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Sachsen stellt zum Schuljahr mehr als 770 neue Lehrer ein

Lehrermangel und Unterrichtsausfall gehören zum Schulalltag in Sachsen. Seiteneinsteiger und pädagogische Hilfskräfte helfen, Lücken zu schließen – den Bedarf deckt das aber nicht.

Von Andrea Schawe
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Sachsens Kultusminister Christian Piwarz: "Es ist kein Geheimnis, dass wir natürlich gern mehr Lehrkräfte eingestellt hätten, wenn sich auch mehr beworben hätten."
Sachsens Kultusminister Christian Piwarz: "Es ist kein Geheimnis, dass wir natürlich gern mehr Lehrkräfte eingestellt hätten, wenn sich auch mehr beworben hätten." ©   dpa/Robert Michael

Dresden. In Vorbereitung auf das neue Schuljahr hat Sachsen bisher 773 neue Lehrerinnen und Lehrer eingestellt. Das sind 88 Prozent der Bewerber mit abgeschlossener Lehrerausbildung. Dazu kommen noch 120 pädagogische Hilfskräfte an Förderschulen, die jedoch keine Förderschullehrer ersetzen. Außerdem beginnen am Montag auch 140 Seiteneinsteiger mit dem Unterricht. Sie sind schon im Mai eingestellt worden und haben ihre eine dreimonatige Einstiegsqualifikation absolviert.

Die meisten Einstellungen gab es mit 288 Personen an Gymnasien und 285 an Grundschulen. An Förderschulen wurden 199 Personen eingestellt, an Oberschulen 168 und an Berufsschulen 83. An Gemeinschaftsschulen wurden fünf Stellen besetzt.

Trotz der Neueinstellung von insgesamt mehr als 1.000 Personen fehlen zu Beginn des neuen Schuljahres weiterhin Lehrer, vor allem an Ober- und Förderschulen. Die Absicherung des Unterrichts bleibt eine Herausforderung, sagte Kultusminister Christian Piwarz (CDU) am Mittwoch. "Es ist kein Geheimnis, dass wir natürlich gern mehr Lehrkräfte eingestellt hätten, wenn sich auch mehr beworben hätten."

Eine positive Nachricht sei, dass von den 877 ausgebildeten Bewerbern insgesamt 220 aus anderen Bundesländern kamen, vor allem aus Thüringen und Sachsen-Anhalt. Zwei Drittel von ihnen haben das Einstellungsangebot angenommen. Das zeige, dass der Freistaat ein attraktiver Arbeitgeber zu sein scheint, sagte Piwarz.

Schülerzahlen steigen

Während an den Grundschulen der Lehrerbedarf mittlerweile fast vollständig gedeckt werden kann, fehlt an Ober- und Förderschulen weiterhin massiv Personal. Nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) konnten an beiden Schularten nur 68 Prozent der geplanten Einstellungen erfüllt werden.

Auch an Berufsschulen sei die Lehrergewinnung schwierig, so Piwarz. Bewerber fehlen außerdem im Erzgebirge, in Chemnitz und Umgebung sowie in den Landkreisen Görlitz und Bautzen.

Um kurzfristig Unterrichtsausfall zu vermeiden, werden Lehrer von einer Schule ganz oder teilweise abgeordnet. Dazu kommt noch das Programm "Unterrichtsversorgung", bei dem kurzfristig Absolventen des Lehramtsstudiums einspringen. Außerdem haben Schulen ein Budget für Lehrerarbeitsvermögen, mit dem sie zusätzliches Personal befristet einstellen können.

Piwarz betonte, dass mehr Lehrkräfte eingestellt werden als ausscheiden. "Aber die steigende Schülerzahl können wir nicht kompensieren." 2024/2025 sind es nach Angaben des Kultusministeriums insgesamt etwa 536.000 Kinder und Jugendliche, nach 517.711 im vorigen Schuljahr. Bei den Erstklässlern gab es erstmals einen Rückgang von 41.200 auf 40.500.

