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Keine Angst vor der Welt der Zahlen

Sachsen braucht Fachkräfte, vor allem im technischen und naturwissenschaftlichen Bereich. Doch gerade hier tun sich viele Schüler schwer. Vor allem Mathe ist ein Angstfach. Doch es gibt Abhilfe – und greifbare Erfolge.

Von Annett Kschieschan
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In der Grundschule passt es oft noch, doch Formeln, Kurven, Ableitungen, Stochastik machen die Mathematik für viele Schüler zum Angstfach. Schulen können mit lebensnahen und praxisbezogenen Lernbeispielen gegensteuern.
In der Grundschule passt es oft noch, doch Formeln, Kurven, Ableitungen, Stochastik machen die Mathematik für viele Schüler zum Angstfach. Schulen können mit lebensnahen und praxisbezogenen Lernbeispielen gegensteuern. ©  Pixabay (Symbolfoto)

"Wenn nur Mathe nicht wäre!“ Dieser Ausruf eint Generationen von Schülern. Neben Sport ist Mathematik das Fach, das Schülern durchaus im Wortsinn Bauchschmerzen bereitet. Und ist die Angst erst einmal da, fällt es oft schwer, sich konstruktiv an das Füllen der Wissenslücken zu machen. Dabei – und auch dazu gibt es Untersuchungen – finden viele Kinder, Jungen wie Mädchen, die Welt der Zahlen spannend. Oft geht die Begeisterung irgendwann zwischen den letzten Grundschuljahren und der achten Klasse verloren. Oft, weil sich fehlendes Grundlagenwissen im straffen Lehrplan nicht gut nachholen lässt. Ist der Zug abgefahren, bleiben die Schüler oft bis zum Schulabschluss zurück.

Allein zwischen 2021 und 2022 haben die erreichten Punkte deutscher Jugendlicher im Pisa-Test für Mathematik um 39 Punkte abgenommen. Nach Einschätzung von Experten entspricht das einem Rückstand von einem kompletten Schuljahr. Auch in den anderen sogenannten MINT-Fächern - das Kürzel steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – sieht es vielfach nicht rosig aus. Das MINT-Nachwuchsbarometer, herausgegeben von der acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und der Joachim Herz Stiftung, sieht dafür mehrere Gründe. „Während vor zehn Jahren die sogenannten Spitzen- und Risikogruppen in den PISA -Studien noch etwa gleich groß waren, hat sich seitdem die Spitzengruppe halbiert und die Risikogruppe verdoppelt“, heißt es darin. Besonders Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund zählten häufig zur Risikogruppe und würden nicht gut genug in das deutsche Schulsystem integriert. Zudem sei der Unterricht, vor allem in Mathe, „oftmals wenig kognitiv aktivierend“. Kinder und Jugendliche erleben selten, dass ihnen das Erlernte im Alltag etwas nützt. Hier sei ein grundlegendes Umdenken gefragt.

Neu ist die Erkenntnis nicht. Und unter anderem in Sachsen arbeitet man inzwischen aktiv daran, die Begeisterung für MINT-Fächer zu stärken. Aus gutem Grund: Der Fachkräftemangel ist in naturwissenschaftlich und technisch geprägten Berufsbildern besonders hoch. Wollen der Halbleiterstandort Silicon Saxony und die Biotech-Region Leipzig weiter wachsen und die Großforschungszentren in Görlitz und Bautzen nicht vergeblich nach Mitarbeitern suchen, muss der Nachwuchs mehr Lust auf MINT bekommen.

Mädchen besonders im Fokus

Und das tut er, wie die jüngste Auszeichnung „MINT-freundlicher Schulen“ zeigt. Insgesamt neun Bildungseinrichtungen, darunter Gymnasien in Bischofswerda, Borna, Kirchberg, Hoyerswerda. Leipzig und Niesky sowie die Oberschule Mockrehna und immerhin auch zwei Grundschulen aus Dresden und Leipzig, können sich über die Ehrung freuen. Was sie besser als andere machen? Sie nutzen „mit außerordentlichem eigenen Antrieb auch Potenziale vor Ort, um in diesem Bereich Kompetenzen auszubilden und weiterzuentwickeln“, so Kultus-Amtschef Wilfried Kühner bei der Auszeichnungsveranstaltung. Die Schulen seien „wichtige Botschafter für gut gelungene MINT-Bildung.“

Und auch bei der TU Dresden freut man sich über jeden Meilenstein in Sachen MINT-Begeisterung. „Hinter dem Erfolg dieser Schulen stehen engagierte Schulleitungen und Lehrkräfte, die mit Kreativität und hohem zeitlichen Engagement MINT-Bildung vermitteln. Als TU Dresden unterstützen wir diese Schulen, indem wir aktuelle Forschung in unseren Laboren und in der Schule angepasst für alle Altersgruppen direkt erlebbar machen. So tragen wir dazu bei, frühzeitig Begeisterung und Interesse an MINT zu wecken und über die Schullaufbahn zu erhalten“, so Prof. Michael Kobel, Prorektor Bildung an der TU, an der jetzt auch die Auszeichnungsveranstaltung stattfand.

Auch die MINT-Vereins-Community nutzte dabei die Möglichkeit, sich und ihre Arbeit vorzustellen. „MINT Zukunft schaffen!“ ist nur eine Initiative, die sich hier engagiert. Speziell an Mädchen wendet sich etwa die Girls Day Akademie Dresden, die Schülerinnen unter anderem mit Frauen zusammenbringt, die im MINT-Bereich erfolgreich sind. Das Angebot wird gut nachgefragt, die nächste Runde startet in diesem Herbst. Denn auch hier lautet eine der wichtigsten Erkenntnisse: Viele Kinder und Jugendliche haben durchaus Lust auf Naturwissenschaft und Technik, auf Informatik und sogar auf Mathe. Die Art und Weise, wie ihnen Inhalte vermittelt werden, wie sehr sie sich und ihre Interessen einbezogen sehen, entscheidet, ob die Lust irgendwann im Schulalltag verloren geht oder später vielleicht sogar in einen entsprechenden Beruf mündet. Ein erster Schritt wäre, dass Mathe und Co. dem Nachwuchs keine Angst mehr machen.