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Sieben Restaurants in Dresden: So tickt die Gastro-Familie Widmann

In den 90er-Jahren sicherte sich das Ehepaar Widmann beste Lagen in Dresden. Heute betreiben sie sieben Restaurants, auch die Kinder sind mit im Business. Was die Gastro-Familie richtig macht.

Von Juliane Just
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Vor über 20 Jahren kamen Tanja Widmann (2.vl.) und ihr Mann Thomas nach Dresden und verschrieben sich der Gastro-Szene. Heute sind ihre Kinder Isabel und Nicolas mit dabei - und Hund Bruno.
Vor über 20 Jahren kamen Tanja Widmann (2.vl.) und ihr Mann Thomas nach Dresden und verschrieben sich der Gastro-Szene. Heute sind ihre Kinder Isabel und Nicolas mit dabei - und Hund Bruno. © Christian Juppe

Dresden. Es ist immer ein bisschen Hektik mit dabei. Einen Termin mit allen vier Widmanns zu ergattern, ist gar nicht so leicht. Hat man dann alle an einem Tisch, klingelt oft ein Handy, stets wird einer gebraucht, gibt's Fragen, hereinkommende Gäste - und eine oder einer springt dann eben auch immer auf. Denn Familie Widmann betreibt sieben Restaurants in Dresden - kein Pappenstiel.

Diese Läden befinden sich allesamt in äußerst exponierten Lagen wie der Gastro-Meile Weiße Gasse, auf dem Neumarkt an der Frauenkirche und an der Dreikönigskirche. "Heute könnte man das ja gar nicht mehr bezahlen", ist sich Thomas Widmann, Oberhaupt der Familie, sicher. Das war nur möglich, weil das Ehepaar Widmann schon in den 90er-Jahren Potenzial in Dresden sah. Im Jahr 1999 starteten sie mit dem spanischen Restaurant El Español an der Königstraße - und es sollten noch viel mehr werden.

An diesem Morgen ist es noch ruhig in der Weißen Gasse. Es werden die Tische gedeckt, Krüge mit Besteck daraufgestellt, Messer und Gabeln poliert. Hier sitzen die Widmanns inmitten von hölzernen Bänken und spanischen Fliesen im Tapas Barcelona, ihrem dritten Restaurant, das 2004 hinzukam. Dieses Areal wurde damals sozusagen neu erfunden. "Die Weiße Gasse war damals als Kneipenviertel einzigartig." Die Widmanns wurden angesprochen, man brauche etwas "Innovatives" für dieses Viertel, hieß es. Sie sanierten die alte DDR-Eisdiele, die hier vorher war und brachten mit dem Tapas Barcelona ihr zweites spanisches Restaurant an den Start - und punkteten trotz anfänglicher Skepsis der Dresdner irgendwann doch.

Gastro-Familie fängt in Dresden neu an

Denn was Widmanns mitbringen, ist Erfahrung. Bereits vor der Wendezeit betrieben die beiden ein spanisches Restaurant in München. "Da war ich 22 Jahre alt, es waren meine ersten Schritte", sagt Widmann heute. "Gastro ist einfach in mir." Das Objekt brachte die Familie fast wirtschaftlich an den Abgrund, erst eine Kombination von Tapas, Weinen und Flamenco-Shows brachte den Durchbruch. Die "spanischen Wochen" wurden ihr Erfolgsgarant. 1998 verkauften sie das Restaurant in München, weil sie ihre Chance in den neuen Bundesländern sahen.

Die Eltern lernten sich 1988 kennen, ausgerechnet in einem der legendären Münchner Biergärten. Ein Jahr später heirateten sie. "Ein Jahr später schon?", fragt Sohn Nicolas, der 1990 geboren wurde, ungläubig. "Das war eben damals so", antwortet seine Mutter. Zwei Jahre später komplettiert Tochter Isabel die Familie. Die Eltern arbeiten viel. "Ich erinnere mich noch, dass Nicolas' Wiege neben dem Herd stand und ich sie immer antippte, während ich gekocht habe", sagt Thomas Widmann und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Heute sitzt da nämlich ein recht großer Mann, der mit anpackt. In der Familie ist Nicolas Widmann derjenige, der zwischen den sieben Restaurants hin- und herspringt und versucht, das operative Geschäft vor Ort zu unterstützen. War ihm immer klar, dass er mit in das elterliche Imperium einsteigen will? Er nickt. Bei seiner Schwester Isabel ist das anders. "Ich hätte mir auch etwas anderes vorstellen können", gibt die 31-Jährige unumwunden zu. Doch nach einem Studium in Betriebswirtschaftslehre führt sie nun gemeinsam mit ihrem Vater die Geschäfte vom Büro aus. Sie ist das Social-Media-Gesicht der Familie.

