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Staatsanwalt Dresden fordert Freiheitsstrafe für Chef der "Freien Sachsen"

Am Donnerstag fällt am Amtsgericht Dresden das Urteil gegen den Demo-Organisator Max Schreiber. Es geht um Nötigung und Körperverletzung.

Von Alexander Schneider
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Am Donnerstag endet der Prozess gegen Max Schreiber am Amtsgericht Dresden. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Freiheitsstrafe, sein Verteidiger Freispruch.
Am Donnerstag endet der Prozess gegen Max Schreiber am Amtsgericht Dresden. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Freiheitsstrafe, sein Verteidiger Freispruch. © Foto: Rene Meinig

Dresden. Für den Rechtsextremisten Max Schreiber aus Heidenau, Chef der "Freien Sachsen" im Kreis Pirna und frisch gewählter Stadt- und Kreisrat, läuft es derzeit nicht gleichmäßig gut. In Heidenau und Dresden wird derzeit geprüft, ob der bekannte Demo-Veranstalter sein Amt überhaupt antreten kann, weil es Zweifel an seinem Wohnsitz gibt. Das berichtete der MDR erst am Wochenende. Der 37-Jährige stehe darüber hinaus im Verdacht, im Mai einen Tankbetrug begangen zu haben. Ermittler bestätigten diesen Verdacht gegenüber der SZ.

Vor allem aber ist da der Strafprozess gegen Schreiber. Seit Mitte Juni steht er mit seinem Bruder Moritz (34) wegen Nötigung und gefährlicher Körperverletzung vor dem Amtsgericht Dresden, Max Schreiber darüber hinaus wegen Amtsanmaßung, Volksverhetzung und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Die Brüder sollen im Juni 2023 auf der Pirnaer Landstraße den Fahrer eines E-Scooters zusammengeschlagen haben, weil sie sich über dessen Fahrweise geärgert hatten. Der 25-Jährige hat aus Sicht der Staatsanwaltschaft eine schwere Verletzung davongetragen, unter der er noch heute massiv leide.

Bei der Nötigung handelt es sich um Angriffe auf Fotografen und Begleitschützer bei einer Demo am Sonntag, 13. Februar 2022, in Laubegast. Die Angeklagten sollen gemeinsam mit weiteren Demo-Teilnehmern die achtköpfige Journalistengruppe bedroht und ihnen nachgesetzt haben, als sie ihre journalistische Tätigkeit längst eingestellt hatten. Ein Mittäter wurde erst im Mai verurteilt.

Staatsanwalt dankt für "Entlastungszeugen"

Die Staatsanwaltschaft hat in dem Prozess am Dienstagnachmittag für den bislang nicht vorbestraften Max Schreiber eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten gefordert, die mit einigem Bedenken noch zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Für den Mitangeklagten forderte der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung und eine gesonderte Geldstrafe. Die Brüder sollen ein Antiaggressionstraining besuchen und einem Bewährungshelfer unterstellt werden.

Der Staatsanwalt bedankte sich in seinem Plädoyer bei den Verteidigern ausdrücklich für den von ihnen präsentierten "Entlastungszeugen", der am vergangenen Freitag vernommen wurde. Der Handwerker, der in der Pirnaer Landstraße mit den Angeklagten in dem Transporter unterwegs gewesen sei, habe den Angeklagten Max Schreiber "massiv belastet".

Die Verteidiger nannten das Plädoyer eine "Hass- und Hetzpredigt", die man nur "besoffen oder mit Humor ertragen kann", wie Martin Kohlmann, er ist Parteichef der "Freien Sachsen", es ausdrückte. Er und Verteidiger Jens Lorek plädierten auf Freisprüche für die Brüder in allen Punkten.

Verteidiger plädieren auf Notwehr

In Laubegast seien ihre Mandanten "Opfer der Antifa" geworden, behaupteten die Anwälte. Die Journalisten hätten sich der Demo "entgegengestellt", sie hätten aus Notwehr gehandelt.

Auch der Vorfall mit dem 25-jährigen Scooter-Fahrer habe sich anders zugetragen. Die Brüder seien hier wieder Opfer geworden. Der Roller-Fahrer habe versucht, Max Schreiber mit einem Messer anzugreifen - und ihm die Waffe wieder aus Notwehr aus der Hand geschlagen. Sein Mandant habe das Messer erst an diesem Montag – also ein Jahr später – am Tatort gefunden, doch das Gericht habe es abgelehnt, das Beweisstück auf Spuren untersuchen zu lassen, die auf den 25-Jährigen hindeuten könnten.

Max Schreiber sagte in seinem "letzten Wort", dass man im Falle seiner Verurteilung den "Notwehr-Paragrafen abschaffen könne". Er werde in der Zukunft wegsehen. Sein Bruder, der sich zu keinem der beiden Vorwürfe geäußert hatte, sagte, das Urteil stehe schon fest.

Der rätselhafte Messerfund vom Montag

Mit dem Messer hatte dieser vierte Verhandlungstag begonnen. Verteidiger Kohlmann sagte, sein Mandant habe erst am Vortag die Polizei in die Pirnaer Landstraße gerufen, wo die Beamten wenig später ein Taschenmesser in einem Gebüsch sichergestellt hätten. Daraufhin wurde die Verhandlung unterbrochen und die zwei Beamten als Zeugen geholt. Sie berichteten wie sie das Messer beobachtet von Max Schreiber gefunden hatten.

Eine dritte Polizistin war ebenfalls spontan geladen worden. Sie berichtete, dass sie im vergangenen Dezember mit einem Kollegen in dem Bereich nach einem Messer habe suchen sollen, aber keines gefunden habe.

Die Vorsitzende Richterin hatte Kohlmanns Beweisantrag verworfen. Nach mehr als einem Jahr sei es zu spät, um auf dem Messer verwertbare Fingerabdrücke oder DNA-Spuren zu finden. Die Sache mit dem Messer erinnert an eine ähnliche Aktion Schreibers im Frühjahr 2023, als er noch seine wöchentlichen Demos vor einer geplanten Asyl-Containerunterkunft in Sporbitz organisiert hatte - und bei einer medienwirksamen Suche mit einem Detektor nach wenigen Sekunden zwei scharfe Patronen aus dem Gras fischte. Der Fund blieb folgenlos.

Bedrohungen und Gewalt

Von einer "Täter-Opfer-Umkehr" sprach auch der 38-jährige Begleitschützer der Initiative "Between the Lines" – mit Blick auf das Auftreten der Angeklagten und Verteidiger in diesem Prozess. Der Geschädigte, der als Nebenkläger am Prozess teilnimmt, sprach in seiner Abschlusserklärung von nie erlebten Bedrohungen und "aufgezwungener Gewalt", als er in Laubegast Journalisten beschützt habe und für die er die Angeklagten verantwortlich macht.

Er habe auch "hier im Gerichtssaal Bedrohungen erlebt", die Angeklagten und ihre Verteidiger hätten machen können, was sie wollen. Sie hätten sich wiederholt abfällig geäußert, er habe den Eindruck gehabt, die Angeklagten und Verteidiger könnten entscheiden, wer spricht, sie zeigten oder nicht. Nach dieser Verhandlung sei für ihn die zentrale Frage: "Warum sollte ich so eine Tat noch einmal anzeigen?"

Das Urteil wird Donnerstag verkündet.