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"Die Gebühr fürs Anwohnerparken ist in Dresden lächerlich niedrig"

Der Fraktionschef der Dissidenten im Dresdner Stadtrat, Johannes Lichdi, fordert eine Versechsfachung der Parkgebühren für Anwohner, um die Defizite der Dresdner Verkehrsbetriebe zu decken.

Von Andreas Weller
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Dissidenten-Fraktionschef Johannes Lichdi erklärt die Rolle seine Fraktion und wo sie punkten kann.
Dissidenten-Fraktionschef Johannes Lichdi erklärt die Rolle seine Fraktion und wo sie punkten kann. © Marion Doering

Dresden. Die Dissidenten im Dresdner Stadtrat haben sich "kaufen lassen", wie es Fraktionschef Johannes Lichdi bezeichnet, nur so habe der Dresdner Bürgermeisterstreit beigelegt werden können. Seine Fraktion will "radikalen Klimaschutz", weshalb dafür auch das Anwohnerparken deutlich teurer werden müsse, erklärt Lichdi im Interview mit Sächsische.de.

Herr Lichdi, Sie haben in sozialen Medien verbreitet, die Dissidenten haben sich "kaufen lassen"?

"Kaufen lassen" ist natürlich selbstironisch. Als kleine Fraktion mit nur vier Stadträten werden wir von den großen Fraktionen nicht gefragt. Aber Oberbürgermeister Hilbert war gesprächsbereit. Der OB ist auf unsere Forderungen eingegangen und so haben wir bei den Bürgermeisterfragen geholfen, die Kuh vom Eis zu holen.

Was haben die Dissidenten dafür bekommen?

Eines unserer zentralen Themen ist radikaler Klimaschutz. Wir haben einen Stadtratsbeschluss erreicht, der einen Klimabeirat in die Hauptsatzung schreibt. Wir haben eine Koordinierungsstelle "Zentrale Klimaschutzstrategien" beim OB verankert, um die bestehenden Stadtratsbeschlüsse endlich umzusetzen. Zudem haben wir erreicht, dass der OB trotz Haushaltssperre die Budgets für die Stadtbezirksbeiräte und die Beauftragten freigibt. Und wir haben die Zusage des OBs, eine Transparenzsatzung zu unterstützen – das sind für uns wichtige Punkte.

Wie lief dieser "Kuhhandel", wie kritisiert wird?

Unser kleines Stimmgewicht kann nur in zugespitzten Situationen etwas bewirken. Wir haben die - sachlich abzulehnende - Abschaffung des Finanzbürgermeisters erst mal mitgetragen, um den Bürgermeisterstreit zu beenden und etwas für den Klimaschutz zu erreichen. Denn die Frage eines Finanzbürgermeisters kommt nach der Stadtratswahl 2024 eh noch mal auf den Tisch.

Der andere Fall war die OB-Stellvertreterfrage. Nachdem alle großen Fraktionen wochenlang ihre Unfähigkeit bewiesen haben, sich in dieser drittrangigen Frage zu verständigen, haben wir dem OB eine Mehrheit verschafft, weil er bereit war, unsere Forderungen zu erfüllen.

Ist das in dem zerstrittenen Rat die einzige Möglichkeit, noch Politik zu machen?

Ja. Wir haben ein Patt. Das linke und das rechte Lager haben jeweils 35 Stimmen. Der Oberbürgermeister gibt also mit seiner Stimme den Ausschlag. Der OB tendiert im Zweifel zur rechten Seite. So entscheidet er, wo es langgeht. Es hätte auch eine andere Möglichkeit in dieser Wahlperiode gegeben: Wenn die beiden stärksten demokratischen Fraktionen aus beiden Lagern - also die Grünen und die CDU - zusammen mit der SPD ein Zentrum gebildet hätten. Dann wäre es möglich gewesen, mal mit der FDP und mal mit den Linken stabile Mehrheiten zu bilden. Dass dies aus Unfähigkeit und Unwillen der Partner nicht gelungen ist, ist das zentrale Versagen der Grünen und der CDU.

Die AfD ist mittlerweile stärker als die CDU, ist die für Sie nicht demokratisch?

Die AfD ist demokratisch gewählt, aber ihre Politik ist völkisch-autoritär und gegen die Interessen der kleinen Leute. Gerhart Baum hat recht: "Warum reden wir um den heißen Brei herum? Es sind Neonazis. Jede Stimme für sie ist eine Stimme gegen die Demokratie und für die Zerstörung Europas."

Sie sprechen von "radikalem Klimaschutz", wie bewerten Sie die Verzögerungen beim Klimaschutzkonzept der Stadt?

Als Totalversagen. Frau Bürgermeisterin Jähnigen, die sich jetzt sogar "Klimabürgermeisterin" nennen darf, war seit 2015 nicht in der Lage, ein halbwegs ernstzunehmendes Konzept vorzulegen. Zu ihrer Entlastung: Sie kann auch gar nichts ausrichten. Denn die wesentlichen Klimaschutzfragen werden nicht am Tisch von Frau Jähnigen, sondern von der Sachsen-Energie, in der Verkehrspolitik und in der Wohnungspolitik entschieden. Letztlich ist es die Entscheidung und Verantwortung des OBs, ob Klimaschutz gemacht wird oder eben wie bis heute nicht.

Sie haben sich aber für Klima-Entscheidungen "kaufen lassen". Verpuffen die am Ende?

Letztlich können wir im Stadtrat nur durchsetzen, was auch aus der Gesellschaft gefordert und mitgetragen wird. Ja, die Gefahr ist groß. Ich sage es mal diplomatisch: Ich rechne damit, dass der OB sein Wort hält.

Klimaschutz hängt wesentlich von der Verkehrspolitik ab. Was läuft da in Dresden falsch?

Beim Thema Verkehr sehen wir eine Radikalisierung der fossilen Rechten. Die traditionelle Autovorrangpolitik soll weiter zementiert werden. Rad und ÖV fallen hinten runter. Zur fossilen Rechten zähle ich nicht nur CDU, FDP, AfD und Freie Wähler, sondern leider auch die Linke. Sie verhindert auch eine angemessene Erhöhung der Bewohnerparkgebühren. Dabei geht es um die Bevorzugung von Anwohnerinnen und Anwohnern, damit die einen Parkplatz vor dem Haus finden.