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SZ + Dresden

Gericht: Hawala-Banker schrammt haarscharf an der Haft vorbei

Ein 33-Jähriger hat am Landgericht Dresden eine Bewährungsstrafe erhalten. Der Angeklagte hat rund zwei Millionen Euro illegal in den Orient transferiert.

Von Alexander Schneider
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Verteidiger Ulf Israel (l.) berät sich zum Prozessauftakt am Landgericht Dresden mit seinem Mandanten. Der Angeklagte hat gestanden, rund zwei Millionen Euro über das Hawala-Netzwerk vor allem nach Syrien und in die Türkei transferiert zu haben.
Verteidiger Ulf Israel (l.) berät sich zum Prozessauftakt am Landgericht Dresden mit seinem Mandanten. Der Angeklagte hat gestanden, rund zwei Millionen Euro über das Hawala-Netzwerk vor allem nach Syrien und in die Türkei transferiert zu haben. © Foto: Alexander Schneider

Dresden. Der Angeklagte saß fast ein Jahr in Untersuchungshaft, die Generalstaatsanwaltschaft ermittelte, und die Vorwürfe klangen heftig: unerlaubte Erbringung von Zahlungsdienstleistungen und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Seit 2018 soll der 33-jährige Syrer, selbst studierter Wirtschaftsprüfer, rund zwei Millionen Euro von seinen Kunden nach Syrien und in die Türkei überwiesen haben.

Seit April stand er vor dem Landgericht Dresden, wo die Hauptverhandlung nun, verglichen mit den schweren Geschützen der Justiz, recht glimpflich zu Ende gegangen ist: Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt und durfte das Gericht als freier Mann verlassen, was ihn zu wahren Freudentänzen im Foyer veranlasste. Wer könnte ihm das verübeln?

Bei der Methode des Geldtransfers handelt es sich um ein jahrhundertealtes orientalisches Bargeld-Zahlungssystem namens Hawala-Banking, das jedoch kaum kontrollierbar ist. Auch Terrororganisationen wie der Islamische Staat könnten unerkannt durch dieses weltweite Hawala-Netzwerk finanziert werden. In Deutschland ist es daher seit 2018 verboten, wie der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung mehrfach betonte.

Eine Überweisung funktioniere ähnlich wie bei Western Union, sagte Verteidiger Ulf Israel. Sein Mandant habe als sogenannter Hawaladar Gelder von Menschen entgegengenommen, die meist Bares nach Syrien überweisen wollten. Es sei doch normal, dass Menschen ihre Angehörigen in der Heimat unterstützten.

Der Adressat der Zahlung erhält dann einen Code, mit dem er sich die Summe sofort vor Ort in einem Hawala-Büro auszahlen lassen kann. Der Unterschied zu Zahlungsdienstleistern wie Western Union ist, dass es im Orient Hunderte solcher Büros gibt, wo sich die Empfänger also recht einfach – und nicht zuletzt legal – ihr Geld abholen können. Die Dienstleistung sei zudem günstiger und laut Israel Wechselkursschwankungen weniger stark ausgesetzt.

"Die Umstände" bleiben im Dunkeln

Der Verteidiger kritisierte, dass sein Mandant unter Umständen ins Visier der Ermittler geraten sei, die sich auch in dem Prozess nicht hatten erhellen lassen. Offenbar wurde er auch recht lange observiert. Nicht nur in Dresden, auch in Leipzig oder Berlin.

Die langen, offenbar verdeckten Ermittlungen hatte nach Ansicht des Verteidigers auch zur Folge, dass man dem Sozialbetrug seines Mandanten, der ihm nun ebenfalls als dritter Anklagepunkt vorgeworfen wurde, lange zugesehen habe. Er habe für sich und seine Familie in den vier Jahren mehr als 52.000 Euro zu viel an Sozialhilfe erhalten, weil er seine monatlichen Einnahmen von rund 2.500 Euro nicht angegeben hatte. Der Vorsitzende Richter sagte dazu am Ende, er wolle sich nicht an Spekulationen beteiligen, ob die Arge informiert gewesen sei oder nicht.

Der Vorsitzende Richter betonte, der bisher nicht vorbestrafte Angeklagte habe sich bereits nach seiner Verhaftung Mitte 2021 umfassend zu den Vorwürfen eingelassen und im Prozess wiederholt. Die Ermittlungen deckten sich mit den Angaben des 33-Jährigen, er habe sogar die Erkenntnisse der Ermittler "eingeordnet und korrigiert".

Ermittlungen gegen Netzwerk dauern an

Das Urteil - Verstoß gegen das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz, Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Betrug - ist Ergebnis einer Verfahrensabsprache zwischen Verteidiger Israel, dem Staatsanwalt und der Kammer. Für ein umfassendes Geständnis könne der Angeklagte mit einer Freiheitsstrafe zwischen zwei und zweieinhalb Jahren rechnen.

Die Staatsanwaltschaft hatte auf eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren plädiert. Die Verteidigung forderte eine "bewährungsfähige" Freiheitsstrafe. Bewährung ist nur bei Strafen von maximal zwei Jahren möglich. Darüber hinaus ordnete das Gericht die Einziehung von 133.000 Euro an. Das sind in etwa die Einnahmen des Angeklagten sowie die zu viel erhaltene Sozialhilfe, abzüglich von rund 50.000 Euro, die bei dem Angeklagten bereits beschlagnahmt wurden.

Die Ermittlungen gegen weitere Mitglieder dieser kriminellen Vereinigung, unter anderem aus Dresden und Leipzig, dauern dem Vernehmen nach noch an. Der Angeklagte war als einziger in U-Haft und musste daher als Haftsache bevorzugt angeklagt und verhandelt werden.