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Fall Valeriia: Hunderte bei Gedenkgottesdienst in Döbeln

Die kleine Valeriia aus der Ukraine wurde Opfer eines Verbrechens, ein dringend Tatverdächtiger wurde in Prag festgenommen. In Döbeln gedenken am Sonntag Hunderte Menschen bei einem Gottesdienst der Neunjährigen.

Von Jens Hoyer & Sylvia Jentzsch & Cathrin Reichelt & Elke Görlitz & Lea Heilmann
 32 Min.
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Hunderte Menschen gedenken am Sonntag bei einem Gottesdienst auf dem Obermarkt in Döbeln der getöteten Valeriia.
Hunderte Menschen gedenken am Sonntag bei einem Gottesdienst auf dem Obermarkt in Döbeln der getöteten Valeriia. ©   dpa/Robert Michael

Döbeln/Chemnitz/Prag. Hunderte Menschen haben am Sonntag bei einem ökumenischen Gottesdienst auf dem Obermarkt im sächsischen Döbeln der getöteten Valeriia gedacht, Blumen niedergelegt und Kerzen abgestellt. Sie beteten unter freiem Himmel mit Pfarrern der evangelischen, katholischen sowie orthodoxen Kirchen und schlossen sich den Fürbitten an.

Zudem wurden Kerzen für das Mädchen entzündet. Nach Angaben der Polizei versammelten sich etwa 800 Personen "jeden Alters". Auch der Oberbürgermeister der Stadt, Sven Liebhauser, war unter ihnen.

Das passierte am 14. Juni

Festnahme im Fall Valeriia aus Döbeln: Am Freitagvormittag, gegen 10.15 Uhr, ist in einem Restaurant in Prag ein 36-jähriger Mann festgenommen worden. Der moldawische Staatsangehörige sei dringend tatverdächtig, Valeriia getötet zu haben, teilten die Staatsanwaltschaft Chemnitz und die Polizeidirektion Chemnitz am Freitagnachmittag mit.

Der Verdächtige befindet sich demnach nach einem Hinweis von Fahndungskräften in Gewahrsam der tschechischen Behörden. Durch die Staatsanwaltschaft Chemnitz war gegen den 36-Jährigen ein nationaler und europäischer Haftbefehl beantragt und durch das Amtsgericht Chemnitz erlassen worden.

Die hiesige Staatsanwaltschaft habe ein Überstellungsersuchen für den 36-Jährigen an die tschechischen Behörden gesandt. Er soll zeitnah zur Durchführung des Strafverfahrens wegen Totschlags nach Deutschland überstellt werden.

Laut "Bild" handelt es sich bei dem Festgenommenen um den Ex-Freund von Valeriias Mutter. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz wollte sich auf Nachfrage am Freitag zunächst nicht äußern.

Die tschechische Polizei schrieb am Freitagnachmittag auf Twitter, dass die Polizei im Stadtzentrum von Prag einen gesuchten Mann festgenommen habe, der in Deutschland eines Gewaltverbrechens verdächtigt werde. Die Kriminal- und die Ausländerpolizei in Prag kommunizierten nun mit der deutschen Polizei, hieß es.

Die Ermittlungen hatten sich zuletzt auf das private Umfeld der Familie konzentriert und laufen nach wie vor. Weitergehende Auskünfte könnten derzeit nicht erteilt werden, so Andrzej Rydzik, Sprecher der Polizeidirektion Chemnitz.

Zahlreiche Fragen sind unterdessen noch offen - etwa zum Motiv und zum Hintergrund des Gewaltverbrechens, aber auch zur genauen Todesursache.

Valeriia war am Morgen des 3. Juni auf dem Weg zur Schule spurlos verschwunden. Nach tagelanger Suche wurde am Dienstag ihre Leiche in einem Waldstück zwischen Hermsdorf und Mahlitzsch gefunden. Sie wurde Opfer eines Verbrechens, ist nach ersten Untersuchungsergebnissen aber nicht sexuell missbraucht worden.

Innenminister Schuster dankt Ermittlern im Fall Valeriia

Nach der zügigen Festnahme hat Sachsens Innenminister Armin Schuster den Ermittlern gedankt. "Mein Dank gilt insbesondere der Polizeidirektion Chemnitz für die schnellen Ermittlungen und den tschechischen Kolleginnen und Kollegen für die gute Zusammenarbeit sowie allen weiteren involvierten Polizisten", sagte der CDU-Politiker am Freitag nach Ministeriumsangaben in Dresden. Er hoffe, "dass mit der Festnahme eines Tatverdächtigen dieses schreckliche Verbrechen zügig aufgeklärt werden kann".

Döbelns Oberbürgermeister zeigt sich erleichtert

Dass der mutmaßliche Mörder noch auf freien Fuß ist, hatte für erhebliche Unsicherheit unter den Döbelner gesorgt. Diese ließen zum Teil ihre Kinder nicht mehr allein nach draußen und zur Schule gehen.

„Das ist wirklich eine Erleichterung, dass der mutmaßliche Täter gefasst ist. Wir warten jetzt noch auf die Bestätigung. Sollte er es sein, hoffen wir, dass er so schnell wie möglich seiner gerechten Strafe zugeführt wird“, sagte Döbelns Oberbürgermeister Sven Liebhauser am Freitag.

Gedenkfeier in Döbeln am Freitagabend

Am Freitagabend gedachten rund 1.800 Menschen auf dem Obermarkt in Döbeln. Viele Menschen hatten Tränen in den Augen, als sie weiße und rosafarbene Luftballons in den Himmel steigen ließen; Eltern hielten ihre Kinder fest im Arm. Es zeigte sich tiefe Trauer, aber auch Erleichterung über die Festnahme.

