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Buttersäure-Anschlag schüchtert CSD-Teilnehmer in Döbeln nicht ein

Rund 220 Demonstranten gingen am Samstag in Döbeln für Toleranz und Gleichberechtigung auf die Straße. Selbst von einem mutmaßlichen Angriff mit Buttersäure ließen sie sich nicht aus der Ruhe bringen.

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In Döbeln sind am Samstag rund 220 überwiegend junge Teilnehmer gegen Diskriminierung und für die Rechte von queeren Menschen auf die Straße gegangen.
In Döbeln sind am Samstag rund 220 überwiegend junge Teilnehmer gegen Diskriminierung und für die Rechte von queeren Menschen auf die Straße gegangen. © Foto: Lutz Weidler

Von Rasmus Wittrin

Döbeln. Yuno redet nicht gerne über jene zwei Erlebnisse, die sie vor einiger Zeit an der Oberschule Am Holländer durchstehen musste. Die Geschichten sind schnell erzählt, weil Yuno sie nicht ausschmücken will.

Zwei Mal wurde eine Regenbogenfahne vor ihren Augen verbrannt. „Einmal eine große und einmal eine kleinere“, sagt die 18-jährige Döbelnerin, die sich selbst als queer bezeichnet. Die Regenbogenfahne ist ein wichtiges Symbol queerer Menschen.

Motto: Tolerant im Hinterland

Es hat einen Grund, weshalb Yuno am Sonnabend doch über diese Erlebnisse spricht: Gemeinsam mit rund 220 anderen Personen demonstriert sie unter dem Motto „Tolerant im Hinterland“ dafür, dass sich solche Übergriffe nicht wiederholen.

Gegen Diskriminierung und für die Rechte von queeren Menschen. „Es ist wichtig, dass junge queere Menschen in Döbeln wissen, dass sie nicht alleine sind“, sagt Yuno.

Queer ist ein Sammelbegriff für sexuelle Orientierungen, die nicht heterosexuell sind, sowie für Personen, die sich nicht ihrem biologischen Geschlecht zugehörig fühlen.

Der Begriff umfasst Lesben, Schwule, Bisexuelle, asexuelle oder aromantische, trans- und intergeschlechtliche sowie nichtbinäre Menschen.

Angstfrei und sichtbar leben in Mittelsachsen

Der zweite Christopher Street Day (CSD) in Döbeln wird von der Queeren Gruppe Döbeln in Zusammenarbeit mit dem Projekt Werk-Stadt vom Treibhaus-Verein organisiert. Der Zug aus bunt geschminkten, größtenteils jungen Menschen mit Regenbogenfahnen und Transparenten startet am Döbelner Hauptbahnhof.

Über die Bahnhofsstraße geht es Richtung Innenstadt. Ihre Hauptforderung ist, dass queere Menschen in Döbeln und Mittelsachsen angstfrei und sichtbar leben können.

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Leon Meißner hat die Queere Gruppe Döbeln gegründet und erklärt, warum der CSD gerade in einer Kleinstadt wie Döbeln wichtig sei: „In großen Städten wie Leipzig ist der CSD mittlerweile eher eine Party, da gibt es keine politische Komponente mehr.“

In Großstädten gebe es häufig schon eine aktive queere Szene mit sicheren Räumen und Entfaltungsmöglichkeiten. Das sei auf dem Land nicht der Fall. Im Gegenteil, da würden gerade Ältere sagen, dass es queeres Leben gar nicht gebe. „Deshalb ist es so wichtig, dass wir zeigen: Es gibt uns“, so Meißner.

Drei Frauen protestieren dagegen

Das gefällt nicht allen. Als der Demo-Zug am Obermarkt ankommt, halten drei ältere Frauen am Rand des Platzes eine Gegendemonstration ab. Sie halten ein AfD-Plakat, auf dem eine beinahe unbekleidete Person zu sehen ist.

In großen Buchstaben steht „Vorsicht! Genderwahn im Stundenplan“ auf dem Banner. Die Frauen wollen ihre Namen nicht nennen, warnen aber vor „satanistischen Zielen“ des CSD und vor Chemtrails.

Sie wünschen sich, dass ihre Kinder ohne Ideologie aufwachsen können. Zwischenzeitlich halten sich laut Polizei etwa zehn weitere Personen im Umfeld der Gegendemonstration auf.

Drei Frauen haben sich auf dem Obermarkt dem Demonstrationszug entgegengestellt. Die Polizei war mit Dutzenden von Einsatzkräften vor Ort.
Drei Frauen haben sich auf dem Obermarkt dem Demonstrationszug entgegengestellt. Die Polizei war mit Dutzenden von Einsatzkräften vor Ort. © Foto: Lutz Weidler

Auch wenn der Gegenprotest „überschaubar“ ist, wie Polizeisprecherin Jana Ulbricht sagt, haben viele CSD-Teilnehmer schon Anfeindungen aufgrund ihrer queeren Lebensweise erlebt. Dabei geht es nicht nur um tätliche Angriffe, sondern auch um Sprüche wie „das ist doch nur eine Phase“.

Die 20-jährige Lucie kann solche Aussagen nicht nachvollziehen. „Es macht mich traurig, dass es Leute gibt, die gegen Liebe sind“, sagt sie. Mit der Demonstration will sie etwas erreichen: „Wie eine kleine Revolution, dass es irgendwann normal ist, man vor dem Outing keine Angst mehr haben muss.“

Polizei schreibt eine Anzeige auf dem Wettinplatz

Dass es noch mehr Personen gibt, die den CSD in Döbeln ablehnen, zeigt auch ein mutmaßlicher Buttersäure-Anschlag im Wettinpark. Dort findet am späten Nachmittag und Abend das „Parkfest der Akzeptanz“ mit Infoständen, Getränken und Musik statt.

Im Vorfeld hätten Unbekannte in dem Park eine übelriechende Flüssigkeit verschüttet. Die Polizei geht laut Jana Ulbricht von Buttersäure aus. Es wird eine Anzeige aufgenommen. Ansonsten bleibt es friedlich beim CSD. Anders als 2022, als Demo-Teilnehmer mit kleinen Steinen beworfen worden sind.

Die Organisatoren des Tages Isabell Wiehmert und Leon Meißner bewerten den zweiten Döbelner CSD als Erfolg. Es soll nicht der Letzte gewesen sein: „Wir wollen schon, dass das zu einer Tradition wird“, so Leon Meißner.