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Tödlicher Unfall in Hartha: Fahrer war ohne Führerschein unterwegs

Rund zehn Tage nach einem Unfall in Hartha, bei dem die sechsjährige Chayenne starb, werden mehr Details bekannt. Der Fahrer sitzt in Haft. Für das Mädchen soll es eine öffentliche Trauerfeier geben.

Von Sylvia Jentzsch
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Auf der Dresdner Straße in Hartha kam der Fahrer von der Fahrbahn ab und erfasste die Sechsjährige, die noch am Unfallort verstarb.
Auf der Dresdner Straße in Hartha kam der Fahrer von der Fahrbahn ab und erfasste die Sechsjährige, die noch am Unfallort verstarb. © Archiv/Dietmar Thomas

Chemnitz/Hartha. Nach dem tragischen Tod einer sechsjährigen Harthaerin bei einem Unfall am Freitag, 30. September, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung, Trunkenheit im Verkehr, Unfallflucht und Fahrens ohne Fahrerlaubnis gegen einen 30-jährigen ungarischen Staatsbürger. Das teilte Oberstaatsanwältin Ingrid Burghart auf Anfrage von Sächsische.de mit.

Dem Beschuldigten sei bereits vor einigen Wochen die Fahrerlaubnis wegen eines Trunkenheitsdelikts vorläufig entzogen worden. Auch am Unfallabend hatte der Atemalkoholtest einen Wert von 1,0 Promille ergeben.

Am 1. Oktober wurde der Unfallfahrer auf Antrag der Staatsanwaltschaft Chemnitz einem Richter vorgeführt. Dieser erließ einen Haftbefehl. „Der Haftbefehl stützt sich darauf, dass der Beschuldigte alkoholbedingt fahruntüchtig war, zu schnell gefahren und deshalb von der Fahrbahn abgekommen ist. Er geriet auf den Gehsteig und erfasste dort das später verstorbene Kind“, so die Oberstaatsanwältin.

Ermittlungen stehen noch am Anfang

Es liege bei dem Beschuldigten der Haftgrund der Fluchtgefahr vor, da er in Deutschland über keine gefestigten sozialen Bindungen verfüge und damit jederzeit in sein Heimatland zurückkehren könnte. Er habe bereits nach dem Unfall versucht, sich dem Verfahren zu entziehen.

„Im Falle einer Verurteilung muss er mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe rechnen“, so Ingrid Burghart. Die Ermittlungen würden derzeit noch ganz am Anfang stehen. Neben weiteren Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen stünden der Obduktionsbericht sowie verschiedene Gutachten zur Alkoholisierung und zum Unfallhergang aus.

Das Gesetz sehe für fahrlässige Tötung eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor, wobei im Falle einer Verurteilung strafschärfend die Verwirklichung mehrerer Tatbestände zu werten wäre. Am Unfalltag wollte die junge Mutter (30) mit ihren fünf Kindern (6 bis 14) fürs verlängerte Wochenende einkaufen gehen. Plötzlich kam ein 5er-BMW die Dresdner Straße mit erheblichem Tempo angefahren, offenbar verlor der Fahrer die Kontrolle, fuhr auf den Fußweg und erfasste Chayenne.

„Das Mädchen erlitt durch die Kollision schwerste Verletzungen, an denen es noch an der Unfallstelle verstarb“, sagte ein Polizeisprecher. Mutter und Geschwister mussten alles mit ansehen. Der Täter versuchte, zu Fuß vom Unfallort zu flüchten. Doch Passanten hielten ihn fest und übergaben ihn der Polizei.

Großtante unterstützt die Familie

Noch immer ist der Unfall für alle unfassbar. Vor allem für die Familie. „Sie wird zurzeit noch von einer Seelsorgerin betreut. Auch ich helfe, wo ich kann, so gut ich kann“, sagte Ute Kirsten. Sie ist die Großtante von Chayenne und hat eine sehr enge Bindung zur Familie. Schon am Unfallabend wollte sie direkt am Ort des Geschehens der Mutter des Opfers und den Geschwistern helfen. „Aber ich wurde nicht vorgelassen. Erst später hatte ich Kontakt. Diese Stunden werde ich wohl nie mehr vergessen“, sagte Ute Kirsten.

Sie will eigentlich im Hintergrund bleiben. Für sie sei die Unterstützung der Familie eine Herzenssache. Alles koste viel Kraft. Sie müsse tapfer bleiben, obwohl sie selbst erst kürzlich einen Schicksalsschlag hinnehmen musste. „Für meine Nichte, die Kinder und auch die Oma will ich stark sein. Wenn ich dann aber wieder Zuhause bin, brauche ich meine zwei Herzensmenschen, die mich auffangen, mich seelisch unterstützen. Das sind mein Freund und meine Freundin. Am Anfang habe ich wirklich gedacht, ich schaffe das nicht“, so Ute Kirsten.

