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Sachsens Innenminister stoppt Abschiebung von Robert A. aus Chemnitz

Obwohl Robert A. sein ganzes Leben in Deutschland verbracht hat, soll er nach Serbien abgeschoben werden. Das wurde von Sachsens Innenminister unterbunden. In Dresden demonstrieren viele Menschen für A.

Von Franziska Anders
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Armin Schuster hat entschieden, die Abschiebung von Robert A. nach Serbien vorerst zu stoppen.
Armin Schuster hat entschieden, die Abschiebung von Robert A. nach Serbien vorerst zu stoppen. © dpa/Kappeler; dpa/Kahnert

Chemnitz. Sachsens Innenminister Armin Schuster hat nach heftiger Kritik die Abschiebung eines Mannes nach Serbien unterbrochen. "Ich habe angeordnet, den Fall durch die Landesdirektion zu überprüfen", erklärte der CDU-Politiker. Nach Angaben des Sächsischen Flüchtlingsrates sollte der 31-jährige Robert A. heute dorthin abgeschoben werden, obwohl er kein serbischer Staatsbürger ist, das Land nicht kennt und auch kein Serbisch spricht. Politiker verschiedener Parteien hatten lautstark protestiert. Es ist nicht das erste Mal, dass die Abschiebepraxis sächsischer Behörden für Wirbel sorgt.

A. wurde am Freitag beim Besuch der Chemnitzer Ausländerbehörde in Gewahrsam genommen und ins Abschiebegefängnis nach Dresden gebracht. Heute sollte er nach Serbien abgeschoben werden.

Laut Flüchtlingsrat stammen die Eltern von Robert A. aus Serbien und waren 1993 vor dem Jugoslawien-Krieg zunächst in die Niederlande geflohen. Dort sei der Mann unter einem anderen Namen geboren worden und im Alter von acht Monaten nach Deutschland gekommen, hieß es. A. besitzt keine Staatsangehörigkeit. Weder Serbien, das Geburtsland seiner Eltern, noch die Niederlande oder Deutschland hätten ihn als Bürger ihrer Staaten anerkannt.

Er habe in Chemnitz seinen Schulabschluss und seine Ausbildung gemacht, stets aber nur eine Duldung besessen. "Ich kann diese Praxis nicht akzeptieren. Sie ist nicht gerecht. Sie ist unmenschlich. Sie vergiftet unser gesellschaftliches Zusammenleben. Ich ermutige alle, dagegen zu protestieren", sagte der SPD-Landtagsabgeordnete Frank Richter. Der Politiker setzt sich seit Jahren für Menschen in Sachsen ein, denen die Abschiebung droht.

Besuch im Abschiebegefängnis

Richter forderte die Härtefallkommission des Freistaates auf, sich umgehend für den Betroffenen einzusetzen. "Seine Abschiebung muss gestoppt werden!" Der Mann sei noch nie in Serbien gewesen und falle in ein Nichts: "Anders gesagt: Die sächsische Abschiebepraxis stößt ihn in ein Nichts. Als Angehöriger des Volkes der Roma dürfte ihm in Serbien außerdem sehr viel Ablehnung und Diskriminierung drohen, zumal er kein Serbisch spricht. Diese Abschiebung ist ein erneuter Tiefpunkt einer inhumanen Praxis, die letztlich der sächsische Innenminister zu verantworten hat."

Der SPD-Politiker hatte den Mann gemeinsam mit anderen gestern im Abschiebegefängnis besucht. "Robert spricht fließend Deutsch. Er hat alles Erdenkliche - und noch mehr, als ich mir hätte ausdenken können - getan, um sich in Deutschland zu integrieren." Ein falscher Namenseintrag durch die niederländischen Behörden verfolge ihn sein ganzes Leben. Er habe alles versucht, um diesen Fehler korrigieren zu lassen, unter anderem durch einen DNA-Test. Nach Angaben des Flüchtlingsrates hatten es die Behörde stets abgelehnt, dem Mann eine Arbeitserlaubnis auszustellen, da seine Staatsangehörigkeit nicht geklärt war.

Demonstration für Robert A. in Dresden

Am Montagnachmittag hatten sich nach Angaben eines SZ-Reporters mehr als 250 Menschen vor der Staatskanzlei in Dresden versammelt, um gegen die Abschiebung von Robert A. zu demonstrieren. Der SPD-Landtagsabgeordnete Richter sagte: "Wir brauchen keine Behörden, die Menschen wie Robert drangsalieren, sondern Menschen wie Robert, die uns hier weiterbringen." So eine starke Persönlichkeit gehöre hierher, satt abgeschoben zu werden.

Auch Roberto Mosatoczki von der bekannten Breakdance-Gruppe Saxonz unterstützt A. Sie seien in Chemnitz zusammen in die Schule gegangen und hätten zusammen getanzt. "Robert hat so viel für mich getan, dass es selbstverständlich ist, für ihn einzutreten. Robert hat mir beigebracht, dass wir nicht dumm sind, nur weil wir in der Förderschule sind", sagte Mosatoczki vor der Staatskanzlei.

