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Wann verschwinden die blauen Rohre aus Dresden?

Sie sind dominant, rostig und führen mitten durch die Stadt. Ohne sie wären Bauvorhaben allerdings undenkbar.

Von Kay Haufe
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Blaue Rohre sind nicht nur am Postplatz zu sehen.
Blaue Rohre sind nicht nur am Postplatz zu sehen. © Sven Ellger

Dresden. Sie sind wahrlich keine Bereicherung für das Stadtbild: die blauen Entwässerungsrohre, die unter anderem quer über den Postplatz verlaufen, weit über den Köpfen der Passanten. An vielen Stellen rosten sie, befestigt sind sie auf großen Betonblöcken.

Dresdner und Gäste wissen oft nicht, wofür diese Leitungen eigentlich notwendig sind. Dabei haben sie eine wichtige Funktion: Sie nehmen das Grundwasser aus den Baugruben für neue Gebäude auf. Und davon gab und gibt es viele im Dresdner Stadtzentrum. Das Netz der blauen Rohre ist deshalb immer größer geworden. Gerade ist wieder eine Baustelle dazugekommen: die für das neue Verwaltungszentrum am Ferdinandplatz.

Für ihre Entwässerung werden ebenfalls die Rohrleitungen benutzt, die von der Firma Brunnenbau Wilschdorf betrieben werden. Es liegt eine Einleitgenehmigung des Grundwassers für den Horizontalbrunnen der Drewag am Kulturpalast vor, informiert das Amt für Hochbau und Immobilienverwaltung.

Das anfallende Grundwasser ist zwingend dorthin zu entwässern. Die Leitung vom Kulturpalast über den Postplatz zur Elbe dient als Abschlagsleitung, falls es zu erhöhtem Wasseranfall oder einer Havarie kommt und der Drewag-Brunnen am Kulturpalast das anfallende Wasser nicht mehr aufnehmen kann. Diese Entwässerung sei notwendig, um das Bauvorhaben gegen ein mögliches Aufschwimmen zu sichern. Erst wenn die Auflast durch ein dann aufstehendes Bauwerk groß genug ist, kann sie wegfallen.

Kürzere Strecke mit Denkmalschutz nicht vereinbar

Anwohner der Marienstraße fragen sich allerdings, ob man für die Entwässerung nicht eine kürzere Strecke vom Kulturpalast zur Elbe hätte wählen können. Das wäre nicht nur optisch schöner als die lange Leitungsführung, sondern möglicherweise auch billiger.

Doch das ist ein Trugschluss, sagt das Hochbauamt. "Es wäre in keinem Fall kostengünstiger gewesen, die bestehenden Rohre abzubauen und stattdessen neue Rohre zu verlegen." Die Ab- und Aufbaukosten hätten in voller Höhe zu Buche geschlagen. Zudem würde eine kürzere Variante vom Kulturpalast zur Elbe mitten durch das historische Zentrum führen, vorbei an Schloss, Semperoper und Brühlscher Terrasse. Dies wäre mit den Belangen des Denkmalschutzes mit Sicherheit nicht vereinbar, so das Amt.

Die bestehende Leitung umgehe weitestgehend die touristischen Hauptattraktionen im historischen Zentrum. Doch das Amt gibt auch zu, dass die blauen Rohre "mit Sicherheit keine Bereicherung für die Innenstadt" darstellen. Sie seien aber unverzichtbar, solange es dort noch Bauvorhaben gibt. Die laufenden Kosten zum Vorhalten der Leitung und zum Abpumpen des Grundwassers seien übrigens für alle Leitungsvarianten gleich.

Mit dem bei der Entwässerung der Baustellen gewonnenen Grundwasser kann weiterhin die Rückkühlung des von der Drewag betriebenen Fernkältenetzes am Neumarkt sichergestellt werden. Von der Drewag-Fernkältezentrale im Kulturpalast aus werden Hotels, die Frauenkirche und die Neubauten am Neumarkt versorgt. In einem Kreislauf strömt nach dem Prinzip eines Kühlschranks sechs Grad kaltes Wasser von der Kompressionskältemaschine in die Gebäude und kühlt die Räume. Auf zwölf Grad erwärmt kommt es später zurück. Durch die direkte Entwässerung in den Horizontalbrunnen wird das nicht genutzte Grundwasser der Baustellen nachhaltig weiterverwendet. Dieses Vorgehen schone die wertvolle Ressource Wasser und stelle den ökologischen Aspekt bei der Entscheidung in den Vordergrund, ergänzt SachsenEnergie.

Leitungen seit vielen Jahren im Stadtbild

Die blauen Rohre prägen das Dresdner Stadtbild schon viele Jahre. Die ersten wurden mit dem Aushub der Baugrube am Wiener Platz errichtet und leiteten das abgepumpte Grundwasser zum Ferdinandplatz und zur Annenstraße, wo es in Brunnen versickerte. 17 Jahre lang standen sie im sogenannten "Wiener Loch", bis es bebaut wurde. Erst 2015 wurden sie abgebaut.

Seit 2011 führen blaue Hochleitungen in 5,50 Metern Höhe vom Postplatz über die Ostra-Allee zur Elbe. Damals hatte die TLG mit dem Bau des Zwinger-Forums am Postplatz begonnen. Später wurden darüber auch die Baustelle des Zwinger-Forums mit dem Motel One und die Baugruben für den Wohnkomplex „Boulevard Am Wall II“ von Baywobau/CTR entwässert.

Auch für das Quartier Hoym, das am Neumarkt zwischen Rampischer und Landhausstraße entsteht, wurden die Leitungen genutzt, damit die Bodenplatte nicht vom Grundwasser nach oben gedrückt wird. Zuletzt wurde das Grundwasser der Baustelle Annenhöfe am Postplatz darüber entwässert. Allein 600.000 Kubikmeter wurden nur dort abgepumpt. (mit SZ/phi)