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Ukrainer verkaufen in Wilthen frisches Sushi

Serhii und Anna Rybalka haben sich mit einem Sushi-Stand in Wilthen selbstständig gemacht. Für die Ukrainer ist es der Start in ein neues Leben in Deutschland.

Von Bettina Spiekert
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Anna und Serhii Rybalka verkaufen seit Mai aus einem Verkaufsanhänger heraus Sushi in Wilthen. Schon nach drei Monaten haben sie Stammkunden.
Anna und Serhii Rybalka verkaufen seit Mai aus einem Verkaufsanhänger heraus Sushi in Wilthen. Schon nach drei Monaten haben sie Stammkunden. © Steffen Unger

Wilthen. Während draußen derzeit 30 Grad und mehr herrschen, haben es Serhii Rybalka und seine Frau Anna an ihrem Arbeitsplatz angenehm kühl. In ihrem mobilen Verkaufsstand auf dem Caravanplatz in Wilthen gleich neben dem Discounter Netto gibt es eine Klimaanlage. Schließlich wird hier mit frischem Fisch gearbeitet. Fish & Sushi haben die beiden Ukrainer ihren Food Truck und damit ihr Geschäft getauft. Vor drei Monaten ging das erste Sushi über die Ladentheke.

Wer etwas Zeit mitbringt, kann sich genau anschauen, wie Serhii Rybalka die verschiedenen Sushi-Variationen zubereitet und seine Frau Anna die kleinen Häppchen aus Reis, Fisch und Gemüse appetitlich anrichtet. „Die meisten unserer Kunden holen sich ihr Sushi allerdings nach Vorbestellung bei uns ab“, sagt die 34-jährige Ukrainerin. So können die beiden garantieren, dass alles auch wirklich frisch an die Kunden geht. Vorm Start hat sich auch die Lebensmittelüberwachung davon überzeugt, sagt Anna Rybalka.

Sushi-Erstkäufer bestellen oft Maki

Das Angebot an Maki, Inside-Out-Sushi oder Rollen mit Deluxe-Füllung wie Jakobsmuscheln hat sich nicht nur in Wilthen schnell herumgesprochen. „Inzwischen haben wir sogar schon Stammkunden“, freut sich der 32-jährige Serhii. Einen Trend hat der Sushi-Koch dabei schon ausgemacht. „Wer bei uns das erste Mal bestellt, nimmt meist Maki. Erst bei der zweiten Bestellung trauen sich die meisten an die anderen Sushi-Sorten“, ist sein Eindruck.

Bei Maki werden Reis, Fisch und Gemüse meist mit einem Noriblatt gerollt. Bei Inside-Out-Sushi werden die Zutaten wie Fisch und Gemüse direkt vom Noriblatt umhüllt, und der Reis befindet sich außen an der Rolle. Damit die Kunden wissen, was sie kaufen, sind auf der Speisekarte von Fish & Sushi die einzelnen Sushi-Sorten abgebildet.

Dass Anna und Serhii Rybalka einmal in einem eigenen Verkaufswagen und noch dazu in Deutschland Sushi zubereiten und verkaufen würden, hätten sie sich noch vor wenigen Jahren nicht im Traum ausdenken können. In ihrer Heimat Kiew haben die beiden immer gerne Sushi gegessen, „das hat schon immer zu unseren Lieblingsspeisen gehört“, sagt Anna Rybalka. Nicht umsonst lautet die deutsche Übersetzung ihres Nachnamens Angler.

Schon in der Heimat als Sushi-Koch gearbeitet

Serhii, der in seiner Heimat eine Ausbildung als Lokführer gemacht hat, wollte seine Leidenschaft für das japanische Traditionsessen dann auch beruflich umsetzen und schulte um. Zwei Jahre habe er in der ukrainischen Hauptstadt als Koch in einem angesagten Sushi-Restaurant gearbeitet. „Mein Chef war mehrfach in Japan und hat sich ausbilden lassen. Sein Wissen hat er uns dann weitergegeben“, erzählt er.

Als am 24. Februar 2022 der Krieg in der Ukraine ausbrach, floh Anna Rybalka wenige Tage später nach Deutschland. In der 34. Woche schwanger war die ausgebildete Buchhalterin mit ihrer damals sechsjährigen Tochter Kristina tagelang unterwegs und kam über Berlin und Dresden nach Wilthen. Ihr Mann Serhii, der aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Armee dienen kann, folgte ihr wenige Monate später nach.

Wie so viele Ukrainer gerieten die beiden Kiewer auch aufgrund der Sprachbarriere in eine berufliche Warteschleife. Doch sie wollten nicht darauf warten, bis die passende Arbeit zu ihnen kommt, sondern selbst aktiv werden.

Mit Businessplan in die Selbstständigkeit gestartet

„Wir hatten schnell die Idee, uns selbstständig zu machen. Aber erst durch einen Freund, der schon lange in Deutschland lebt und in der Lebensmittelbranche arbeitet, schien das realistisch. Denn er kannte sich aus, wusste, was man zu beachten hat, wenn man Lebensmittel in Deutschland zubereiten und verkaufen will“, sagt der Sushi-Koch.

Gemeinsam mit ihm erarbeitete das Ehepaar einen Businessplan und landete damit bei Veit Jungnitsch, der bei der Arbeitsagentur Bautzen als Fallmanager für Selbstständige arbeitet. Der schaute sich das Konzept für einen mobilen Sushi-Verkaufsstand an und war beeindruckt. „Da war wirklich an fast alles gedacht“, zollt er den jungen Leuten Respekt.

Die Stadt Wilthen hatte dem Ehepaar den Standplatz auf dem kommunalen Grundstück zugesagt, der Verkaufsanhänger war da und die Einrichtung ebenso. Die fürs Essen notwendigen Zutaten kommen von einem auf Sushi spezialisierten Großhändler aus München, der Lachs aus dem Netto-Markt nebenan. Ende Mai 2024 ging es los.

Ukrainische Familie will in Wilthen bleiben

„Eigentlich dachten wir, dass wir nicht nur in Wilthen verkaufen, sondern als Food-Truck umherreisen. Da gibt es ja richtige Festivals. Aber dabei muss die Arbeit am Produkt absolut flutschen, da muss man ein eingespieltes Team sein. Das sind wir noch nicht, dafür brauchen wir noch etwas Praxis“, gibt das Ehepaar zu. Auf Bestellung zu arbeiten, soll nun die nötige Routine bringen.

Mit ihrem Angebot der japanischen Häppchen haben sie bei den Einwohnern im Oberland offenbar einen Nerv getroffen. Das Geschäft läuft nach drei Monaten, leben können die Rybalkas, die inzwischen zu viert sind, davon allerdings noch nicht. „Aber sie sind auf einem guten Weg“, sagt Veit Jungnitsch.

Die Familie sieht Wilthen inzwischen als Heimat an, fühlt sich hier wohl und will in Deutschland bleiben. Tochter Kristina besucht die 3. Klasse der Pumphut-Grundschule, die zweijährige Eva geht in die Kinderkrippe. „Unser Deutsch muss noch besser werden, da braucht es noch einen Sprachkurs“, sagen beide, die fürs Interview eine Übersetzerin mitgebracht haben. Die wichtigsten Begriffe fürs Geschäft jedoch sitzen. „Danke und guten Appetit“ hört jeder Kunde in Wilthen.