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Er putzt das Auge des Gesetzes: Der Blitzerwart von SOE

Der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge betreibt zwölf stationäre Tempokontrollen. Auch die müssen kontrolliert werden. Dafür düst Oliver Göpfert jede Woche quer durch die Region.

Von Jörg Stock
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Der Mann hinterm Starenkasten: Oliver Göpfert sorgt dafür, dass die stationären Blitzer des Landkreises zuverlässig arbeiten.
Der Mann hinterm Starenkasten: Oliver Göpfert sorgt dafür, dass die stationären Blitzer des Landkreises zuverlässig arbeiten. © Mike Jäger

Es hat geblitzt in Postelwitz. Doch der Mann auf dem Foto schläft friedlich. Lenkrad hat er auch keins. "Der würde sagen, dass er auf keinen Fall gefahren ist." Doch Oliver Göpfert weiß, wo der Fahrer steckt. Der Honda hat eine britische Nummer und das Lenkrad vermutlich rechts. Er schiebt den Bildausschnitt über den Computerschirm. Ein zweites Gesicht taucht auf, weniger entspannt, weil es gerade vom Blitz getroffen wird. "Da sitzt er."

An den Straßen der Sächsischen Schweiz und der Weißeritzregion stehen 17 fest verbaute Geschwindigkeitsmessanlagen. Ein Dutzend davon betreibt die Landkreisverwaltung. Mehr als 67.300 Temposünden haben diese Maschinen im letzten Jahr festgestellt. Mithilfe der Beweisfotos hat die Behörde 7.123 Bußgelder verhängt.

Auf Kontrollfahrt: Oliver Göpfert schaut am neuen Blitzer in Berggießhübel nach dem Rechten. Hier tauscht er den Filter der Luftkühlung aus.
Auf Kontrollfahrt: Oliver Göpfert schaut am neuen Blitzer in Berggießhübel nach dem Rechten. Hier tauscht er den Filter der Luftkühlung aus. © Mike Jäger

Oliver Göpfert gehört zu denen, die diese Fotos sichten. Der 43-jährige Verwaltungsfachmann ist Sachbearbeiter bei der Verkehrsüberwachung. Er stammt von hier, aus dem Osterzgebirge. Wenn er am Rechner sitzt und geblitzte Leute betrachtet, sind ihm nicht alle so fremd, wie jene in dem britischen Wagen. "Manchmal denke ich: Den kennst Du doch!" Gewissenskonflikte spürt er deswegen nicht. Warum auch. "Ich zwinge ja niemanden, zu schnell zu fahren."

Langer Weg vom Blitz zum Knöllchen

Kommt man Steffen Klemt, Amtsleiter Verkehr und Ordnung und Oliver Göpferts Chef, mit dem Wort "Abzocke", so denkt er dabei an etwas ganz anderes, als an die Blitzer: "Abgezockt wurden die Bürger von den Hütchenspielern auf der Prager Straße." Was das Amt mit der Überwachungstechnik tue, sei hingegen gesetzlicher Auftrag. "Wir vollziehen geltendes Recht", sagt er. "Wir machen unsere Arbeit."

Freilich weiß der Amtschef, was viele denken. "Es blitzt die rote Lampe, und in der Verwaltung zählt man schon das Geld." Tatsächlich kann Klemt nicht einmal sagen, welchen Anteil die Geschwindigkeitsverstöße an den beim Landkreis eingehenden Bußgeldern überhaupt ausmachen. So etwas werde nicht erfasst. Was er weiß, ist, dass es ein mühsamer Weg ist, vom Blitz zum rechtssicher verschickten Knöllchen. "Viele, viele Leute sind damit beschäftigt."

Leute wie Oliver Göpfert. Er sitzt zum Beispiel Stunde um Stunde am Rechner und wertet Filme aus. Die heißen immer noch so, obwohl es Digitalfotos sind. Die Filme vom Postelwitzer Blitzer können in der Sommerzeit, wenn viele Auswärtige unterwegs sind, 500, 600 Bilder pro Woche enthalten. Andere sogar über 1.000.

Teure Fotos: An der Rückfront der Kamera hängt der Datenspeicher mit den Aufnahmen der Temposünder.
Teure Fotos: An der Rückfront der Kamera hängt der Datenspeicher mit den Aufnahmen der Temposünder. © Mike Jäger

Wenn es gut läuft, braucht Oliver Göpfert sechs, sieben Sekunden, um ein Foto fertig zu machen für die Bußgeldstelle. Er sieht dabei alles, was Leute so im Auto treiben. Die einen küssen sich gerade, andere haben die Finger in der Nase. Oder am Handy. Handy daddeln wird gleich mit bestraft. Auch ein nicht angelegter Gurt. An einem 24. Dezember war mal der Weihnachtsmann auf einem Bild, erzählt Göpfert. "Der musste wohl schnell zur Bescherung."

