliche Beschädigungen zu erkennen.Das Foto links zeigt den Degen vor dem Diebstahl. © Archivbild: SKD/Polizei (l.); dpa/Robert Michael

Mit leuchtenden Kinderaugen „Das Wichtigste ist wieder da“, sagt Marion Ackermann, die mit der Schließung der Juwelen-Lücke Sachsen gewissermaßen ein versöhnliches Abschiedsgeschenk hinterlässt: Im Oktober endet ihre Amtszeit als Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD). 2025 wird sie in Berlin Leiterin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Auch für Ministerpräsident Kretschmer ist der Tag aus mehreren Gründen schön, steht er doch mitten im Wahlkampf und kann positive Nachrichten bestens gebrauchen.

Entsprechend zufrieden und versöhnlich klingen seine Worte zum Tage beim. „Aus einem spektakulären Kunstraub ist der banale Diebstahl eines Kriminellenclans geworden“, sagt er rückblickend. Das lässt Raum zwischen den Zeilen dafür, dass es durchaus viel Ärger gegeben hat, der immer noch nicht vollständig abgeklungen ist. Etwa über jene gravierenden Sicherheitsmängel, die das Grüne Gewölbe nur scheinbar zu einer Art sächsischem Fort Knox und die Tat überhaupt erst möglich gemacht hatte. Oder über diverse Ermittlungspannen, bei denen mancher heute noch die Hände über dem Kopf zusammenschlagen möchte.

Ebenso gibt es Unmut über die in vielen Augen zu milden Urteile für die fünf gefassten und im Mai 2023 verurteilten Täter der Berliner Verbrecherfamilie Remmo. Sie hatten es geschafft, mit sorgfältigem Ausbaldowern, Cleverness und äußerst rabiatem Vorgehen mit einer Axt binnen weniger Minuten 21 Schmuckstücke mit rund 4.300 Diamanten und Brillanten aus dem Juwelenzimmer zu stehlen. Dass der größte Teil zurück ist, kam letztlich zustande durch einen Deal mit den gefassten und vor Gericht gestellten Tätern.

Auch bei dieser Aigrette für das Haar sind die Spuren der unsachgemäßen Lagerung gut zu erkennen.
Auch bei dieser Aigrette für das Haar sind die Spuren der unsachgemäßen Lagerung gut zu erkennen. © Archivbild: SKD/Polizei (l.); dpa/Robert Michael

Zwar bleibt der Schaden enorm. Knapp 90 Millionen Euro beträgt er insgesamt, eine hohe Summe angesichts des Gesamtversicherungswertes der Beute von knapp 114 Millionen. Dennoch ist Michael Kretschmer voll des Lobes über die Arbeit der Behörden inklusive Richterinnen und Richter: „Sie haben klug und weise gehandelt.“

Zudem sei all das nicht das Wesentliche. Am wichtigsten für ihn seien die „leuchtenden Augen der Kinder“ gewesen, „die den Kunstschatz endlich wieder sehen konnten“: Schon vor dem offiziellen Präsentationstermin mit den Medien hat der Ministerpräsident eine Dresdner Kita-Gruppe zur Vorbesichtigung in der Schatzkammer empfangen, inklusive Fototermin. Auch Marion Ackermann stellt das Besondere am glücklichen Ausgang des Juwelen-Thrillers heraus: „Im letzten Jahr konnten nur 29 Prozent der Kunstdiebstähle aufgeklärt werden, und bei vielen ist die Beute bis heute verschwunden.“

Der Präsentationstermin sei „der schnellstmögliche Zeitpunkt“ gewesen, so die SKD-Direktorin. Vorher seien die Stücke von der Staatsanwaltschaft nicht freigegeben worden. Auch die Restaurierung steht noch an, denn die Preziosen sind Beweisstücke in einem immer noch laufenden Verfahren, ihr Zustand darf bis zu dessen vollständigem Abschluss nicht verändert werden. Erst danach können die Restauratorinnen und Restauratoren ans Werk, Stück für Stück, vermutlich über mehrere Jahre hinweg.

Auch an dieser Epaulette der Diamantrosengarnitur ist der Diebstahl nicht spurlos vorbeigegangen.
Auch an dieser Epaulette der Diamantrosengarnitur ist der Diebstahl nicht spurlos vorbeigegangen. © Archivbild: SKD/Polizei (l.); dpa/Robert Michael

Freilich gibt es theoretisch auch die Möglichkeit, die Juwelen lediglich konservatorisch zu behandeln, ohne sie zu restaurieren. Das aber solle unbedingt geschehen, sagt Marion Ackermann. „Selbst wenn man viele Schäden nur beim sehr genauen Hinsehen ausmachen kann, gibt es einige Korrosionsschäden, um die wir uns kümmern müssen.“

Die meiste eingedrungene Feuchtigkeit durch die schlechte Behandlung der Beute durch die Diebe sei offenbar getrocknet. „Aber wir wollen auf Nummer sicher gehen und die Stücke eingehend durchleuchten und untersuchen, um das Fortschreiten von Korrosionen wirklich auszuschließen.“ Über zehn Millionen Euro sind laut Michael Kretschmer in neue Sicherheitsvorkehrungen investiert worden. „Heute stehen wir stärker und fester da als zuvor.“ Natürlich könne man den Einbruch nicht ungeschehen machen, ergänzt Ackermann. „Aber wir können viel dazu beitragen, dass so etwas nicht noch einmal passiert.“

Einige Lücken in Vitrine des Juwelenzimmers gefüllt

Die in der Novembernacht 2019 geplünderte historische Vitrine im Juwelenzimmer des prominenten Museums war knapp anderthalb Jahre danach repariert und eingerichtet worden, aber mit vielen Lücken. Nur die Stücke der Brillant- und der Diamantgarnituren, die die Diebe verschonten oder die sie durch die mit einer Axt ins Glas gehauenen Löcher nicht zu fassen bekamen, lagen an ihrem angestammten Platz: Knöpfe, Schnallen und Perlenketten.

Unter den immer noch verschwundenen Objekten sind die Epaulette mit dem "Sächsischen Weißen", einem Brillanten von fast 50 Karat. Fachleute rechnen ihn zu den weltweit wichtigsten Diamanten. Zu deren Verbleib haben die Ermittler nach wie vor keine konkreten Hinweise. Und auch nicht zur Identität eines sechsten Tatbeteiligten.

Ermittlungen in dem Fall gehen weiter

Nach Angaben der Dresdner Staatsanwaltschaft laufen in dem Fall derzeit noch zwei Ermittlungsverfahren gegen insgesamt sechs Beschuldigte wegen Beteiligung an dem Einbruch. Vier Personen stehen im Verdacht, die Begebenheiten im Vorfeld ausgespäht zu haben. Zudem wird nach anonymem Hinweisen auf mögliche Tatbeteiligung zweier anderer Personen und weiterer Unbekannter ermittelt und zur noch fehlenden Beute. Hinweise in dem Fall gehen "nur noch sehr vereinzelt ein", sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Das Historische Grüne Gewölbe wird neben den regulären Öffnungszeiten (Mi – So 10 – 18 Uhr) ab dem 15. August 2024 zusätzlich von Donnerstag bis Samstag, jeweils 18 bis 20 Uhr, geöffnet sein. Zeittickets für können ab sofort online über shop.skd.museum gebucht werden.