Widmann-Imperium wächst Laden für Laden

Für die Eltern war der Beginn in Dresden in den 90er-Jahren ein Auf und Ab. Sie eröffneten das New California an der Prisco Passage, heute Prisco Hoefe genannt. Sie scheiterten damit, "die Dresdner waren dafür noch nicht bereit". Es folgte das Tapas Barcelona in der Weißen Gasse, hinzu kam noch das Steak Royal und die La Osteria - nicht zu verwechseln mit der Kette L'Osteria - in der gleichen Ecke. Sie eröffneten außerdem das Mamma Mia an der Kreuzkirche, verkauften es später wieder. Die Gastronomie Widmann GmbH war jedenfalls präsent.

Thomas Widmann misst am Schnellrestaurant Die Burgerei auf dem Neumarkt während der Corona-Pandemie den Abstand zwischen den Stühlen. Damals bangte die Familie um ihre sieben Restaurants.
Thomas Widmann misst am Schnellrestaurant Die Burgerei auf dem Neumarkt während der Corona-Pandemie den Abstand zwischen den Stühlen. Damals bangte die Familie um ihre sieben Restaurants. © Sven Ellger
Als die Corona-Pandemie endlich überstanden war, konnten im Bodega Madrid an der Frauenkirche wieder Gäste empfangen werden. Dann kam auch Tochter Isabel Widmann mit ins Unternehmen.
Als die Corona-Pandemie endlich überstanden war, konnten im Bodega Madrid an der Frauenkirche wieder Gäste empfangen werden. Dann kam auch Tochter Isabel Widmann mit ins Unternehmen. © René Meinig
Im März 2024 eröffnete die Gastro-Familie das Almrausch an der Weißen Gasse nach umfangreichen Umbau. Nicolas Widmann war am Eröffnungstag der "Problemmanager".
Im März 2024 eröffnete die Gastro-Familie das Almrausch an der Weißen Gasse nach umfangreichen Umbau. Nicolas Widmann war am Eröffnungstag der "Problemmanager". © Marion Doering

Und auch das macht die Familie eben aus: neu denken. Als Gäste das griechische Restaurant in der Weißen Gasse, gegenüber vom Barcelona Tapas, nicht mehr so gut annehmen, wird kurzerhand ein neues Konzept kreiert und umgebaut. Erst vor wenigen Monaten eröffneten sie dort das Almrausch mit Tiroler Küche, das wiederum bestens angenommen wird. Als ein vegetarisches Konzept an der Weißen Gasse nicht funktioniert, wird kurzerhand das bestehende Restaurant erweitert.

Und irgendwann mussten die Widmanns überlegen, ob sie sich weiter vergrößern wollen oder ob es reicht. "Wir sind immer sehr gesund gewachsen", sagt Tanja Widmann. Ihr obliegt der komplette Einkauf für die Restaurants - Stück für Stück wurden es mehr Produkte, mehr Nationen, mehr Spezialitäten. 2015 kam ein Angebot, über das sie grübelten. Zum Angebot stand der Standort Neumarkt, direkt an der Frauenkirche, für 800.000 Euro. "Es ist natürlich eine todsichere Touristenlage, aber auch eine riesige Investition", so Thomas Widmann. "Da muss man sich fragen, ob man das Risiko in dem Alter noch eingeht."

Die nächste Krux: Für die Entscheidung blieben ihnen nur wenige Wochen. Doch sie sagten zu. Es kamen die Bodega Madrid, eine gehobenere Gastronomie, und Die Burgerei für den schnelleren Touri-Snack zwischendurch zum Widmann-Imperium hinzu - Restaurant Nummer 6 und 7 am Wahrzeichen Dresdens. Inzwischen können in allen Läden über 1.000 Gäste gleichzeitig speisen, zwischen 130 und 160 Mitarbeiter umsorgen sie.

Corona-Pandemie: "Am schlimmsten war die Ungewissheit"

Und dann gab es da noch diese dunkle Zeit, an die niemand gern denkt. Als die Corona-Pandemie die Gastronomen zum Nichtstun zwang, bangten die Widmanns um ihre Restaurants. Corona-Hilfen hätten sie nicht bekommen, da die Restaurants als ein großes Unternehmen zählten und die Förderschwelle überschritten. "Am schlimmsten war die Ungewissheit", sagt Widmann. "Keiner wusste, wann wir wieder öffnen können."

Ohne Erspartes hätten sie es nicht geschafft, sagen sie. "Es stand ja auch die Frage im Raum, ob wir das mit 58 und 59 Jahren noch erwirtschaften können." Denn die nächste Generation stand erst in den Startlöchern. Andererseits sei es eben auch ein Lebenswerk gewesen. "Das konnte doch nicht einfach alles vorbei sein." Hätte die Corona-Pandemie noch ein Jahr länger gedauert, hätten sie es nicht geschafft, ist sich das Familienoberhaupt sicher.

Dass Familie Widmann mal an einen Tisch kommt, ist übrigens selten. "Privat kommen wir weniger zusammen, man sieht sich ja jeden Tag", so die Mama. Das Unternehmen sei Dreh- und Angelpunkt der Familie. Jeder habe seinen eigenen Bereich, den er beackert, reingeredet wird dem anderen selten. "Und wenn wir dann doch mal zusammen sind, nehmen wir uns immer vor, nicht über die Firma zu reden - und machen es dann doch zwei Stunden lang."