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Kommentar zum Einsturz der Carolabrücke: Der Brückeneinsturz in Dresden ist kein Zufall

Ein Teil der Carolabrücke in Dresden stürzt in der Nacht in die Elbe. Die Stadt entgeht knapp einer Katastrophe, niemand wird verletzt. Das Unglück ist aber kein Zufall, sondern Ausdruck einer verfehlten Finanz- und Verkehrspolitik. Ein Kommentar von Katrin Saft.

Von Katrin Saft
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Mit der Carolabrücke in Dresden ist in der Nacht eine der ersten großen Spannbetonbrücken der DDR eingestürzt.
Mit der Carolabrücke in Dresden ist in der Nacht eine der ersten großen Spannbetonbrücken der DDR eingestürzt. ©   dpa/Robert Michael

Als vor sechs Jahren in Genua eine Brücke eingestürzt ist und 43 Menschen dabei starben, dachten viele wie auch ich: typisch Italien - Schlamperei, Korruption. Das könnte im überkorrekten Deutschland nie passieren. Kann es, wie wir jetzt wissen. Und Dresden ist dabei nur mit extrem viel Glück und Zufall an einer tödlichen Katastrophe vorbeigeschrammt.

Dass Teile der Carolabrücke mitten in der Nacht zusammengesackt sind, ist allerdings kein Zufall. Der eingestürzte Abschnitt hat beim letzten Brücken-TÜV mit „nicht ausreichend“ abgeschnitten. Es war bekannt, dass es an mehreren Stellen Korrosion an freiliegenden Bewehrungen gab.

Auch wenn die Einsturzursache noch nicht feststeht, müssen sich die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung fragen lassen, ob sie das Risiko falsch eingeschätzt haben. Ob sie im Wissen um die Probleme zu lange gewartet, zu wenig kontrolliert und damit fahrlässig sogar Menschenleben aufs Spiel gesetzt haben. Denn bei Spannbetonbrücken ist Korrosion besonders gefährlich und kann unangekündigt zum Bruch führen.

Der Einsturz ist aber auch Ausdruck einer verfehlten Finanz- und Verkehrspolitik. Keine einzige Elbbrücke in Dresden erreicht die Zustandsnote „Gut“ – mit Ausnahme der Waldschlößchenbrücke, die elf Jahre nach Eröffnung noch immer keine Baugenehmigung besitzt. Das Blaue Wunder hat beim Brücken-TÜV noch schlechter abgeschnitten als der nun eingestürzte Brückenteil. Mehr als ein Jahrzehnt soll die Sanierung hingezogen werden. Doch seit über einem Jahr ist erstmal Baustopp. Jetzt ist das Gefühl der Sicherheit weg, wenn ich über die marode Brücke muss.

Aber nicht nur Brücken, auch viele Straßen und Fußwege verschleißen in der Landeshauptstadt immer mehr. Seit Jahren wird für den bloßen Erhalt der Verkehrsinfrastruktur viel zu wenig Geld bereitgestellt. Es gibt offensichtlich Wichtigeres wie ein neues Rathaus. Mich erinnert das ein wenig an die DDR.

Der Einsturz passt leider in eine Zeit, in der viele Menschen den Eindruck haben, dass in Deutschland sprichwörtlich alles den Bach runtergeht. Er verspielt Vertrauen – in deutsche Ingenieurskunst und die Verlässlichkeit der Behörden. Das ist der eigentliche Schaden, der nicht in Millionen für den Wiederaufbau der Brücke aufzuwiegen ist.

E-Mail an Katrin Saft