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Der Oberbürgermeister von Dresden ist in einer juristisch-politischen Zwickmühle

Dirk Hilbert steht vor einer Entscheidung, die extrem schwierig ist. Auch wenn die Auseinandersetzung mit seiner Noch-Ehefrau Privatsache ist, hat sie Auswirkungen auf das Amt. Ein Meinungsbeitrag.

Von Andreas Weller
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Oberbürgermeister Dirk Hilbert steckt in einer vertrackten Situation - eine Analyse.
Oberbürgermeister Dirk Hilbert steckt in einer vertrackten Situation - eine Analyse. © René Meinig

Dresden. Dirk Hilbert muss sich entscheiden, ob er das Angebot der Staatsanwaltschaft annimmt, rund 5.000 Euro zu zahlen. Die Ermittlungen wegen Körperverletzung im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit seiner Noch-Ehefrau gegen ihn könnten sich auf diese Weise juristisch gesehen erledigen. Vergessen wäre der Fall damit noch lange nicht. Das macht es für Hilbert extrem knifflig.

Selbstverständlich ist die Familie Privatangelegenheit der Hilberts, aber der FDP-Politiker ist Oberbürgermeister von Dresden. Es besteht ein großes öffentliches Interesse - und die Sache hat Konsequenzen für das Amt. Um das zu verstehen, lohnt es sich, einigen Fragen nachzugehen:

Was ist bisher gesichert bekannt?

Dass es eine Auseinandersetzung im September zwischen dem getrennten Ehepaar gegeben hat, ist polizeilich bestätigt. Bei einem Besuch von Dirk Hilbert im ehemals gemeinsamen Haus in Klotzsche - er wollte Möbel abholen - kam es zum Streit. Dabei stürzte Su Yeon Hilbert, wurde verletzt und musste von einem Notarzt versorgt werden.

Frau Hilbert rief die Polizei und zeigte die Körperverletzung an ihr durch die Aussage an, ihr Mann habe sie gestoßen. Sie stellte allerdings keinen Strafantrag. Die Polizei nahm die Ermittlungen auf und übergab sie an die Staatsanwaltschaft. Das bedeutet, der Fall wird als von besonderem öffentlichen Interesse angesehen. Die Staatsanwaltschaft bietet Hilbert an, das Verfahren gegen eine Geldauflage von einem mittleren vierstelligen Betrag einzustellen.

Was bedeutet das Angebot für Hilbert?

Rein juristisch betrachtet wäre es kein Schuldeingeständnis von Hilbert, wenn er die Geldauflage zahlt. Die Zahlung wäre auch formal keine Strafe, sondern ein Weg, das Verfahren zu beenden. Hilbert könnte sagen, er entlaste so die Justiz und könne weiteren Schaden von sich und seiner Familie abwenden.

    Juristisch würde auch weiterhin die Unschuldsvermutung für ihn gelten, da es kein Strafverfahren mit anderer Entscheidung und auch keinen Strafbefehl gibt.

    Welche Risiken birgt das?

    Das Angebot der Staatsanwaltschaft besagt auch, dass etwas vorgefallen ist, bei dem ein Mensch zu Schaden gekommen ist, weshalb sie den Fall nicht ohne Auflagen einstellen kann. Anders ausgedrückt: Su Yeon Hilbert fiel demnach offenbar nicht zufällig.

    Für Beobachter ist derzeit unschwer festzustellen, dass das Ansehen von OB Hilbert angekratzt ist, so etwa beim Richtfest für das Stadtforum am Freitag: Während der Rede des Stadtoberhauptes hörten die Gäste kaum zu, unterhielten sich laut untereinander. Es wirkte, als habe sich ein Teil der Dresdner Stadtgesellschaft bereits von Hilbert entfremdet. Ob das an den Vorwürfen im Zusammenhang mit seiner Frau liegt oder an anderen Auftritten, bei denen er deplatzierte Reden hielt wie beim CSD-Auftakt - bei dem er seine Trennung thematisierte -, dem ständigen Streit mit dem Stadtrat beispielsweise um die Besetzung von Bürgermeisterposten, inklusive weiteren umstrittenen Personalentscheidungen, oder dem teuren Wein-Empfang für Umland-Bürgermeister - wie jüngst bekannt wurde - nicht zuletzt seinem barock wirkenden Auftreten insgesamt - es gibt Kritik, Hilbert entgleite es zunehmend.

    Entscheidet sich Hilbert, das Angebot anzunehmen, ist die Sache nur juristisch vom Tisch. Es bleibt aber der moralisch und politisch schwelende Zustand, damit würde etwas an Hilbert haften bleiben. Dies würden Kritiker nutzen, um ihn weiter in die Enge zu treiben.

    Was wäre die Alternative?

    Wenn Hilbert das Angebot der Staatsanwaltschaft allerdings ausschlägt, nimmt diese die Ermittlungen gegen ihn wieder auf. Da die Sache jetzt nicht bedingungslos eingestellt wurde, also seine Unschuld durch die bisherigen Ermittlungen nicht nachgewiesen ist, muss der OB mit einem Strafbefehl rechnen.

    Dann müsste er entweder eine Strafe zahlen, wäre demnach der Körperverletzung schuldig und müsste auch disziplinarrechtlichen Konsequenzen durch die Rechtsaufsicht, also die Landesdirektion, befürchten. Im schlechtesten Fall für ihn, könnte infrage stehen, ob Hilbert Oberbürgermeister bleiben kann. Womöglich müsste er für die Dauer dieses Verfahrens die Amtsgeschäfte ruhen lassen und sein Stellvertreter Jan Donhauser (CDU) übernehmen.

    Will Hilbert dies vermeiden, müsste er gegen den Strafbefehl vorgehen. Dann erwartet das Stadtoberhaupt ein öffentliches Gerichtsverfahren, in dem Hilbert und seine Noch-Ehefrau aussagen müssen - ein Spießrutenlauf durch die Öffentlichkeit, mit mindestens bundesweiter Aufmerksamkeit und maximalem Schaden für seine Familie, ihn als Person und das Amt des Oberbürgermeisters von Dresden. Dabei wäre der Ausgang völlig offen.

    Fazit

    So oder so kann Dirk Hilbert es eigentlich nicht richtig machen, sondern nur mehr oder weniger falsch. Der OB ist in der Zwickmühle. Die Entscheidung, welchen Weg er nimmt, liegt allein bei ihm.