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Wer will Rikscha „Gertraud“ fahren?

Die Waden trainieren und damit Menschen helfen. Bei der Caritas in Döbeln geht das. Warum Ehrenamtliche dort in die Pedalen treten.

Von Annemarie Banek
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Andreas John ist Rikscha-Fahrer für die Caritas. Gertraud, wie die Rikscha heißt, bietet Platz für zwei Personen.
Andreas John ist Rikscha-Fahrer für die Caritas. Gertraud, wie die Rikscha heißt, bietet Platz für zwei Personen. © SZ/DIetmar Thomas

Döbeln. In der Kreuzstraße in Döbeln parkt ein ungewöhnliches Rad. Das Fahrrad mit drei Rädern und dem vorne angebrachten Anhänger mit rotem Verdeck ist eine Rikscha und gehört zum Inventar der Caritas. Gertraud, wie das Mobil getauft wurde, kommt in Döbeln und Umgebung regelmäßig zum Einsatz.

„Unsere Rikscha ist für alle Menschen gedacht, die körperlich nicht so mobil sind“, sagt Doris Walther von der Caritas in Döbeln. Mit ihr befördere man Menschen, die aufgrund ihres Alters oder einer körperlichen Einschränkung nicht gut zu Fuß sind, an Orte, die sie selbst nur noch schwer erreichen würden.

„Auf diese Weise erleben die Menschen wenigstens punktuell Selbstständigkeit und vergrößern ihren Bewegungsradius“, sagt Walter.

Die Fahrten übernehmen Freiwillige. Einer von ihnen ist Andreas John. Vor drei Jahren entdeckte er den Aushang der Caritas bei seinem Hausarzt und entschied sich für das ungewöhnliche Ehrenamt.

Seitdem tritt der 37-Jährige für die Caritas in seiner Freizeit in die Pedalen. „Ich freue mich, dass ich dabei etwas Positives bewirke“, sagt John. Und mit den Menschen, die er befördert, käme man bei den Touren gut ins Gespräch.

Sportliches Ehrenamt

Auch die körperliche Herausforderung, die „nicht ganz ohne sei“, reizt John. „Es macht aber auch viel Spaß. Und ich finde es schön, an der frischen Luft zu sein und den Leuten ein sportliches Erlebnis zu bieten“, sagt John.

Sein Engagement als Rikscha-Fahrer habe ihn selbstbewusster werden lassen und viele positive Begegnungen gebracht. Und obwohl er durch die Arbeit im Lager auch beruflich körperlich gefordert ist, könne er das Rikscha-Fahren als Ehrenamt empfehlen. „Da opfere ich gern meine Freizeit“, so John.

Laut Walther sind die meisten Passagiere, wie die Kunden für die Rikscha-Fahrten genannt werden, ältere Menschen. Das Angebot richtet sich aber auch an jüngere Personen, die körperliche Einschränkungen haben oder aus anderen Gründen weniger mobil sind. So unternahm bereits eine Hochschwangere eine Tour mit der Rikscha.

Meistens werde die Fahrt für einen besonderen Ausflug genutzt oder sogar als Überraschung verschenkt. „Es hat doch einen Event-Charakter“, sagt Doris Walther. Für den Ausflug mit der Rikscha bittet die Caritas um eine Spende in angemessener Höhe. Und auch ein Naturerlebnis sei die Rikscha-Tour und nicht mit einer Autofahrt zu vergleichen. So war Gertraud schon in den Klostergärten, auf dem Bauernmarkt in Klosterbuch und am Mulderadweg unterwegs.

Schon 2.000 Kilometer zurückgelegt

Seit 2018 ist die Rikscha bei der Caritas im Einsatz. In dieser Zeit hat Gertraud ungefähr 50 Personen befördert und rund 2.000 Kilometer zurückgelegt. Was Fahrer für dieses besondere Ehrenamt mitbringen müssen? „Freude am Fahrradfahren und eine Offenheit für Menschen, die älter sind oder ein Handicap haben“, sagt Walther.

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Die Piloten, wie die Caritas ihre Fahrer nennt, werden für die Rikscha-Touren gründlich vorbereitet. Bei einem zweitägigen Theoriekurs lernen die Fahrer vieles über körperliche Einschränkungen im Alter und Kommunikation. „Damit sie Personen, die Mobilitätsprobleme haben, sicher transportieren, müssen die Piloten auch wissen, wie ein Rollator funktioniert“, sagt Walther.

Sicherheit an erster Stelle

Danach folgt das Fahrsicherheitstraining. Vor allem zu schnell dürfe man mit der Rikscha nicht unterwegs sein, so Walther. Und auch auf andere Dinge müssten die Fahrer Acht geben, zum Beispiel wie stark sie bremsen und wie schnell sie in eine Kurve fahren können.

Gerade für den Radius der Rikscha müssten die Piloten erst ein Gefühl bekommen. „Einige machen, bevor sie ihre erste Tour unternehmen, noch eine Übungsfahrt mit einem Freund, der stellvertretend für die eingeschränkte Person in der Rikscha Platz nimmt“, sagt Walther.

Weitere Piloten gesucht

Für die Touren sei eine normale Konstitution mit Neigung zur Sportlichkeit ausreichend, denn die Rikscha fährt mit Unterstützung. „Eine Eins im Sportunterricht braucht man nicht“, betont Walther. Trotzdem sei eine gute Kondition von Vorteil, gerade weil die Landschaft in Döbeln eher bergig ist.

Aktuell sind fünf Ehrenamtliche für die Caritas mit der Rikscha unterwegs. Die meisten von ihnen sind noch jung und beruflich voll eingespannt. Aus diesem Grund finden Touren aktuell nur ein- bis zweimal im Monat statt. „Wir freuen uns daher über jeden, der das Team verstärken will“, sagt Walther.