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"Unsere Patienten können nicht in Quarantäne"

Dialysepatienten müssen regelmäßig zur Blutwäsche. Gleichzeitig gehören sie zur Risikogruppe. So trotzt das Bautzener Nierenzentrum der Corona-Gefahr.

Von Franziska Springer
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Seit Ausbruch der Corona-Pandemie gibt es im Bautzener Nierenzentrum strenge Einlasskontrollen. Auch Sächsische.de-Reporterin Franziska Springer musste vor Zutritt ihre Körpertemperatur durch Ramona Schmidt testen lassen.
Seit Ausbruch der Corona-Pandemie gibt es im Bautzener Nierenzentrum strenge Einlasskontrollen. Auch Sächsische.de-Reporterin Franziska Springer musste vor Zutritt ihre Körpertemperatur durch Ramona Schmidt testen lassen. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Im Nierenzentrum des Kuratoriums für Dialyse und Nierentransplantation (KfH) in Bautzen werden Hochrisikopatienten medizinisch versorgt; auch wenn sie Corona haben. Im Interview mit Sächsische.de sagt Doktor Thomas Stehr, einer der beiden leitenden Ärzte, wie schwierig die Betreuung Nierenkranker unter Pandemie-Bedingungen ist.

Vor welche besonderen Schwierigkeiten hat das Corona-Virus die Dialyseeinrichtungen gestellt?

Dialyse ist eine lebenserhaltende Therapie. Menschen mit Nierenerkrankungen müssen drei mal pro Woche vor Ort behandelt werden - ganz unabhängig von anderen Erkrankungen. Das heißt, wir können unsere Patienten trotz Ansteckungsgefahr nicht einfach in Quarantäne schicken, bis die Infektion vorüber ist. Die können nicht zu Hause bleiben. Sie müssen weiter behandelt werden. Auch deshalb haben wir schon frühzeitig entsprechende Hygienemaßnahmen zur Infektionsprophylaxe und zur Kontaktvermeidung ergriffen.

Wie sehen die aus?

Wir führen strikte Einlasskontrollen durch: Beim Eintreten wird bei jedem Patienten und jedem Mitarbeiter die Körpertemperatur gemessen. Außerdem werden mögliche Krankheitssymptome abgefragt. Alles das wird protokolliert. Gibt es Auffälligkeiten, wird sofort ein Antigen-Test durchgeführt und der Patient zur Behandlung in einem separaten Raum isoliert. Darüber hinaus müssen alle unsere Patienten Symptomtagebücher führen und zweimal täglich ihre Körpertemperatur messen. Alles das lassen wir uns vorlegen.

Statt in Gruppen werden unsere Patienten nur noch einzeln mit Taxiunternehmen oder per Krankentransport zum Nierenzentrum gebracht. Sie alle haben, wie natürlich die Mitarbeiter auch, kostenlosen Mund-Nasen-Schutz zur Verfügung gestellt bekommen, der im Nierenzentrum dauerhaft getragen werden muss. Wenn bei uns ein Patient positiv getestet wird, übernehmen wir die Kontaktnachverfolgung für den Bereich des Dialysezentrums. Das heißt, andere Patienten und das Personal, das mit dem Betroffenen Kontakt hatte, werden getestet. Positive Testergebnisse melden wir dem Gesundheitsamt und stimmen mit der Behörde weitere Maßnahmen ab.

Doktor Thomas Stehr ist einer von zwei leitenden Ärzten im Bautzener Nierenzentrum.
Doktor Thomas Stehr ist einer von zwei leitenden Ärzten im Bautzener Nierenzentrum. © SZ/Uwe Soeder

Wie verlief das Pandemiegeschehen im Bautzener Dialysezentrum?

Trotz all der aufwendigen Maßnahmen haben wir bisher mehr als 20 positiv auf Corona getestete und an Covid-19 erkrankte Patienten. Aufgrund der Vorerkrankungen haben viele von ihnen erhebliche Krankheitssymptome. Infizierte Patienten werden in einem Isolations-Raum weiterbehandelt. Dort liegen im Schnitt vier Patienten, die alle von einer Pflegekraft unter Vollschutz betreut werden, die den Raum für die Dauer der Behandlung nicht verlassen darf. Bislang sind leider vier langjährige Patienten mit schwersten Vorerkrankungen mit dem Corona-Virus verstorben. Auch bei unserem Personal haben sich bislang rund ein Drittel aller Mitarbeiter mit dem Virus infiziert und sind wegen der Erkrankung ausgefallen.