Die Gewerkschaft bezweifelt das. "Mit knapp 1.000 neuen Lehrkräften werden nicht einmal die Kolleginnen und Kollegen ersetzt, die im Laufe des Schuljahres aus dem Schuldienst ausscheiden", sagte Sachsens GEW-Chef Burkhard Naumann.

Nach Angaben des Kultusministeriums sind in diesem Jahr etwa 1.600 Lehrerinnen und Lehrer aus dem Schuldienst ausgeschieden.

Prognose: Sachsen braucht dieses Schuljahr 2.100 Lehrer

Nach der Lehrerbedarfsprognose des Kultusministeriums von 2019 müsste Sachsen in diesem Schuljahr etwa 2.100 Lehrerinnen und Lehrer einstellen, um den Unterricht zu 100 Prozent abzusichern – eine Reserve für Ausfälle wegen Krankheit, Weiterbildung oder zusätzliche Förderung nicht mitgerechnet.

Dazu kommen noch die freien Stellen aus den vergangenen Jahren, die auch nicht besetzt werden konnten. Im Schuljahr 2023/24 fehlten nach Angaben des Kultusministeriums 1.086 Vollzeitlehrkräfte, um die Stundentafel komplett zu erfüllen.

Die Gewerkschaft rechnet mit einem viel höheren Bedarf: Für eine 100-prozentige Abdeckung des Unterrichts in allen Schularten, eine volle Absicherung für Krankheitsfälle über den Ergänzungsbereich und die zusätzlichen Lehrer, die durch die steigende Schülerzahl nötig sind, müsste Sachsen 3.500 Stellen besetzen.

Gewerkschaft: "Verheerendes Gesamtbild"

"Wir haben ein verheerendes Schuljahr vor uns", sagte GEW-Chef Burkhard Naumann. Der Lehrkräftemangel werde sich weiter verschärfen. Das habe Folgen für die Bildungsgerechtigkeit: Ein historisch hoher Unterrichtsausfall und die extrem hohe Belastung der Lehrkräfte führten dazu, dass die Qualität der Bildung in Sachsen sinkt.

Naumann erneuerte deshalb seine Forderung nach einem Bildungspaket. "Die Politik muss jetzt endlich die Mangelverwaltung beenden und einen zukunftsfähigen Plan vorlegen." Dabei gehe es um zusätzliches Geld für den Ausbau multiprofessioneller Teams an allen Schulen, eine Klassenleiterstunde, ein Halte-Programm für ältere Lehrkräfte, gezielte Unterstützung von Schulen nach einem Sozialindex, den Ausbau der IT-Ausstattung und mehr Sozialarbeiter an Schulen.

Auch der sächsische Lehrerverband zeigte sich angesichts der Zahlen besorgt. "Wir haben jahrelang auf die Notwendigkeit umfangreicher Einstellungen neuer, grundständig ausgebildeter Lehrkräfte hingewiesen", sagte der Landesvorsitzende Michael Jung. "Eine vorausschauende Personalpolitik hätte nicht nur den Bestand langfristig gesichert, sondern auch für eine ausgewogene Altersstruktur in den Kollegien gesorgt."

Die Konsequenzen seien "gravierend": geplanter Unterrichtsausfall vom ersten Schultag an, notwendige Kürzungen des Stundendeputats in vielen Schulen, auch in den MINT-Fächern, und Verzögerungen bei der Ausgabe von Stunden- und Dienstplänen wegen einer ungeklärten Personalsituation. "Es ist höchste Zeit für einen Kurswechsel in der sächsischen Bildungspolitik", sagte Jung. Die Landesregierung müsse endlich die notwendigen Schritte unternehmen, um die Attraktivität des Lehrerberufs in Sachsen zu steigern und eine nachhaltige Personalpolitik zu implementieren.