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Ernte '24: Oberlausitzer Bio-Bauern sorgen für Hoch-Zeit in Rätze-Mühle in Spittwitz

Gut zwei Wochen Getreideernte liegt hinter den Landwirten in der Region. Trotz Frost im Mai und dem anschließenden Regen haben die Öko-Landbauer eine gute Nachricht.

Von Miriam Schönbach
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Teamwork für Bio-Mehl aus der Region: Müllermeister Sebastian Unger, Landwirt Ignac Wjesela mit Tochter sowie Ronny Rebisch und Marko Schmole vor der neuen Mühle (v.l.n.r.) freuen sich über die gute Bioweizenernte in diesem Jahr.
Teamwork für Bio-Mehl aus der Region: Müllermeister Sebastian Unger, Landwirt Ignac Wjesela mit Tochter sowie Ronny Rebisch und Marko Schmole vor der neuen Mühle (v.l.n.r.) freuen sich über die gute Bioweizenernte in diesem Jahr. © Foto: Anne Hasselbach

Spittwitz. Ohne ihren ersten, prüfenden Blick und ihr Wissen geht in der Rätze-Mühle in Spittwitz gar nichts. Katrin Hasler schaufelt aus einem weißen Eimer ein paar Körner des frisch angelieferten Bio-Weizen. „Ich wasche jetzt den Kleber mit einer zweiprozentigen Salzlösung raus. Der Kleber ist das Gerüst zum Brotbacken. Er verbessert Teigfestigkeit, Geschmeidigkeit und Haltbarkeit von Broten. Dieses Jahr sind die Werte besser als im Vorjahr“, erklärt die Laborantin und arbeitet Schritt für Schritt ab.

Biobauer Marko Schmole aus Nucknitz drischt Triticale, eine Kreuzung aus Roggen und Weizen - und sorgt für Nachschub in der Rätze-Mühle.
Biobauer Marko Schmole aus Nucknitz drischt Triticale, eine Kreuzung aus Roggen und Weizen - und sorgt für Nachschub in der Rätze-Mühle. © Foto: Anne Hasselbach

Bei ihr im Labor am Fuß der Mühle im Gödaer Ortsteil stehen an diesem sonnigen Morgen Ronny Rebisch, Ignac Wjesela und Marko Schmole. Sie sind in diesen Tagen häufiger zum Abladen in der Rätze-Mühle. Hinter den Bauern liegen gut zwei Wochen Ernte. Das gute Wetter mussten sie nutzen, um das Getreide vom Schlag zu bekommen. „Der Frost Anfang Mai ist voll in die Weizenblüte hineingegangen, dann hat die Sonne gefehlt, die Erträge sind nicht so berauschend, dafür sind die Qualitäten beim Brotweizen dieses Jahr in Ordnung“, sagt Marko Schmole.

Biobauern-Stammtisch seit einem Jahr

Auf Initiative des Biobauern aus Nucknitz treffen sich seit einem Jahr in regelmäßigen Abständen er und seine Kollegen zum Austausch und Ideenschmieden. Ihr Ziel ist es, in der Region mit ihren Produkten sichtbarer zu werden und jene vor allem vor Ort zu vermarkten. Mit der Initiative Slow-Food Lausitz haben die Landwirte und die Rätze-Mühle das Projekt „Ährliches Original“ initiiert. Es soll dafür sorgen, dass ihr Bio-Getreide aus der Region in der Region verarbeitet wird – und vor allem den Endverbraucher erreicht. Ein eigenes Siegel ist für die „Ährlichen Originale“ geplant.

Laborantin Katrin Hasler prüft unter anderem den Klebergehalt im Weizen: Ihr Urteil: Gute Qualität 2024.
Laborantin Katrin Hasler prüft unter anderem den Klebergehalt im Weizen: Ihr Urteil: Gute Qualität 2024. © Foto: Anne Hasselbach

Katrin Hasler nimmt aus dem Inframatic - dem Getreide-Analysator – einen weißen Klumpen, der nicht größer als Kaugummi ist. Die gelernte Schäferin und Autodidaktin knetet den ausgewaschenen Kleber nochmals und zieht ihn dann zwischen den Fingern auseinander, ohne dass er reißt. „Gute Qualität“, bestätigt sie Ronny Rebisch. Die Probe kommt frisch vom Hänger des Bio-Landwirts aus Cannewitz. Das Urteil freut ihn. Im vergangenen Jahr, weiß Müller Sebastian Unger, fiel Regen in die reife Ernte. „Der Weizen konnte nur noch als Futter verwendet werden“, sagt er.