Ute Kirsten, die Großtante von Chayenne, unterstützt die Familie nach dem tragischen Unfall täglich. Das kostet die Geringswalderin viel Kraft. Um diese aufzutanken, ist sie viel in der Natur unterwegs.
Ute Kirsten, die Großtante von Chayenne, unterstützt die Familie nach dem tragischen Unfall täglich. Das kostet die Geringswalderin viel Kraft. Um diese aufzutanken, ist sie viel in der Natur unterwegs. © Dietmar Thomas

Vor allem Gespräche und Spaziergänge helfen ihr, immer wieder neu Kraft zu schöpfen. Und die benötigt sie auch. Täglich ist sie in Hartha. Das ist unter anderem möglich, weil ihr Arbeitgeber sehr viel Verständnis hat und sie, wenn sie gebraucht wird, freistellt.

Familie sucht Therapeuten

„Ich versuche, der Familie bei der Trauerbewältigung zu helfen, auch wenn sie zurzeit noch professionelle Hilfe von der Seelsorgerin erhält“, so Ute Kirsten. Wichtig sei, dass die gesamte Familie, zu der neben den Eltern, den vier Geschwistern auch die Oma gehört, von einem dafür ausgebildeten Arzt eine Familientherapie bekommt.

Eine solche Therapie sei von allen gewollt. „Leider haben wir noch niemanden gefunden, der uns da zeitnah helfen kann“, so Ute Kirsten. Die Betreuung der Familie und die Suche nach einem Therapeuten ist nicht alles, um was sich die Großtante kümmert. Auch die Beerdigung müsse organisiert werden.

Zuvor will der Vater von Chayenne noch einmal seine Tochter sehen, um Abschied von ihr zu nehmen. Das sei nach dem Unfall nicht möglich gewesen, weil er auf Arbeit war. „Ich will Chayenne so in Erinnerung behalten, wie ich sie vor ein paar Tagen bei einer Geburtstagsfeier erlebt habe. Sie hat mit anderen Kindern einen Luftballontanz aufgeführt. Damals hat sie noch so herzlich gelacht und war so fröhlich. Diese Bilder vergisst man nicht“, sagte Ute Kirsten.

Öffentliche Trauerfeier für Chayenne soll in Hartha stattfinden

Unvergessen soll das kleine Mädchen, das auf so tragische Weise ihr Leben verlor, bei allen bleiben, die um sie trauern. Deshalb hat sich die Familie für eine öffentliche Trauerfeier am Sonnabend, 22. Oktober, entschlossen. Dann können alle jene, die sich mit dem Schicksal von Chayenne verbunden fühlen, in der Zeit von 13 bis 16 Uhr in der Kapelle auf dem Harthaer Friedhof Abschied nehmen.

Anschließend wird es eine Trauerfeier im engsten Kreis der Familie geben. Wie groß die Anteilnahme ist, bekommen Ute Kirsten und die Familie von Chayenne jeden Tag zu spüren. So haben sich Blumengeschäfte gemeldet, die den Blumenschmuck für die Trauerfeier spenden wollen. Eine Harthaer Konditorei habe angeboten, Kaffee und Kuchen für die Trauerfeier der Familie zu übernehmen.

Außerdem gibt es schon mehrere Spendenaktionen. Der Harthaer Thomas Schneider sammelt Geld für eine Gedenktafel am Unfallort. Im Bistro 2000 steht eine Spendenbox und Ute Kirsten hat mit Unterstützung von René Naumann eine Spendenaktion im Internet ins Leben gerufen. Schon mehr als 14.000 Euro sind bisher eingegangen. „Das hätte ich nicht erwartet. Ich bedanke mich bei allen, die die Familie so unterstützen“, so die Großtante.

Wer den Eltern und Geschwistern ein paar tröstende Worte senden oder eine Geldspende zukommen lassen will, kann auch einen Briefumschlag beim Harthaer Friedhofsgärtner Sebastian Markert abgeben. Er wird diese der Familie übergeben.

An der Unfallstelle haben viele Menschen Kerzen und Kuscheltiere abgelegt.
An der Unfallstelle haben viele Menschen Kerzen und Kuscheltiere abgelegt. © Dietmar Thomas

Überwältigend sei die Anteilnahme an der Unfallstelle: Immer mehr Kerzen, Blumen, Bilder und Kuscheltiere werden an der Dresdener Straße abgelegt. „Ich bin auch jeden Abend vor Ort, zünde die Kerzen an, die erloschen sind und gedenke meiner lieben Chayenne“, sagte Ute Kirsten. Sie wird mit ihrer Freundin am Tag der öffentlichen Trauer diese Dinge in die Friedhofskapelle bringen.