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Lebensretter im Ehrenamt: Feuerwehr Geißmannsdorf wünscht sich Nachahmer

Die Retter im kleinen Bischofswerdaer Ortsteil sind bereit, auf spezielle Weise Leben zu retten. Ihr Vorbild könnte im Landkreis Bautzen Schule machen.

Von Miriam Schönbach
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Freude bei Carsten Herkner, Michael Friedmann und Ortswehrleiter Peter Sicker (v.l.): Am Feuerwehrgerätehaus in Geißmannsdorf gibt es jetzt einen öffentlichen Defibrillator. Er ist Teil der Lebensretter-Region Ostsachsen.
Freude bei Carsten Herkner, Michael Friedmann und Ortswehrleiter Peter Sicker (v.l.): Am Feuerwehrgerätehaus in Geißmannsdorf gibt es jetzt einen öffentlichen Defibrillator. Er ist Teil der Lebensretter-Region Ostsachsen. © Steffen Unger

Geißmannsdorf. Selbst in der Nacht ist der Defibrillator am Feuerwehrgerätehaus der Ortswehr Geißmannsdorf zu sehen. Leuchtend signalisiert der Schockgeber: Ich bin ein Lebensretter. Das medizinische Gerät gehört zur Standardausrüstung auf dem neu angeschafften HLF 10. „Wir haben uns gesagt, der Defi muss doch nicht auf dem Auto hinter verschlossenen Türen liegen, sondern kann außen angebracht werden, damit er für alle nutzbar ist“, sagt Michael Friedmann, Bischofswerdas stellvertretender Gemeindewehrleiter und Geißmannsdorfer Feuerwehrmann.

Doch der neue Defi in dem Bischofswerdaer Ortsteil steht noch für mehr. Er zeigt, Geißmannsdorf ist jetzt Teil der Lebensretter-Region Ostsachsen. Deren Ziel ist es, Menschen, die sich mit Wiederbelebung auskennen, aber nicht Bestandteil der Alarmierungskette sind - also Ärzte, Pfleger, Rettungsdienstmitarbeiter oder auch Feuerwehrleute, die nicht im Dienst sind - besser mit den Einsatzkräften zu vernetzen. Über ein App-basiertes System können die Rettungsleitstellen registrierte Ersthelfer übers Smartphone in der unmittelbaren Nähe des Notfalls orten und alarmieren.

Rund ein Alarm pro Tag über die Lebensretter-App

Das ostsächsische Modell bezeichnet Dr. Carsten Herkner als ein Pilotprojekt. Ins Leben gerufen wurde es 2022, getragen von der Integrierten Rettungsleitstelle Ostsachsen und dem Klinikum Oberlausitzer Bergland. Herkner, Zahnarzt aus Bautzen, ist von Beginn an Teil der Lebensretter-Initiative. Er weiß, der plötzliche Herztod ist eine der häufigsten Todesursachen. Über 70.000 Menschen erleiden jährlich in Deutschland einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Es kann jeden treffen: Junge und Alte, Sportler und Couch-Potatoes. Bis der Rettungsdienst kommt, ist es oft zu spät.

Auch in Dresden sowie den Landkreisen Meißen und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge ist am 1. September 2024 diese Notfall-Alarmierung von Ersthelfern an den Start gegangen. In Ostsachsen hat die Lebensretter-App in den vergangenen zwölf Monaten 362-mal Alarm ausgelöst. „Also rund ein Alarm pro Tag“, sagt Carsten Herkner. Neun davon fielen auf den Bereich Bischofswerda. In der gesamten Region zwischen Neiße, Spree und Schwarzwasser sind mehr als 900 Ersthelfer registriert, knapp 80 Defibrillatoren sind im System, davon nur die Hälfte öffentlich zugänglich.

Weiße Flecken in Kamenz, Hoyerswerda, Bischofswerda

Und: „Wir sehen in Städten wie Zittau, Görlitz oder Bautzen eine bessere Abdeckung, einige kleine Gemeinden wie Doberschau-Gaußig, Hochkirch, Großpostwitz oder Kubschütz sind beispielhaft. Hoyerswerda, Kamenz und Bischofswerda sind aber weiße Flecken“, sagt der Notfallmediziner. In Bischofswerda befindet sich zum Beispiel ein weiterer Defibrillator, kurz AED, im Bürgerbüro und im Sommer im Freibad - nach den Öffnungszeiten allerdings unerreichbar. Drei weitere AEDs sind an die Feuerwehren angedockt, unzugänglich, wenn niemand da ist.

An dieser Stelle kommt die Geißmannsdorfer Ortswehr ins Spiel und die Freundschaft zwischen Michael Friedmann und Carsten Herkner. Die zwei kennen sich schon länger, haben sich immer mal wieder über das Projekt ausgetauscht. Irgendwann entstand die Idee: Warum können nicht auch Feuerwehrleute als Ersthelfer im System hinterlegt werden? Gesagt, getan: „Alle Feuerwehrleute haben eine medizinische Grundausbildung, sie ist aber nicht speziell genug für die Arbeit am Patienten, gerade in solchen Notfällen wie einem Herz-Kreislauf-Stillstand“, sagt Michael Friedmann.

Extra-Training zu Reanimation und Beatmung

Trotzdem ist dieses Vorwissen eine gute Grundlage für eine Weiterbildung der ehrenamtlichen Helfer. Nach einer kurzen Rückfrage bei den Kameraden aus Geißmannsdorf gab es ein kräftiges Nicken und das Okay. So traten im Juni gut 15 Kameraden in der Freizeit zum Extra-Trainingstag an – Theorie und Praxis, inklusive Üben der Herzdruckmassage, Beatmung und Handhabung des Defis, standen auf dem Stundenplan. Den Kurs hat die Stadt Bischofswerda aus dem Budget für ihre Feuerwehren bezahlt.

Carsten Herkner bezeichnet auch die Geißmannsdorfer Initiative als Leuchtturmprojekt. Aktuell entwickelt das Deutsche Rote Kreuz als Partner in der Lebensretter-Region eine Online-Schulung für genau solche Interessenten – Feuerwehrleute, Rettungsschwimmer oder Polizisten – mit medizinischem Grundwissen. Die Theorie könne zu Hause und individuell gelernt werden. „Der Praxisteil findet dann in Präsenz statt“, sagt Carsten Herkner. Es ist ein weiterer Schritt, damit die Region der Lebensretter in Ostsachsen weiterwächst – und die weißen Flecken in der FirstAED-App immer weniger werden.

Sobald das neue Kursformat online ist, können für den Landkreis Bautzen interessierte Helfer hier einen Kurs buchen.