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Der Friedhof lichtet sich

Weil weniger gestorben wird, werden Teile des Großenhainer Friedhofs nicht belegt – und irgendwann aufgegeben.

Von Birgit Ulbricht
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Friedhofsmeister Stefan Ullmann zeigt auf die Fläche, die in Zukunft nicht mehr benötigt wird, wie im nördlichen Teil. 4300 belegte Gräber gibt es derzeit.
Friedhofsmeister Stefan Ullmann zeigt auf die Fläche, die in Zukunft nicht mehr benötigt wird, wie im nördlichen Teil. 4300 belegte Gräber gibt es derzeit. © Kristin Richter

Großenhain. Großenhains Friedhof wurde angelegt, als noch anders gestorben wurde. In zweifacher Hinsicht. Die Menschen starben früher und häufiger. Der Umgang mit den eigenen Toten war allerdings auch ein anderer. 

Denn „natürlich“ wurden die Angehörigen im Sarg bestattet. Alles andere wäre Frevel gewesen, unvorstellbar. Was sich Menschen vorstellen, hat sich in den letzten hundert Jahren aber grundlegend geändert und als natürlich werden demzufolge auch Bestattungen im Wald, auf See, mit anderen zusammen oder gänzlich ohne Namen angesehen. 

Die Urnenbestattung ist längst normal, während sie vor gut hundert Jahren in Großenhain noch eines eigenen Feuerbestattungsvereins bedurfte und außerhalb der Stadt auf den Urnenhain am Kupferberg verbannt war. Auf dem kirchlichen Friedhof gab es „so etwas“ nicht. Erst 1935 wurde die Urne als Begräbnisform erlaubt. Anonyme Gräber sind es bis heute nicht. Dennoch sind all diese Entwicklungen nicht an Großenhain vorbeigegangen.

Es wird leerer auf dem Friedhof. Der nördliche Teil in Richtung Mülbitzer Tor ist größtenteils schon Wiese. Friedhofsmeister Stefan Ullmann zeigt uns die Abteile, die mit einem „Q“ und einem „P“ markiert sind. In den 1950er Jahren waren die beiden nördlichsten Areale des 5,5 Hektar großen Friedhofs sozusagen am besten besucht. Inzwischen bietet sich ein anderes Bild: Ein paar Grabstellen vereinzelt hier und da, je nach Nutzungsdauer, einzig die Familienstätten an der Mauer umfassen den einstigen Friedhof. Manche nur als Denkmal. 

Friedhofsmeister Stefan Ullmann macht aus der Zukunft keinen Hehl. Irgendwann werden solche Flächen entwidmet, aus dem Friedhof herausgelöst und einfach Wiese. „Doch das muss die kommende Generation entscheiden“, sagt er. Eine Pflicht, mit der er sich nicht mehr beschweren muss. Die jetzigen Friedhofsgärtner haben mit Weitblick dafür gesorgt, dass die nächste Generation darüber sinnvoll entscheiden kann: Nach dem Tornado 2010 wurde die Bäume bereits in den Bereichen nachgepflanzt, wo künftig Grabstellen ausgewiesen werden. 

Dass es dabei fast wie beim Einkaufen ist, sprich die werte Kundschaft möglichst nicht zu weit laufen möchte, hat sein übriges getan, dass sich ausgerechnet die nördlichen Abteile zusehends lichten. Als Niedergang möchte Stefan Ullmann die gegenwärtige Entwicklung aber nicht verstanden wissen. „Friedhöfe wachsen und schrumpfen wie Städte“, erklärt er. Auch der Umgang mit dem Leben ist in der jeweiligen Zeit im Friedhof abzulesen. Stefan Ullmann stellt in Gesprächen durchaus eine Rückbesinnung fest.

Den Leuten ist es wieder wichtig, einen persönlichen Ort zum Trauern zu haben. Man kann es sehen. Selbst Gemeinschaftgrabstellen würden individuell geharkt und bepflanzt. Darauf stellt sich auch die Friedhofsverwaltung ein. Sie bietet neue Grabformen an – individuell auf jede Lebenssituation der Familien angepasst. Denn mit starren Vorgaben allein überlebt nun mal auch ein Friedhof nicht.

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