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Heinz-Steyer-Stadion wird eröffnet: DDR-Sportstars erinnern sich an Wettkämpfe und Weltrekorde

Wenn in einer Woche das sanierte Heinz-Steyer-Stadion wiedereröffnet wird, besitzt Dresden einen einzigartigen Sportbau. Er erinnert Stars von damals an legendäre Erfolge – unter anderem Weitspringerin Heike Drechsler, die im neuen Oval ihr Sport-Comeback geben wird.

Von Michaela Widder
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In einer Woche wird das legendäre Heinz-Steyer-Stadion wieder eröffnet. 1985 sprang Heike Drechsler hier fünffach über sieben Meter.
In einer Woche wird das legendäre Heinz-Steyer-Stadion wieder eröffnet. 1985 sprang Heike Drechsler hier fünffach über sieben Meter. © Veit Hengst; Volker Santrucek

Dresden. Es ist ein Comeback der anderen Art. Und eine Rückkehr an den Ort eines ihrer größten Erfolge. Wenn sich Heike Drechsler am nächsten Donnerstag unter die Teilnehmer mischt und mit ihnen bei Sonnenuntergang durchs Marathontor rennt, geht es – ganz anders als früher – nicht ums Gewinnen. Die Weitsprung-Legende will dabei sein, wenn die Dresdner als Erstes das umgebaute Heinz-Steyer-Stadion, ihr neues Schmuckstück in der Stadt, inoffiziell eröffnen.

„Ich finde die Idee mit dem Stadium Run charmant“, sagt sie. Es sei wichtig, das Stadion jetzt mit Leben zu füllen – und auch für die Dresdner Erlebnisse zu schaffen. So wie diesen besonderen wie einmaligen Fünf-Kilometer-Lauf vom Harbig-Stadion in die nagelneue Arena unweit der Yenidze. Und sie kündigt an: „Ich werde gemütlich laufen, andere dürfen gern an mir vorbeilaufen.“ Dass die zweimalige Olympiasiegerin und bald 60-Jährige dennoch fit ist, beweist sie jedes Jahr mit dem Sportabzeichen in Gold. Im Weitsprung schafft sie immer noch fast fünf Meter.

„Weite Sätze der Weltmeisterin“, titelte die SZ nach dem Goldenen Oval 1985. Alle fünf gültigen Sprünge landeten jenseits der Sieben-Meter-Marke. Heike Drechsler gewann den Wettkampf im Steyer-Stadion.
„Weite Sätze der Weltmeisterin“, titelte die SZ nach dem Goldenen Oval 1985. Alle fünf gültigen Sprünge landeten jenseits der Sieben-Meter-Marke. Heike Drechsler gewann den Wettkampf im Steyer-Stadion. © SZ/Volker Santrucek

Die Rückkehr ins modernisierte Steyer-Stadion ist für die frühere Weltklasseathletin mit besonderen Erinnerungen verbunden. Die Tribünen waren damals bis auf den letzten Platz gefüllt. Am 3. Juli 1986 sprang Drechsler beim Olympischen Tag im sechsten Versuch mit 7,45 Metern Weltrekord und egalisierte damit ihren Supersprung von Tallinn, der erst zwölf Tage zurücklag. „Es hat damals alles gepasst. Ich hatte eine Superform. Die Weitsprunggrube war dicht an den Zuschauern dran, das Miteinander mit dem Publikum war toll, dazu gab es eine schnelle Bahn – perfekt für die Springer“, erinnert sich Drechsler.

Ganz große Momente der Leichtathleten

Es ist einer der Glanzmomente, von denen es im 1919 eröffneten Stadion einige gab. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg zog es die Massen zu Fußball-Länderspielen in das 65.000 Zuschauer fassende Oval. Auch die Friedensfahrt feierte später ihre Helden auf der roten Bahn. Verrückte historische Momente wie 1962 die drei Weltrekorde im Sportangeln von Helga Wischer aus Radebeul gehören zur Geschichte. Der einzige Mann, der sich mit einer Weltbestmarke verewigt hat, ist ein Rückwärtsläufer. Thomas Dold lief 2015 über zehn Kilometer den ungewöhnlichen Rekord.

Die ganz großen Sternstunden erlebten im Steyer-Stadion aber die Leichtathleten. Allein 13 Weltrekorde – aufgestellt von den DDR-Frauen – gab es nach dem Bau der Tartanbahn ab 1973. Ganz egal, wen man von den früheren Sportstars befragt, in einem Punkt sind sich alle einig: Dresden hat ein fachkundiges Publikum. „Die Begeisterung für die Leichtathletik war immer da. Ich habe die Menschen in Dresden nicht vergessen“, meint auch Heike Drechsler.

