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Der höchste Baum Sachsens stirbt

Die Riesenfichte im Nationalpark Sächsische Schweiz hat 400 Jahre allen Widrigkeiten getrotzt. Der Borkenkäfer bringt sie nun zu Fall.

Von Dirk Schulze
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Riesenfichte in der Kirnitzschklamm: Die Nadeln sind braun, ein untrügliches Zeichen für den Käferbefall.
Riesenfichte in der Kirnitzschklamm: Die Nadeln sind braun, ein untrügliches Zeichen für den Käferbefall. © Frank Strohbach

Als dieses Pflänzchen seine ersten Wurzeln in den Boden trieb, existierten noch keine Autos und keine Fahrräder, selbst die Dampfmaschine war noch nicht erfunden. In Sachsen tobte wahrscheinlich gerade der 30-jährige Krieg. In den darauffolgenden 400 Jahren wuchs die Fichte in der Kirnitzschklamm bei Hinterhermsdorf in der Sächsischen Schweiz immer weiter in die Höhe. Sie überragte und überlebte schließlich alle anderen Bäume um sich herum.

Mit einer Höhe von 62 Metern gilt die Riesenfichte als höchster Baum Sachsens. Was die Art der Gemeinen Fichte angeht, dürfte sie sogar das größte Exemplar in ganz Deutschland sein - und eines der höchsten in Europa. Der mächtige Stamm des Baumes hat einen Durchmesser von rund 1,60 Meter und weist in Brusthöhe einen Umfang von knapp fünf Metern auf. Drei erwachsene Menschen braucht es, um diesen Stamm zu umarmen.

Borkenkäfer hat Riesenfichte befallen

Jetzt ist die Krone des einst stolzen Baumes schütter geworden, die Nadeln haben sich braun verfärbt und fallen zu Boden. Der Grund: Der Borkenkäfer hat die Riesenfichte befallen - sie stirbt ab. Das teilt die Nationalparkverwaltung mit.

Der Nationalpark hat die Existenz der Riesenfichte immer so weit es ging unterm Deckel gehalten. Kein Schild weist auf den besonderen Baum hin, er wird in keinem Prospekt als Sehenswürdigkeit beworben - zu seinem Schutz. Die meisten Wanderer nahmen so nur den imposanten Fuß des Stammes war. Bis zur Spitze hinauf sehen kann man nicht, da die dicht stehenden Äste die Sicht behinderten.

Für Schlagzeilen hat der Baum dennoch bereits gesorgt. Vor einigen Jahren waren Unbekannte auf den Baum geklettert und hatten einen Geocache in 55 Metern Höhe versteckt, den andere Schatzsucher dann finden sollten. Nationalparkwächter entdeckten den Fremdkörper jedoch bei einer Routinekontrolle mit dem Fernglas und entfernten ihn wieder. Die Kletterei war damit vorbei.

Klimawandel lässt Bäume sterben

Die tief eingeschnittene Kirnitzschklamm bietet mit ihren kühlen Temperaturen und der guten Wasserversorgung eigentlich einen idealen Standort für Fichten und auch Weißtannen, erklärt Hanspeter Mayr von der Nationalparkverwaltung. Dies seien ganz ähnliche Bedingungen wie in den Wäldern Nordeuropas und den mitteleuropäischen Gebirgen, wo die Fichte in Höhenlagen von bis zu 1.700 Meter natürlicherweise vorkommt.

Aber auch diese geschützte Lage bei Hinterhermsdorf reichte in den vergangenen Jahren nicht aus. Erste Nachbarbäume der Riesenfichte wurden bereits 2017 Opfer der extremen Trockenheit und des anschließenden Borkenkäferbefalls. Zahlreiche weitere folgten. Viele dieser toten Fichten hat die Nationalparkverwaltung inzwischen unter schwierigsten Bedingungen am Steilhang fällen lassen, damit sie nicht unkontrolliert umstürzen und zur Gefahr für die Kahnfahrt auf der Oberen Schleuse werden.

Normalerweise garantiert eine gute Wasserversorgung ein starkes „Immunsystem“ bei der Fichte. Ohne Wasser aber kann der Baum kein Harz produzieren und ist den Attacken des Borkenkäfer wehrlos ausgeliefert. Sachsens Wälder haben seit drei Jahren mit einer anhaltenden Dürre zu kämpfen. So lässt sich sagen, dass auch die Riesenfichte dem Klimawandel zum Opfer fiel.

Mit 400 Jahren ältester Baum der Sächsischen Schweiz

Die Riesenfichte ist nicht nur der größte Baum Sachsens. Mit knapp 400 Jahren ist sie auch der älteste Baum der Sächsischen Schweiz. Das haben Experten bei der Analyse einer Stammbohrung ermittelt. Trotz dieses hohen Alters strotzte sie laut Angaben des Nationalparks vor Kraft und trug fast jedes Jahr über 200 Zapfen. In freier Natur können Fichten bis zu 600 Jahre alt werden.

Nationalparkleiter Ulf Zimmermann bedauert sehr, dass die Fichte nun ein Opfer des Borkenkäfers wurde: „Aber das ist der Lauf der Natur." Irgendwann müssten auch die Stärksten weichen und Platz für eine neue Generation machen, sagt Zimmermann. Die weitere Entwicklung des Klimas werde zeigen, welche Baumarten die Natur für die geeignetsten hält. Zahlreiche junge Tannen und Fichten würden bereits nachwachsen.

Im Jahr 2013 war der Borkenkäfer der Riesenfichte schon einmal gefährlich nahe gekommen. Experten des Nationalparks sahen ihr Ende schon gekommen, zahlreiche Bäume in der Umgebung starben ab. Damals war es der Fichte aber noch gelungen, den Käfer abzuwehren. Dieses Mal hatte sie der Übermacht nichts mehr entgegenzusetzen.

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