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Datenverlust bei der Bundeswehr bleibt ominös

Politiker der Opposition glauben nicht, dass die geheimen Akten unbeabsichtigt gelöscht worden sind.

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Von Sven Siebert, Berlin

Die Opposition im Bundestag will wissen, wie und in welchem Umfang geheime Daten des Verteidigungsministeriums verschwinden konnten. Am Vortag war bekannt geworden, dass Informationen über Auslandseinsätze der Bundeswehr verschwunden sind. Verteidigungsstaatssekretär Peter Wichert hatte den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses mitgeteilt, dass Daten aus den Jahren 1999 bis 2003 aufgrund eines „technischen Defekts“ an einem „Datensicherungsroboter“ verloren gegangen seien.

Es gibt noch Kurnaz-Akten

Der Grünen-Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei forderte das Verteidigungsministerium nun zu „schneller und umfassender Aufklärung“ auf. Ähnlich äußerten sich die Obleute von FDP und Linken.

Der Verteidigungsausschuss hatte die Unterlagen des Ministeriums angefordert, um den Vorwürfen von Murat Kurnaz nachzugehen, er sei Anfang 2002 von Bundeswehrsoldaten einer Spezialeinheit in einem Gefangenenlager in Afghanistan misshandelt worden. Kurnaz hatte anschließend mehr als vier Jahre in US-Haft in Guantanamo auf Kuba gesessen. Mit dieser Zeit befasst sich ein Untersuchungsausschuss des Bundestages.

Der SPD-Obmann im Verteidigungsausschuss, Rainer Arnold, bestätigte allerdings, dass die Tagesberichte des damals in Afghanistan eingesetzten Soldaten vom Kommando Spezialkräfte (KSK) dem Ausschuss vorlägen. „Es gibt keine Indikatoren, dass hochsensible Daten für die Untersuchung fehlen“, sagte Arnold.

Nachtwei hält eine vorsätzliche Datenvernichtung im Verteidigungsministerium für höchst unwahrscheinlich. „Ich habe keine Anhaltspunkte, dass es eine bewusste oder gewollte Nachrichtenvernichtung gegeben haben könnte“, sagte er der SZ. Der Linke Paul Schäfer sagte, das Fehlen von Sicherungskopien und der Verzicht auf Versuche, beschädigte Datenträger zu retten, sei „ein unentschuldbarer Dilettantismus“. Der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Peter Schaar, nannte die Vorgänge eine „unglaubliche Schlamperei“.

Fachleute erklärten, Daten ließen sich problemlos sichern, beschädigte Datenbänder könnten in der Regel wenigstens zum Teil wieder lesbar gemacht werden. Die Bänder waren allerdings nach Mitteilung Wicherts 2005 vernichtet worden.

Andere Abgeordnete der Opposition glauben nicht an eine versehentliche Löschung. Nachtweis Fraktionskollege Hans Christian Ströbele bezweifelte die Darstellung des Ministeriums. Noch im November 2006 habe er einen Brief von Staatssekretär Wichert bekommen, wonach der Verteidigungsausschuss über Einsätze der KSK im Ausland informiert werde. „Darin steht keine Silbe davon, dass die Daten weg sind.“

Die FDP-Obfrau Brigitte Homburger sagte, es mache schon nachdenklich, dass ausgerechnet Daten aus dem Kurnaz-Komplex verschwunden seien. Der Anwalt von Kurnaz will eine Wiederaufnahme der Ermittlungen erwirken, die aus Mangel an Beweisen eingestellt worden waren.

Kritik an Informationspolitik

Nachtwei kritisierte die Informationspolitik des Verteidigungsministeriums, das bis Herbst 2005 vom SPD-Politiker Peter Struck geführt worden war. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass dem Verteidigungsausschuss nicht schon 2004 mitgeteilt worden ist, dass es einen Datencrash von erheblichem Umfang gegeben hat“, sagte Nachtwei. Bei vergleichbaren Havarien oder Unfällen auch ohne Personenschäden würde der Ausschuss stets schnell informiert. Dass dies nicht geschah, sei ein massiver politischer Fehler gewesen.