Hochspringerin Rosemarie Ackermann aus Lohsa knackt 1976 und 1977 jeweils den Weltrekord in Dresden – noch bäuchlings im Wälzer-Stil. Sie war auch die erste Frau, die zwei Meter überwand.
Hochspringerin Rosemarie Ackermann aus Lohsa knackt 1976 und 1977 jeweils den Weltrekord in Dresden – noch bäuchlings im Wälzer-Stil. Sie war auch die erste Frau, die zwei Meter überwand. © SZ/Volker Santrucek

Die letzten DDR-Meisterschaften fanden 1990 in dem Stadion statt – zugleich war es das Ende von hochkarätigen Wettkämpfen für mehr als 30 Jahre. Große Meisterschaften machten um Dresden einen Bogen. Bei der Hochwasserkatastrophe 2002 entstanden durch die naheliegende Elbe schwere Schäden. Weil die Bewerbung der Stadt Dresden als Austragungsort für die Fußball-WM 2006 scheiterte, wurde eine Sanierung zwar immer wieder diskutiert, von vielen Stellen für notwendig erachtet, doch die benötigten Gelder nicht bereitgestellt. So verfiel das Oval und diente schon 2012 einem tschechischen Filmemacher als Kulisse für seinen Streifen „Fair Play“. Ein Stadion, das noch DDR-Charme versprühte, fand er in Dresden. Für die Szenen musste nicht viel verändert werden.

Nach dem Abriss der Holztribüne 2015 und dem Neubau dauerte es noch ein paar Jahre, bis der Stadtrat 2021 einen kompletten Umbau beschloss. Nach zweieinhalb Jahren Bauzeit findet am Freitag die große Wiedereröffnung mit Sportgrößen statt.

Ein Dresdner Lauf-Idol ist Hagen Melzer. 1986 wurde er Europameister über die Hindernisse und holte ein Jahr darauf WM-Silber. Beim „Goldenen Oval“ in seiner Heimatstadt gab es für Melzer zweimal die Ehrenplakette für die beste Leistung.
Ein Dresdner Lauf-Idol ist Hagen Melzer. 1986 wurde er Europameister über die Hindernisse und holte ein Jahr darauf WM-Silber. Beim „Goldenen Oval“ in seiner Heimatstadt gab es für Melzer zweimal die Ehrenplakette für die beste Leistung. © Foto: SZ/Marion Gröning

Heike Drechsler kommt mit ihrem finnischen Ehemann Arto Bryggare für ein langes Wochenende nach Dresden. Kürzlich stand sie für ein Werbevideo der Stadt schon im Innenraum und staunte über das neue Bauwerk. „Das ist Dresdens neues Sportforum – das ist klasse“. Herzstück ist das vierstöckige Multifunktionsgebäude, das nun neue Heimat für mindestens zehn Vereine ist.

10.400 Sitzplätze, Kosten von 53 Millionen Euro

Leichtathleten, die Footballer der Dresden Monarchs und die Fußballer des DSC sind die Hauptnutzer, entstanden sind zudem Squashplätze, Fechtbahnen sowie ein Ballettsaal. Das sportmedizinische Zentrum für Leistungsdiagnostik der Uniklinik soll 2025 in die Katakomben der neuen Südtribüne einziehen.

Die Multifunktionalität ist deutschlandweit einmalig. Viele andere Städte setzen auf eine reine Fußballarena wie in Jena. „Da blutet mir das Herz“, meint die Thüringerin Heike Drechsler nach einem Besuch vor wenigen Tagen, „dort gibt es keine Tartanbahn mehr.“ In Dresden, sagt sie, sei das Stadion eingebettet ins Stadtbild. „Das haben die Architekten sehr ansehnlich entworfen.“

Dresden war immer wieder Etappenort der legendären Friedensfahrt. Am 16. Mai 1989 siegte auf der 8. Etappe von Berlin nach Dresden Uwe Raab vor Olaf Ludwig (links) – sie genießen die Ehrenrunde im Steyer-Stadion.
Dresden war immer wieder Etappenort der legendären Friedensfahrt. Am 16. Mai 1989 siegte auf der 8. Etappe von Berlin nach Dresden Uwe Raab vor Olaf Ludwig (links) – sie genießen die Ehrenrunde im Steyer-Stadion. © Foto: SZ/Marion Gröning

Prägend für den Sieger-Entwurf ist die alles umarmende äußere Hülle mit dem Lichtring, der dem Stadion seine Charakteristik verleiht. Die Architekten wollten keinesfalls 70 Meter hohe Flutlichtmasten in direkter Nachbarschaft zur Elbsilhouette. Die neue Arena für rund 53 Million Euro bietet eine Kapazität von 10.400 Sitzplätzen, die durch mobile Tribünen auf 15.000 erweitert werden kann.

