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Wie Karstadt nach der Wende nach Dresden kam

Das heutige Karstadt-Kaufhaus in Dresden ist eines der ersten und wichtigsten Neubauten in der Dresdner Innenstadt nach der Wende. Erst sollte daraus Hertie werden.

Von Ralf Hübner
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Die Kaufhaus-Kette Hertie begann 1993 mit dem Bau eines neuen Warenhauses an der Prager Straße - das heutige Karstadt Dresden. Das Bild zeigt den Rohbau im März 1994.
Die Kaufhaus-Kette Hertie begann 1993 mit dem Bau eines neuen Warenhauses an der Prager Straße - das heutige Karstadt Dresden. Das Bild zeigt den Rohbau im März 1994. © SZ/Wolfgang Wittchen

Dresden. Das heutige Karstadt-Kaufhaus an der Prager Straße hat bisher allen Kaufhauskrisen getrotzt. Als vor 30 Jahren am 19. August 1993 der Grundstein gelegt wurde, war das ein Zeichen, dass der Aufbau der Innenstadt nach der deutschen Wiedervereinigung sichtbar Gestalt annahm.

Das Kaufhaus war die erste Investition des damaligen Kaufhauskonzerns Hertie in ein City-Kaufhaus im Osten. Die Investitionssumme wurde mit 200 Millionen D-Mark angegeben. "Es soll das Flaggschiff unseres Konzerns in den neuen Bundesländern, wo insgesamt 400 Millionen Mark in Berlin, Rostock, Halle und Leipzig investiert werden, sein", zitierte die Sächsische Zeitung den Vorstand Lothar Schirmacher bei der Grundsteinlegung. Die SZ berichtete vom großen Buffett mit Lachsbrötchen, Bratkartoffeln, Radeberger Bier und zünftiger Blasmusik.

Am 19.08.1993 wurde der Grundstein für das Hertie-Kaufhaus gelegt, später Karstadt.
Am 19.08.1993 wurde der Grundstein für das Hertie-Kaufhaus gelegt, später Karstadt. © SZ/Gunter Hübner

Der damalige Oberbürgermeister Herbert Wagner und die Hertie-Vorstandschefs nahmen die feierlichen Hammerschläge auf den Grundstein vor. Unter dem Gemauerten sei eine Messingkassette mit dem Wichtigsten vom Tage versenkt worden, wurde berichtet. "Den Weihnachtseinkauf 1994 werden Sie schon bei uns unternehmen können", versprach der Verkaufsdirektor Ost, Klaus Engeln, den Hunderten Dresdnern am Bauzaun.

Doch daraus wurde nichts. Im November 1993 wurde die Hertie Waren- und Kaufhaus GmbH von Karstadt übernommen. Daraufhin wurde rund ein Drittel des schon schon fertigen Rohbaus wieder abgebrochen und neu gebaut. Auch die Tiefgeschosse wurden verändert und der Karstadt-Logistik angepasst. Die Pläne für den Bau stammten vom Architekturbüro Rhode, Kellermann, Wawrowsky und Partner. Das Gebäude ruht auf einer kolonnadenähnlichen Sockelzone. Darüber erheben sich die drei Obergeschosse. Die Vorhangfassade ist abwechselnd mit verglasten und sandsteinverkleideten Flächen geschmückt. Mit dem Kaufhaus wurde der ursprüngliche Straßenverlauf der alten Prager Straße wieder hergestellt.

Ziemlich genau an jener Stelle stand bis 1945 das ehemalige Residenzkaufhaus. Die Dresdner liebten es, auch wenn dessen sachlich-schlichte Reformarchitektur mit viel Glas und Beton von manchen zunächst als "fremdartig und nicht passend" empfunden wurde. Der Entwurf des Einkaufstempels stammte vom Architekt Emil Franz Hänsel. Durch die Anwendung der für die damalige Zeit neuartige Stahlbetonbauweise gelang es, den Bau in gerade einmal sechs Monaten hochzuziehen.

Das alte Residenzkaufhaus an der Ecke Prager Straße/Waisenhausstraße um 19.20
Das alte Residenzkaufhaus an der Ecke Prager Straße/Waisenhausstraße um 19.20 © Sammlung H. Naumann

Das "ReKa", wie die Dresdner das Kaufhaus bald nur noch nannten, bot Waren in Hülle und Fülle. Auf vier Etagen, die mit dem Fahrstuhl bequem zu erreichen waren, gab es von der Stecknadel über Mode, Spielwaren bis zu elektronischen Artikeln so ziemlich alles: Sport- und Spielwaren, Bücher, Uhren, Fotoartikel, Haushaltsgeräte. Besonders begeistert waren die Redakteure des Dresdner Anzeigers von der Lebensmittelabteilung. Sie notierten: "Sehenswert ist der Raum für den Fleisch- und Wurstverkauf. Er ist von peinlichster Sauberkeit ganz in Weiß gehalten und die Wände mit weißen Kacheln belegt. In großen Glasschränken hängen die prachtvollsten Fleischstücke, ganze Ochsen."

Viel Glanz im alten Residenzkaufhaus

Zeitzeugen berichteten von viel Glanz in den hell erleuchteten 55 Verkaufsabteilungen. Vor allem zur Weihnachtszeit lockte das "ReKa" mit üppig dekorierten Schaufenstern. Das im Oktober 1912 eröffnete Haus war vor allem zur Advents- und Weihnachtszeit ein Magnet für die Kunden.

Bis zum Ersten Weltkrieg gingen die Geschäfte gut. Die folgenden unruhigen Zeiten waren für die Eigentümer eher verlustreich. Doch Mitte der "Goldenen Zwanziger Jahre" konnten sie wieder schwarzen Zahlen schreiben. Das 15-jährige Geschäftsjubiläum wurde gefeiert, das Haus vergrößert und mit der Wohnkultur ein neues Geschäftsfeld entdeckt.

Die Kunden waren beeindruckt. "Schon ein Gang durch den gediegenen und geschmackvoll ausgestatteten Teppichsaal lässt erkennen, wie umfangreich und vielgestaltig die Auswahl im 'Reka' ist", hieß es in der Wochenbildbeilage des Dresdner Anzeigers vom 6. November 1927. Die letzten Kunden kamen am 13. Februar 1945 vor der Zerstörung der Stadt, sodass Mitarbeiter nach Ladenschluss noch Regale auffüllten, Abrechnungen machten. Für einige von ihnen war es wohl das Todesurteil.

Als das jetzige Karstadt-Kaufhaus gebaut wurde, mussten jedoch auch Hinterlassenschaft des sozialistischen Aufbaus der Prager Straße nach dem Krieg beiseite geräumt werden. Die neue Prager Straße sollte der geschundenen Innenstadt wieder Leben einhauchen. Ab Februar 1965 rollten die Bagger. Das erste neue Gebäude, das entstand, war ein Hochhaus an der Reitbahnstraße. Weitere Gebäude folgten wie die mit 240 Metern damals längste Wohnzeile an der Ostseite der Straße.

Doch nicht alles gelang. 1970 war am Ferdinandplatz mit dem Bau des Interhotels Dresden begonnen worden, 107 Meter hoch sollte es werden. Doch als die Fundamente fertig waren, wurden die Bauarbeiten eingestellt und die Fundamente zugeschüttet. Als dann Jahrzehnte später die Kaufhäuser Karstadt und Wöhrl entstehen sollten, mussten sie wieder ausgegraben und beseitigt werden.