Am Montagnachmittag kamen viele Menschen zu einer Kundgebung des Sächsischen Flüchtlingsrates vor die Staatskanzlei in Dresden.
Am Montagnachmittag kamen viele Menschen zu einer Kundgebung des Sächsischen Flüchtlingsrates vor die Staatskanzlei in Dresden. © SZ/Gunnar Klehm

Auch drei Geschwister von Robert waren vor Ort. Saniela Grisevic (23) sagte, es sei "ermutigend, dass spontan so viele Menschen hier zusammengekommen sind." Sie hat die deutsche Staatsbürgerschaft, weil sie hier in Deutschland geboren ist. Halbschwester Sabina nicht. Sie habe nur eine Aufenthaltsgenehmigung, habe aber die Staatsbürgerschaft beantragt. Sabina fühle sich durch die Veranstaltung "mit dem Thema gesehen, das ist wichtig".

Laut Dave Schmidtke vom Flüchtlingsrat soll die Haftanordnung für Robert A. inzwischen aufgehoben sein. "Die verhinderte Abschiebung kann nur ein erster Schritt sein", sagte Schmidtke. Jetzt müsse Robert endlich einen Aufenthaltstitel bekommen.

Petition gegen Abschiebung läuft

Der Sächsische Flüchtlingsrat hatte den Fall des Mannes am vergangenen Freitag publik gemacht. Dave Schmidtke, Sprecher des Flüchtlingsrates, startete eine Online-Petition. Sie war bis zum heutigen Mittag bereits von mehr als 23.000 Menschen unterzeichnet worden. "Seine Lebensgeschichte ist eine einzige Tortur, da er nie Sicherheit über seinen Aufenthalt besaß. Über Jahrzehnte muss er für Fehler seiner Eltern büßen und die zuständigen Behörden zeigen keinerlei Menschlichkeit in seinem Fall – egal, wie sehr sich Robert über die Jahre bemühte", erklärte Schmidtke. Am Wochenende hatten zudem 250 Menschen in Chemnitz für ein Bleiberecht für Robert A. demonstriert.

Seine Unterstützer verweisen darauf, dass der Mann gut integriert ist und sich als Mitglied der Grünen in Chemnitz auch politisch engagiert. Grünen-Landesvorsitzende Christin Furtenbacher rief Innenminister Schuster in der Leipziger Volkszeitung auf, aktiv zu werden und die Abschiebung zu stoppen. "Statt einen Weg zu finden, ihm den Weg in den Arbeitsmarkt zu öffnen, soll er nun in ein Land abgeschoben werden, was er nicht kennt und in dem er nie gelebt hat." Schuster teilte mit, dass der Sachverhalt in Abstimmung mit der Ausländerbehörde der Stadt Chemnitz überprüft werde.

Warum es Robert A. drei Jahrzehnte lang nicht möglich war, einen regulären Aufenthalt in Deutschland zu erlangen, muss geklärt werden, sagt auch Linken-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel. "Wir fordern eine Lösung für ihn und ähnlich gelagerte Fälle: Die Ausländerbehörden müssen flexible Einzelfall-Lösungen suchen und befördern. Das Innenministerium muss damit aufhören, Menschen rauszuwerfen, die Teil dieser Gesellschaft sind!“, teilt sie mit.

Laufendes Ermittlungsverfahren gegen Robert A.

Als A. 2016 seine Ausbildung abschloss, hätte er laut Sächsischem Flüchtlingsrat zahlreiche Arbeitsangebote bekommen. "Doch die Ausländerbehörde der Stadt Chemnitz lehnte es stets ab, ihm eine Arbeitserlaubnis auszustellen, da seine Staatsangehörigkeit nicht geklärt sei", heißt es. Der Sächsische Flüchtlingsrat mahnt an, dass schon alleine die Tatsache, dass Robert A. sein Leben lang nur geduldet war, rechtlich problematisch sei.

Wie die Freie Presse berichtet, wurde A. vor vier Jahren straffällig. Wegen Drogenhandels verurteilte ihn ein Gericht zu zwei Jahren Haft, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Die Strafe ist laut dem Bericht abgegolten, sie hätte allerdings erhebliche Auswirkungen auf sein Bleiberecht. Zudem soll derzeit ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen A. laufen. Wie die LVZ berichtet, wird A. verdächtigt, einen Diebstahl begangen zu haben. Wegen der Anschuldigungen saß er zwischenzeitlich schon in Untersuchungshaft.

Auch in der Vergangenheit Kritik an Abschiebungen

In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Kritik an der sächsischen Abschiebepraxis gegeben. 2023 war ein Mann aus Pakistan bei einem Termin im Gesundheitsamt von Hoyerswerda von Polizisten in Gewahrsam genommen worden.

2021 war eine neunköpfige Familie aus Georgien betroffen. Nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes musste sie nach Sachsen zurückgeholt werden.

Im vergangenen Jahr drohte einem in Chemnitz lebenden Vietnamesen die Abschiebung. Er war 1987 als Vertragsarbeiter in die DDR gekommen und hatte später ein dauerhaftes Bleiberecht bekommen. Er verlor es wieder, weil er länger als erlaubt in seiner alten Heimat war. Später zog er nach Berlin um. (mit dpa)