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Feuilleton

Kürzungen im Dresdner Kulturbereich: Kultur kann sparen, und zwar kreativ

Dresdner Kulturbetriebe müssen ab 2025 mit fünf Millionen Euro pro Jahr weniger auskommen. Das tut weh – aber auch die Kultur muss lernen, klug zu haushalten.

Von Bernd Klempnow
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Das Deutsche Hygiene-Museum ist weltweit einmalig, nun soll es von den harten Spar-Plänen der Stadt Dresden betroffen sein.
Das Deutsche Hygiene-Museum ist weltweit einmalig, nun soll es von den harten Spar-Plänen der Stadt Dresden betroffen sein. ©  Rene Meinig

Der große Kassensturz beginnt. Dresden ist als eine der ersten Kommunen im Freistaat dabei, eine „Liste der Grausamkeiten“ aufzustellen. 70 Millionen Euro fehlen voraussichtlich ab 2025 im Haushalt. Die einzusparen, ist laut kommunaler Selbstverwaltung nur bei sogenannten freiwilligen Aufgaben möglich. Hierzu zählen vor allem die Bereiche Sport, Freizeit- und Kulturangebote.

Die kommunalen Pflichtaufgaben, etwa die Einrichtung von Schulen und Kitas sowie die Erhaltung örtlicher Verkehrseinrichtungen – oder nun der Wiederaufbau der Carolabrücke – sind unabdingbar. Zu den Pflichtaufgaben gehören auch die durch die verfehlte Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Flüchtlingspolitik des Bundes massiv gestiegenen Sozialausgaben.

Gut 70 Millionen Euro in Dresden einzusparen, ist kein Pappenstiel. Dabei steigt der Gesamthaushalt auf 2,4 Milliarden Euro. Weil nur so etwa die hohen Tarifsteigerungen fürs Personal, die gestiegenen Mieten, Betriebs- und Investitionskosten sowie enormen Sozialausgaben zu begleichen sind.

Leipzig und Chemnitz geben mehr Gelder frei

Zur Ehrlichkeit gehört ebenso, dass die Landeshauptstadt, die sich als Kulturstadt definiert, viel von den Landeseinrichtungen wie Semperoper und Kunstsammlungen profitiert. Aber im Vergleich zu Chemnitz und Leipzig prozentual am wenigsten im Haushalt für Kultur bereitstellt – nur 5,6 Prozent. Leipzig stemmt 6,7 Prozent, Chemnitz gar 7,4 Prozent.

Dennoch: Dresden hat offenbar keine andere Wahl, als den Rotstift in allen freiwilligen Bereichen wie Umwelt und Kultur anzusetzen. Dabei ist klar, dass Kunst und Kultur große Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung jedes Einzelnen sowie für die Gesellschaft haben. Sie spiegeln Debatten wider, sie bieten Reibungsflächen zur Auseinandersetzung mit der Gegenwart, sie weisen über den Alltag hinaus, beeinflussen Ansichten und Werte.

Wenn der Stadtrat diesen 2025er-Haushalt beschließt, würde die Förderung freier Künstler um 700.000 Euro reduziert. Nur noch zwei Drittel der bislang Bedachten würden Zuschüsse bekommen. Die Aufnahme neuer Projekte ist tabu. Dresdens Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch spricht davon, dass „es nur noch um Bestandserhalt gehen“ kann.

Enorme Ausgaben, kaum Erlöse

Für die städtischen Kulturbetriebe würde der Haushalt bedeuten, dass sie 4,76 Millionen Euro einzusparen haben. Das geht aber eben nur bei den Sachkosten. Beispiele: Die Sachkostenzuschüsse für das Hygiene-Museum und das Festspielhaus Hellerau würden um etwa 600.000 Euro im Vergleich zu 2024 gekürzt. Es wird weniger Sonderausstellungen geben, in Hellerau wäre nur noch eine vier- statt eine zehnmonatige Spielzeit möglich. Auch Staatsoperette und Philharmonie werden weniger produzieren, beziehungsweise die Preise anziehen.

Viele Künstler, ob frei oder angestellt, schreiben Brandbriefe und protestieren lautstark. Typisch, könnte man denken, Geld von der Politik nehmen, aber Unabhängigkeit postulieren. Schon in der Pandemie war dieses Sich-für-den-Nabel-der-Welt-Halten unerträglich.

Erfahrene Kulturmanager hingegen setzen auf Verhandlungen und klopfen die Etats auf Einsparpotenzial ab. Denn viele Einrichtungen haben solches, müssten allerdings ihre Strategien ändern, die Einnahmen erhöhen. Warum setzt etwa die Semperoper immer wieder aufwendige Stücke an, die mangels Publikumsinteresses nur wenige Male gespielt werden können?

Die Folge: enorme Ausgaben, kaum Erlöse. Warum setzt das Staatsschauspiel Doppelpremieren an, die sich kannibalisieren? Wieso überlegen Theater erst jetzt, Bühnenbilder im großen Stil zu recyceln? Warum spielt die Staatsoperette ihren Zuschauersaal immer leerer, weil sie Stücke inszeniert, die trotz genialer Regisseure nicht zu retten sind? Warum schielt dieses Spezialhaus für Werke, die die älteren Generationen erreichen, nach einem jungen Publikum, das schon vom Namen Operette eher abgeschreckt ist?

Kulturraumgesetz muss überarbeitet werden

Vor allem müsste von Kommunen und Land eine Kulturpolitik betrieben werden, die auf eine Situation reagiert, die sich seit Jahren abzeichnet. So ist das Kulturraumgesetz, mit gut 105 Millionen Euro das wichtigste Fördermittel von kommunaler Kultur, dringend zu überarbeiten. Bislang konnte ein flächendeckendes Angebot an regional bedeutsamen Einrichtungen erhalten werden. Das ist mit den Tarif- und Kostensteigerungen nicht mehr zu schaffen. Zumal über das Kulturraumgesetz nicht mehr nach Prioritäten, sondern gießkannenartig gefördert wird. Das setzt visionäre Politik voraus, die derzeit weder in den Kommunen und schon gar nicht in Sachsens Kunstministerium zu erkennen ist.

Gut, wenn Institutionen selbst gegensteuern – wie Dresdens Musikfestspiele. Seit Jahren erweitern sie konsequent ihr Profil. Erreichen neue Publikumsschichten und Sponsoren, können die Zuschauerzahlen und Einnahmen steigern, ohne Abstriche bei der Qualität zuzulassen.

Ganz klar: Die aktuellen und künftigen „Listen der Grausamkeiten“ sind Herausforderungen. Klar ist aber auch: Die Kulturbetriebe haben ihren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung zu leisten, und können das vielfach. Zumal, was viele Künstler vergessen: Ihr Publikum, selbst von Teuerungen gebeutelt, zahlt schon zweimal – einmal als Steuerzahler und dann noch einmal an der Ticketkasse.