Bei der Trauerfeier sprach der Döbelner Oberbürgermeister Sven Liebhauser und rief zum gemeinsamen Gedenken an die ukrainische Schülerin auf.
Bei der Trauerfeier sprach der Döbelner Oberbürgermeister Sven Liebhauser und rief zum gemeinsamen Gedenken an die ukrainische Schülerin auf. © EHL Media/Erik-Holm Langhof
Die Menschen auf dem Obermarkt waren tief bewegt.
Die Menschen auf dem Obermarkt waren tief bewegt. © EHL Media/Erik-Holm Langhof
900 Luftballons hatten die Döbelner Stadtwerke mit Helium gefüllt.
900 Luftballons hatten die Döbelner Stadtwerke mit Helium gefüllt. © dpa
Die Menschen ließen sie später aufsteigen.
Die Menschen ließen sie später aufsteigen. © EHL Media/Erik-Holm Langhof
© EHL Media/Erik-Holm Langhof
© EHL Media/Erik-Holm Langhof
© EHL Media/Erik-Holm Langhof

"Wir werden dich nie vergessen", haben Valeriias Klassenkameraden auf ein Blatt geschrieben und darunter einen Regenbogen gemalt. Zusammen mit Blumen, Plüschtieren und unzähligen Kerzen lehnt das Bild nun an der Rathauswand in Döbeln.

"Valeriia wird nie wieder lachend über ein Fest hüpfen", sagte Oberbürgermeister Sven Liebhauser (CDU) bei dem Gedenken auf dem Obermarkt. Es gehe auch darum, der Familie des Mädchens zu zeigen: "Ihr seid in eurem unbeschreiblichen Schmerz nicht allein. Wir stehen an eurer Seite. Wir trauern mit euch."

Das passierte am 13. Juni

Nach dem gewaltsamen Tod der neunjährigen Valeriia ist die Anteilnahme an dem Schicksal des ukrainischen Mädchens riesengroß. In den sozialen Netzwerken gibt es unzählige Beileidsbekundungen - nicht nur von Menschen aus der Stadt Döbeln.

Um die Angehörigen in ihrer Trauer nicht zu stören, gibt es etwas entfernt vom Zuhause des Mädchens an der Ecke Schillerstraße/Straße des Friedens einen Bereich, an dem um das Kind getrauert werden kann. Dort haben schon zahlreiche Menschen Blumen und Plüschtiere niedergelegt und Kerzen aufgestellt, unter anderem die Mitglieder des Vereins KJSC Döbeln, in dem Valeriia Judo trainiert hat.

An der Ecke Schillerstraße/Straße des Friedens gedenken die Döbelner der getöteten Valeriia.
An der Ecke Schillerstraße/Straße des Friedens gedenken die Döbelner der getöteten Valeriia. © SZ/DIetmar Thomas

Die Mordkommission sucht derweil weiter nach einem oder mehreren Tätern. Dazu würden Spuren gesucht, Zeugen vernommen und Aussagen ausgewertet, sagte Oberstaatsanwältin Ingrid Burghart am Donnerstag auf Anfrage.

Zu genaueren Ermittlungsansätzen wollte sie nichts sagen, ebenso zur Todesursache - wegen eines möglichen Täterwissens. "Wir haben Thesen zum Motiv", sagte Burghart. "Deshalb suchen wir ja auch im engeren sozialen Umfeld. Aber ich kann im Moment nichts dazu sagen." Die Ermittler gehen davon aus, dass das Kind nicht sexuell missbraucht wurde. "Das Mädchen war bekleidet."

Nach Recherchen der "Bild" haben die Ermittler einen Ex-Freund von Valeriias Mutter im Visier. Er soll sich in Tschechien aufhalten. Er habe die Mutter am Vormittag von Valeriias Verschwinden kontaktiert, so "Bild". Sein Handy soll in einer Funkzelle in Döbeln eingeloggt gewesen und er von der Überwachungskamera eines Nachbarhauses gefilmt worden sein. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz wollte sich auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur dazu nicht äußern.

Fragen wirft nach wie vor auf, warum die Polizei so spät in dem Areal nach dem Mädchen gesucht hat. Eine Zeugin hatte am Tag von Valeriias Verschwinden am Stadtrand Schreie gehört und später der Polizei davon berichtet. Laut Polizei hatte dies aber zunächst nicht genauer eingegrenzt werden können und der Fund der Leiche sei rund 2 Kilometer entfernt gewesen. Als die Familie selbst später der Polizei mitteilte, dass sie öfter in dem Wald an den Knollensteinen gewesen sei, wurde die Suche dorthin ausgedehnt. Dabei war am Dienstagnachmittag das Mädchen tot im Unterholz gefunden worden.

Geprüft wird von der Staatsanwaltschaft auch ein mögliches Fehlverhalten seitens der Schule. Die hatte Valeriias Mutter nicht wie vorgeschrieben kontaktiert, als das Kind am Montag voriger Woche nicht im Unterricht war. Dazu werde ein Bericht des Landesamtes für Schule und Bildung abgewartet und dann entschieden, ob ein Anfangsverdacht für strafrechtliches Handeln vorliege, hieß es. Im Raum stehe eine mögliche Verletzung der Fürsorge- und Aufsichtspflicht. Die Behörde hatte das Versäumnis der Schule bestätigt und geht dem Fehlverhalten nach. Den Angaben zufolge könnte das arbeitsrechtliche Schritte nach sich ziehen.