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Dresden spielt Wagner, wie der es wollte

Ein umjubeltes „Rheingold“ war bei den Dresdner Musikfestspielen der Start zum ersten historisch gespielten „Ring“ auf einer Bühne der Gegenwart.

Von Bernd Klempnow
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Große Geste, starke Wirkung: Kent Nagano beim „Rheingold“, der ersten Oper von Wagner "Ring des Nibelungen".
Große Geste, starke Wirkung: Kent Nagano beim „Rheingold“, der ersten Oper von Wagner "Ring des Nibelungen". © Oliver Killig

Auf Konzert- und Opernkarten müsste eigentlich groß der Hinweis gedruckt sein: „Wenn die Aufführung Sie begeistert hat, dann klatschen Sie bitte nicht gleich nach dem letzten Ton!“ Denn es gibt nichts Schöneres, den Moment des gemeinsamen Schwelgens hinauszuzögern. Leider wissen oder können manche Besucher das nicht. So wie nun im Kulturpalast, als im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele die Richard-Wagner-Oper „Das Rheingold“ in strahlendem Des-Dur und Harfen-Glanz ausklang. Eine Dame im Parkett applaudierte los, als gäbe es kein Morgen. Schade, so verkürzte sie ein wahres Ereignis kaputt. Denn im nahezu ausverkauften Saal mit erstaunlicher Promi-Dichte – Stararchitekt Daniel Libeskind reiste extra aus New York an – war der Start zu einem spektakulären Projekt zu erleben.

Erstmals nähern sich Wissenschaftler und Musiker der „Ring“-Tetralogie historisch informiert. Das heißt: Sie versuchen mit dem Einsatz von Instrumenten, wie Wagner sie benutzt hat, und der Art wie zu seiner Zeit vor gut 150 Jahren gesungen und gesprochen wurde – etwa im Verschleifen von Tönen und einer energischen Betonung der Stabreime –, die vier Opern konsequent so zu interpretieren, wie es der Komponist anstrebte. Quellen gibt es genug. Mit anderen Komponisten wie Bach und Mozart geschieht diese historische Aufführungspraxis schon lange. An den sächsischen Giganten traute sich keiner. Vielleicht, weil seine Überwältigungsmusik mit den heutigen, lauteren und brillanteren Instrumenten Suggestion pur ist.

Jan Vogler ist Mitinitiator des historisch informierten Dresdner "Rings".
Jan Vogler ist Mitinitiator des historisch informierten Dresdner "Rings". © Marion Doering

Intendant Jan Vogler und Dirigent Kent Nagano wollen bis 2026 alle Teile derart gestalten. Seit Ankündigung rennen ihnen die Wagner-Fans die Bude ein. Tourneeanfragen gibt es aus aller Welt. CDs folgen.

Ein Fazit verbietet sich nach dem ersten Teil. Den „Ring“, ob szenisch oder wie jetzt konzertant, kann man erst nach der „Götterdämmerung“ beurteilen. Dennoch die „Rheingold“-Bilanz: Es war ein großartiger Abend mit durchweg fantastischen Sängern, denen Nagano und sein gut 100-köpfiger Klangkörper aus Musikern von Concerto Köln und dem Festspielorchester jeden Raum ließ, dass sie textverständlich – wie selten zu erleben – singen konnten. Die historischen Instrumente klingen anders, das Holz ist etwas höher, das Blech nicht ganz so satt. Dennoch sind es eher Nuancen im Klang, die wohl nur die Experten wahrzunehmen vermögen.

Kurz gesagt: Könner wie Marek Janowski und Christian Thielemann können mit dem heutigen Orchesterapparat genauso durchsichtig und feinst differenziert den „Ring“ musizieren wie es nun Nagano tat. Aber die Aussicht, etwas Besonderes zu hören, ließ das Publikum anders mitgehen – ein schöner Effekt. Und Dresden kann die Publicity, kann so ein Event gut gebrauchen. Lange Ovationen. Weiter so!