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"Querdenken": Strafanzeige gegen Ärztin

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Volksverhetzung gegen eine Medizinerin, die bei Demonstrationen auftritt.

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Die Ärztin Gerlind Läger spricht bei einer Demonstration in Oelsnitz.
Die Ärztin Gerlind Läger spricht bei einer Demonstration in Oelsnitz. © Archiv/Oliver Hach

Von Tobias Wolf, Ulrich Wolf und Oliver Hach

Ihre Auftritte bei Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen haben für eine Ärztin aus dem erzgebirgischen Oelsnitz juristische Folgen. Die Landesärztekammer hat gegen Gerlind Läger, Fachärztin für Innere Medizin, jetzt bei der Staatsanwaltschaft Zwickau Strafanzeige wegen Volksverhetzung erstattet.

Das Ermittlungsverfahren wird jetzt wegen der örtlichen Zuständigkeit in Chemnitz geführt, so ein Sprecher. Mit der Anzeige reagiert die Ärztekammer auf einen gemeinsamen Bericht der Sächsischen Zeitung und der Freien Presse über Ärzte in Sachsen, die öffentlich gegen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie mobilisieren.

Anlass der Strafanzeige ist eine Äußerung bei einer Demonstration von Corona-Skeptikern und -leugnern in Oelsnitz, bei der Läger als Rednerin aufgetreten war. Die Ärztin hatte am 23. November vor mehreren Hundert Menschen auf einen Zuruf aus dem Publikum hin gesagt: „Ja, die Maske ist der Stern. Ich bin schon froh, dass er nicht gelb sein muss.“ Läger, die sich offenkundig im Widerstand gegen die etablierte Politik und gegen führende Virologen und Epidemiologen sieht, zog bewusst diese Parallele zum Dritten Reich.

Kein Notdienst mehr für Läger

Die Äußerung verstoße nach Ansicht der Ärztekammer gegen strafrechtliche Bestimmungen und sei nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. „Ärztinnen und Ärzte müssen sich in ihrer Meinungsäußerung auch an gesetzlichen Schranken messen lassen“, so Sachsens Ärzte-Präsident Erik Bodendieck. Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes mit dem von der jüdischen Bevölkerung zur Vorbereitung ihrer Vernichtung zu tragenden gelben Judenstern zu vergleichen, verharmlose die Repression des NS-Regimes. Derlei Aussagen seien geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören.

Gerlind Läger will sich auf Nachfrage nicht zur Strafanzeige äußern. Bei öffentlichen Auftritten bezeichnet sie die Mund-Nasen-Bedeckung als „Maulkorb“. In Oelsnitz rief sie dazu auf, Kinder nicht mit Maske in die Schule zu setzen.

Läger darf im Rettungszweckverband Chemnitz-Erzgebirge wegen ihrer Maskenverweigerungshaltung keinen Notdienst mehr ausüben. Die Ärztin gehört zu einer Gruppe von etwa 300 Medizinern bundesweit, die in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel unter anderem erklärt hatte, die Corona-Sterberate gleiche „der einer mittelschweren saisonalen Grippe“.

Landesärztekammer bearbeitet 40 bis 50 Fälle

Eine Mehrheit der Ärzte im Erzgebirgskreis reagiere mit Empörung auf die öffentlichen Aktivitäten von Gerlind Läger, sagt Dirk Müller, Vorstand der Kreisärztekammer, der im Erzgebirgsklinikum Annaberg-Buchholz als Oberarzt tätig ist. Aufgabe der Ärzte sei es, wissenschaftlich fundiert zu agieren. Zu Covid-19 fehlten noch viele Erkenntnisse. Die Wissenslücken seien der Nährboden für Angstverbreitung mit dem Ziel der gesellschaftlichen Spaltung.

„Es mag sein, dass Frau Dr. Läger vielleicht tatsächlich keine schwer an Covid-19 erkrankten Patienten kennt, aber den meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen sind derartige Verläufe bekannt. Allzu gern würden wir sie zu einer morgendlichen Röntgenfalldemonstration oder zu einer Visite auf der Vielzahl von Covid-Stationen einladen“, so Müller. Klinische Bilder und Röntgenbefunde seien erschreckend.

Lägers Empfehlungen zur Missbilligung von Abstandsgebot oder Mund-Nasen-Schutz und die Betitelung als „Maulkorb“ und „Lappen“ oder Parallelen zum Nationalsozialismus seien nicht tolerabel, unethisch und beschmutzten unermüdliche Bemühungen in Gesundheitsämtern, Arztpraxen und stationären Einrichtungen.

Die Landesärztekammer hat in Sachen Corona-Protest derzeit 40 bis 50 Fälle auf dem Schirm. Schwerpunkte seien mutmaßliche Gefälligkeitsatteste und die Nichteinhaltung der Maskenpflicht in Arztpraxen. Im Fall von Gerlind Läger prüft die Staatsanwaltschaft Chemnitz jetzt, ob ein Anfangsverdacht wegen Volksverhetzung vorliege.