Körner-Welle: Bio-Landwirt Ronny Rebisch und Müllermeister Sebastian Unger laden das frische Korn ab.
Körner-Welle: Bio-Landwirt Ronny Rebisch und Müllermeister Sebastian Unger laden das frische Korn ab. © Foto: Anne Hasselbach

Sebastian Unger führt mit seinem Bruder Johannes das Familienunternehmen in der achten Generation. Die Rätze-Mühle gründet 1772 Johannes Rätze als Klostermühle zu Panschwitz-Kuckau. „In der alten Mühle mahlen wir unsere Spezialmehle“, sagt Sebastian Unger. Der Neubau an der Hauptstraße zwischen Bautzen und Bischofswerda mit Labor entstand 1991. Auf einer großen Schalttafel an der Wand leuchten an diesem Morgen kleine Lampen. Das Weizen- und Roggen-System ist gerade im Betrieb. Gemahlen werden bis etwa Weihnachten noch Saaten aus dem Jahr 2023.

Denn die frische Ernte wird eingebunkert und darf „ruhen“, bevor sie zu Mehl verarbeitet wird. „Wir machen zehn Prozent Bio, der Rest ist konventionelles Getreide, dass wir hier verarbeiten. Unser Ziel ist es, so regional wie möglich einzukaufen. Zum Glück bekommen wir in diesem Jahr wieder sehr gute Bio-Saaten von den Feldern hier“, sagt Müllermeister Sebastian Unger. Doch nicht nur Bio-Weizen bringen die Landwirte in die Mühle: Emmer, Dinkel, Champagner-Roggen, Nacktkhafer, Einkorn, aber auch Leguminosen – Hülsenfrüchtler wie Ackerbohne oder Lupine – macht die Mühle zu Mehl.

Das Biomehl-Sortiment ist inzwischen groß in der Rätze-Mühle. Müllermeister Sebastian Unger zeigt hier Bio-Dinkelmehl, Bio-Weizenmehl und Bio-Roggenmehl.
Das Biomehl-Sortiment ist inzwischen groß in der Rätze-Mühle. Müllermeister Sebastian Unger zeigt hier Bio-Dinkelmehl, Bio-Weizenmehl und Bio-Roggenmehl. © Anne Hasselbach

Abnehmer ist nicht nur der eigene Hofladen. „Ricos Backstübl“ in Bautzen, der Knappensee-Bäcker Bleschke Bäckerei Scholze in Ralbitz-Rosenthal oder Bäckerei Gisa in der Gemeinde Neißeaue backen mit dem Bio-Sortiment. Göhler´s Feinbäckerei in Stolpen kauft inzwischen genauso wie die Bio-Bäckerei Spiegelhauer mit Sitz in Lohmen. Jene Handwerker bekommen sogar Demeter-Qualität. Das ist nochmals eine Spezial-Zertifizierung für Bio-Getreide. Auf den Felder von Ignac Wjesela aus Crostwitz wächst inzwischen eine kleine Menge „Pirnaischen Roggen“. Gemeinsam wollen Bäckerei und Landwirt die alte Getreidesorte auch für den Backofen wiederbeleben.

"Mecklenburger Backstube" bäckt mit Rätze-Mehl

Übrigens backen auch die Mecklenburger Backstuben aus Waren mit Bio-Mehl aus der Rätze-Mühle. „Damit die Urlauber nicht auf den Geschmack der Heimat verzichten müssen“, sagt Sebastian Unger lachend. Mit 460 Mitarbeitenden gehört die Bäckerei zu den größten Arbeitgebern in der Lebensmittelbranche in Mecklenburg-Vorpommern. Auch in Neukircher Zwieback und Eierkuchenmehl von Komet aus Großpostwitz stecken übrigens Mehle der Spittwitzer Müller.

Bio-Landwirt Ignac Wjesela mit Tochter Jasna Róża im Mühlenladen: Sein Nackthafer gibt es in einer speziellen Tüte. Überhaupt können die Kunden auf dem Etikett der Bio-Produkte erkennen, welcher Landwirt das Getreide angebaut hat.
Bio-Landwirt Ignac Wjesela mit Tochter Jasna Róża im Mühlenladen: Sein Nackthafer gibt es in einer speziellen Tüte. Überhaupt können die Kunden auf dem Etikett der Bio-Produkte erkennen, welcher Landwirt das Getreide angebaut hat. © Anne Hasselbach

Von der neuen Mühle sind es nur wenige Schritte bis in den Mühlenladen. Für den Abstecher dorthin bleibt den Bio-Landwirten nur wenig Zeit. Schließlich ruft der Acker wieder: „Corinna“ will bei Ignac Wjesela aus dem Boden. Das heißt Kartoffelernte. Bauer Schmole will in den Stall, die Sauen müssen umgestellt werden und Ronny Rebisch will sich um Nacharbeiten auf dem Feld kümmern. Denn eine Bauernweisheit gilt auf jeden Fall für alle: „Nach der Ernte ist vor der Ernte“.