Welche Folgen haben diese Infektionen für den Behandlungsalltag im Dialysezentrum?

Der psychische, bürokratische und organisatorische Aufwand ist für alle enorm. Für unsere Mitarbeiter bedeutet das Infektionsgeschehen Überstunden, Feiertagsarbeit und Doppelschichten. Auch unsere Patienten reagieren mit hoher Akzeptanz und Disziplin auf die Hygieneregeln. Mit zunehmendem Wissen um die Gefahren der Infektionskrankheit hat das Verständnis für die Maßnahmen immer weiter zugenommen. Auch unsere Dienstleister, die Krankentransporte und Taxiunternehmen, haben flexibel und mit hoher Einsatzbereitschaft reagiert. In Summe war der Zusammenhalt wirklich gut und man hat gemerkt, dass die Grundharmonie, die Erfahrung und die berufliche Professionalität, die in unserem Team herrscht, in Stresssituationen von großem Nutzen ist.

Altenheime, Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser sind während der Corona-Pandemie in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Zählen Dialyse-Einrichtungen zu einer dieser Kategorien oder wurden sie bei den Maßnahmen vergessen?

Anders als etwa das Krankenhaus befindet sich das KfH-Dialysezentrum nicht in öffentlicher Trägerschaft. Insofern stehen wir nicht unmittelbar im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Vergessen wurden wir aber nicht, denn natürlich herrscht bei unseren Patienten infolge der schweren Nierenerkrankungen und teils erheblicher Vorerkrankungen eine besonders hohe Infektionsgefahr. Wir stehen in enger Abstimmung mit dem Gesundheitsamt des Landkreises.

Die Eckpfeiler für den Umgang mit dem Infektionsgeschehen wurden uns durch die KfH-Zentrale und dezentrale Krisenstäbe vorgegeben. Vor Ort wurden die Empfehlungen an regionale Gegebenheiten angepasst. Für Bautzen kann ich sagen, dass wir mehr machen, als wir müssten. Außerdem muss man sagen: Die Versorgung mit Desinfektionsmitteln und Schutzausrüstung war von Anfang an gut organisiert. Im KfH hatten wir immer alles, was wir brauchten.

Wie ist es im Dialysezentrum um Impfkapazitäten für Patienten und Personal bestellt?

Eigentlich ist das Dialyse-Personal zur Impfung erst später vorgesehen. Dank der engen Zusammenarbeit mit dem Oberlausitz-Klinikum wurde eine Impfung für unser medizinisches Personal trotzdem ermöglicht. Die Impfbereitschaft ist wirklich sehr groß - auch unter unseren Patienten. Die zählen seit Donnerstag zur Personengruppe mit höchster Impfpriorität. Aufgrund der gesundheitlichen Voraussetzungen unserer Patienten ist eine Impfung im Kamenzer Impfzentrum aber nur schwer umsetzbar. Deshalb bemühen wir uns um Impfmöglichkeiten im Nierenzentrum. Dazu organisieren wir momentan aktiv Impfungen, die wir während der Dialysebehandlung durchführen können.

Was Dialyse für Betroffene bedeutet

  • In sächsischen Nierenzentren werden rund 5.000 Dialysepatienten betreut.
  • Im Nierenzentrum in Bautzen, das durch das Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation (KfH), einen gemeinnützigen Träger unterhalten wird, betreuen 21 Pflegekräfte etwa 110 Patienten.
  • In der Dialyse werden Menschen mit schweren Nierenerkrankungen behandelt. Die Hauptursache für chronische Nierenerkrankungen sind Bluthochdruck und Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes Mellitus und erhebliche Herz-Kreislauf-Vorerkrankungen.
  • Darüber hinaus werden in den Nierenzentren auch nierentransplantierte Patienten und Bauchfell-Dialyse-Patienten ambulant betreut. Letztere können die Dialyse über einen Katheder im Bauch selbst zu Hause durchführen, brauchen aber dennoch medizinische Betreuung.
  • Bei einer Dialyse-Behandlung werden aus dem Blut der Patienten Giftstoffe und überschüssiges Wasser entfernt, die bei gesunden Menschen über die Niere abtransportiert werden.
  • Ein Dialysepatient muss sich unabhängig von Wochenenden und Feiertagen regelmäßig drei mal pro Woche einer Blutwäsche in einem entsprechenden Nierenzentrum unterziehen. Die Behandlung ist lebenserhaltend und kann nicht ausgesetzt werden.

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