Anlagen sind alarmgesichert

Der Job findet nicht nur im Büro statt. Oliver Göpfert ist der Mann, der die Blitzer am Laufen hält. Einmal in der Woche setzt er sich ins Auto und düst quer durch den Landkreis, um jede einzelne Anlage zu checken und die Fotos einzusammeln. Weit über 200 Kilometer legt er bei diesen Kontrollfahrten zurück.

Als Verschleißteil immer zur Hand: eine frische Blitzlampe.
Als Verschleißteil immer zur Hand: eine frische Blitzlampe. © Mike Jäger

Auch heute steigt er ins Dienstfahrzeug. Er lenkt es nach Berggießhübel. Am Fuß des Ladenbergs steht einer der modernsten Tempomesser der Region. In der schlanken, drei Meter hohen Säule, vom Hersteller "City Design" genannt, stecken gleich zwei Kameras. Unsichtbar werfen sie Laserimpulse über die Straße und warten darauf, dass die Reflexion eine Geschwindigkeitsübertretung anzeigt.

Oliver Göpfert untersucht das Gerät auf Schäden und Verschmutzungen. Falls nötig, putzt er die Gläser vor den Kamera-Augen. Reste schwarzer Farbe zeugen von einer Sprüh-Attacke. Bei neuen Anlagen kommt das häufiger vor. "In letzter Zeit war es ruhig." Bewirken wird das Zuschmieren nichts. Falls der Graffiti-Entferner aus der Dose versagt, tauscht Göpfert die ganze Scheibe aus. "Wir haben alles dabei."

Vorbereitet auf Farb-Attacken: Der Ausrüstungskoffer enthält Reinigungsmittel und Ersatzscheiben für die Kameras.
Vorbereitet auf Farb-Attacken: Der Ausrüstungskoffer enthält Reinigungsmittel und Ersatzscheiben für die Kameras. © Mike Jäger

Dann öffnet er die Verkleidung des Turms. Die Anlage ist alarmgesichert. Registriert sie, dass jemand sich an ihr zu schaffen macht, meldet sie das per Textnachricht ans Amt, das gegebenenfalls die Polizei verständigt. Oliver Göpfert ersetzt den Filter, durch den Außenluft zum Kühlen der Elektronik einströmt. Im Lauf eines Monats wird das weiße Vlies dunkelgrau. Auch die Blitzlampen verschleißen. Nach 20.000 Blitzen wird der Austausch empfohlen.

Berggießhübel hat den emsigsten Blitzer

Letztes Jahr hat der Blitzer von Berggießhübel 13.743 mal ausgelöst, dieses Jahr schon fast 10.000 mal. Er ist der meistbeschäftigte ortsfeste Blitzer im Landkreis. Ganz anders sieht es bei Göpferts nächstem Kandidaten aus, dem Starenkasten im Bannewitzer Ortsteil Hänichen. Auf der Leiter klimmt er zum Kopf der Anlage empor und klappt die Rückwand zur Seite. 35 Fälle in sechs Tagen. "Das ist überschaubar."

Dynamo regiert, aber nicht am Blitzer. Dieser Aufkleber muss weg.
Dynamo regiert, aber nicht am Blitzer. Dieser Aufkleber muss weg. © Mike Jäger

Göpfert kratzt einen Aufkleber vom Gehäuse ab. Dass "Dynamo regiert" findet er eigentlich gut. Aber nicht an seinen Blitzern. Wieder abgestiegen, mustert er eingehend die Fahrbahn. Diese Anlage misst Geschwindigkeiten nicht mit Laser, sondern mit Sensoren, die in gewissen Abständen im Asphalt liegen. Bricht der Asphalt auf, können sich die Sensoren lockern, was die Messwerte verfälschen würde.

Weiter, zum Superblitzer. Die in einem massiven Anhänger untergebrachte Kamera steht in Grumbach am Ufer der Wilden Sau. Der Landkreis hat zwei dieser "Enforcement Trailer" angeschafft. Genau genommen zählen sie nicht zu den stationären Anlagen. Aber sie können ähnlich autonom arbeiten. Zehn Tage halten die Akkus durch.

Kraftakt am "Superblitzer": Die Akkus wiegen pro Stück 23 Kilo und halten zehn Tage durch.
Kraftakt am "Superblitzer": Die Akkus wiegen pro Stück 23 Kilo und halten zehn Tage durch. © SZ/Jörg Stock

Die Anhänger werden gern dort hingestellt, sagt Oliver Göpfert, wo die Bürger es wollen. Er spricht von fünf bis zehn solcher Wünsche pro Monat. Dafür bekäme man vor Ort auch mal ein Dankeschön. Was die Autofahrer betrifft, so muss er damit rechnen, als Feindbild wahrgenommen zu werden. Wie kommt er damit klar? Anfangs fand er es etwas seltsam, sagt er, in diesem Fokus zu stehen. Mit der Zeit hat er sich daran gewöhnt. Man muss den Job wollen, sagt er. "Wenn du alles mit heim schleppst und nicht mehr schlafen kannst, wäre das Quatsch."