Nicht nur Weltklasse-Sport fand im Heinz-Steyer-Stadion statt. Das VII. Pioniertreffen wurde im Sommer 1982 in Dresden ausgetragen. Und die Pioniere begeisterten mir ihrer Revue „Blaue Wimpel im Sommerwind“ Tausende Besucher.
Nicht nur Weltklasse-Sport fand im Heinz-Steyer-Stadion statt. Das VII. Pioniertreffen wurde im Sommer 1982 in Dresden ausgetragen. Und die Pioniere begeisterten mir ihrer Revue „Blaue Wimpel im Sommerwind“ Tausende Besucher. © Foto: SZ/Gunter Hübner

Das erste Event ist fast ausverkauft. Die Stadioneröffnung soll nicht bloß ein Abend mit dem typischen Redenhalten und vielem Händeschütteln werden, sondern ein Ereignis für die Stadt. Das Goldene Oval, einer der Top-Leichtathletikwettkämpfe in den Achtzigern, wird als internationales Meeting am Freitag wiederbelebt. Die Dresden Monarchs kehren am Sonntag in ihre alte Spielstätte zurück. Am 15. September gehen die dann Stars der Biathlon-Szene auf Rollski ins Rennen und schießen im Stadion. Und 2025 trägt Dresden die Finals, Multisportevent unter anderem mit den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften, aus.

„Ich hoffe, dass wieder viele Zuschauer das Stadion füllen und wir an die einstige Begeisterungsfähigkeit anknüpfen“, sagt Drechsler, einer der ersten gesamtdeutschen Sportstars. Der Bau sei ein Bekenntnis der Stadt zum Spitzensport, aber es gehöre auch der Breitensport dazu. „Nur über die Breite kann man die Spitze entwickeln.“ Ein Satz, der früher wie heute gilt.

Wie es an der Basis läuft, weiß Drechsler. Sie hat sich schon vor einigen Jahren als Kampfrichterin ausbilden lassen. Als beim Jugendmeeting 2019 in Dresden kurz vor der Eröffnung des Weitsprung-Wettbewerbs ein Helfer an der Sandgrube fehlte, nahm sie den Rechen in die Hand. Sie hatte zwar offiziell keinen Kampfrichtereinsatz. Dennoch war sie sich – selbst als Ehrengast – nicht zu fein, kurz auszuhelfen. Dresden kann auf Drechsler zählen.

So erinnern sich die DDR-Sportler an das Heinz-Steyer-Stadion:

Natürlich habe ich besondere Erinnerung an Dresden. Das Steyer-Stadion liegt idyllisch, war immer voll und die Bahn sehr schnell. Meine drei Weltrekorde am 20. und 21. Juli 1973 liegen über 50 Jahre zurück. Ich hatte ja erst wenige Tage zuvor in Ostrava einen Weltrekord aufgestellt. Bei DDR-Meisterschaften ist man an den Start gegangen, um zu gewinnen. Und ich war eh kein Typ, der gesagt hat: Ich muss Weltrekord laufen. Aber in Dresden hat damals alles gepasst.
Renate Stecher, Sprinterin und dreimalige Olympiasiegerin

Den Stadion-Rekord von 22,47 Meter werde ich wahrscheinlich noch eine Weile halten. Auf die Trophäe vom Goldenen Oval bin ich noch immer stolz und sie steht bei meinen Eltern. Ich war ja dabei und muss sie nicht ins Wohnzimmer stellen. Wir haben uns in Dresden immer wohlgefühlt, es war mit das schönste Stadion. Dass das Stadion renoviert wurde und die alte Leichtathletik-Tradition wiederbelebt wird, freut mich. Dresden muss so ein Stadion schließlich wieder mit Leben füllen.
Ulf Timmermann, Kugelstoßer und Olympiasieger 1988

Dresden war ein Höhepunkt und stand fest im Termin-Kalender. Meine Eltern haben die Wettkämpfe immer mit einem Zoo-Besuch verbunden. Es war eine Top-Anlage, bekannt für weite Würfe und, wir erlebten Wettkämpfe mit einem fachkundigen Publikum. Ich kann mich erinnern, dass ich in Dresden Ende der 1970er-Jahre ein einziges Mal an Ruth Fuchs, meinem großen Vorbild, vorbeigezogen bin. Und auch später als Trainerin war ich jahrelang beim Jugendmeeting in Dresden dabei.
Petra Felke, Speerwerferin und Olympiasiegerin 1988

In Leipzig, in Chemnitz, in Potsdam – überall habe ich Weltrekorde aufgestellt, nur nie in Dresden. Trotzdem bleibt mir das Heinz-Steyer-Stadion in besonders guter Erinnerung, weil es immer tolle Wettkämpfe waren. Ich erinnere mich, dass ich mal direkt aus dem Trainingslager nach Dresden kam, es stürmisch war und ich dennoch eine Zeit nur knapp über dem Weltrekord gerannt bin. Jetzt freue ich mich auf die Eröffnung des Stadions und dass das goldene Oval wiederbelebt wird.
Marita Meier-Koch, Weltrekordlerin über 400 Meter

Dresden hatte immer ein sachverständiges Publikum und war oft ausverkauft. Meine 8,50 Meter beim Goldenen Oval kurz vor den Spielen 1984 in Los Angeles waren mit mein stärkster Wettkampf mit einigen Sprüngen deutlich über acht Meter. Dafür gab es damals den Publikumspreis und ein Sachgeschenk, wie es so üblich war. Die Bleikristallvase tut immer noch gute Dienste. Zur Deutschen Meisterschaft 2025 will ich als Trainer vier Wochen vor meiner Rente unbedingt dabei sein.
Lutz Dombrowski, Weitspringer und Olympiasieger 1980