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Millionenprojekt in Schlungwitz: Wie baut man eine Brücke bei voller Spree?

Seit drei Monaten wird in der Gemeinde Doberschau-Gaußig eine neue Spreequerung errichtet. Sächsische.de hat den Bauleuten jetzt über die Schulter geschaut.

Von Miriam Schönbach
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Stefan Meint kümmert sich für das Landratsamt um die Brückenbaustelle in Schlungwitz.
Stefan Meint kümmert sich für das Landratsamt um die Brückenbaustelle in Schlungwitz. © Foto: Anne Hasselbach

Doberschau-Gaußig. Sie galt schon länger als Sorgenkind – die Brücke über die Spree im Doberschau-Gaußiger Ortsteil Schlungwitz. Bei Prüfungen durch die Fachleute aus dem Landratsamt Bautzen kamen in den vergangenen Jahren immer Mängel zum Vorschein. Die Brückenprüfer bescheinigten ihr wieder und wieder einen kritischen Zustand. „Drei“ bedeutet auf ihrer Skala „nicht ausreichender Zustand“.

„Der Beton war schlecht, der Bewehrungsstahl massiv angerostet. Es gab Probleme mit der Entwässerung des Bauwerks“, sagt Stefan Meint vom Straßen- und Tiefbauamt. Seit drei Monaten laufen nun die Arbeiten an einem Ersatz-Neubau. Investiert werden sollen 1,8 Millionen Euro.

Die Schlungwitzer Brücke ist eine von 215 Brücken, für die der Landkreis Bautzen zuständig ist. Ihr Ursprung geht zurück auf eine einstige Gewölbebrücke. Alte Zeichnungen zeigen den Bau, der nach dem 20. April 1945 durch die Wehrmacht gesprengt wird – wie alle anderen Brücken in der Region. Schon 1946 wird eine hölzerne Notüberführung errichtet und 1950 das Bauwerk als dreifeldrige Plattenbrücke wiederaufgebaut. „Eine Stütze war direkt in der Spree, die andere im Vorlandbereich. Bereits in den 1970er-Jahren wurde diese Brücke saniert“, sagt Stefan Meint.

Letzte Generalüberholung der Brücke war vor 30 Jahren

Die letzte Generalüberholung der Spreequerung liegt 30 Jahre zurück, wie die Jahreszahlen auf einem Stein erzählen. „1994/95 hatten wir hier eine Winterbaustelle. Der Überbau wurde saniert, der Tragarm zurückgebaut und der extra gelagerte Geh- und Radweg-Überbau errichtet“, erklärt Meint.

Seither sind aber nicht nur unzählige Pkw darüber gerollt, auch die Zahl der Laster habe zugenommen. Der wachsende Schwerverkehr auf der Industriestraße in der Gemeinde Doberschau-Gaußig macht zudem eine Veränderung der Sicht- und Platzverhältnisse im Kreuzungsbereich notwendig, sodass auch die Einmündung ausgebaut wird.

Zwei Jahreszahlen befinden sich schon auf einem Granitstein in der Brücke: 1950 und 1994. Nach Abschluss der Bauarbeiten soll auch das Jahr 2025 dort verewigt werden.
Zwei Jahreszahlen befinden sich schon auf einem Granitstein in der Brücke: 1950 und 1994. Nach Abschluss der Bauarbeiten soll auch das Jahr 2025 dort verewigt werden. © Foto: Anne Hasselbach

Verbessern sollen sich so die Kurvenradien für die Lkw, doch bevor die Laster hier wieder langfahren, geht noch Zeit ins Land. Denn vor dem Aufbau liegt der Abriss. Aktuell führt nur die Fußgängerbrücke noch über das Wasser. Die alte Straßenbrücke ist bereits verschwunden. Deshalb gibt es sowohl für den Bus- als auch für den Individualverkehr großräumige Umleitungen.

An diesem Sommermorgen schlürft im gleichmäßigen Takt die sogenannte Söffelpumpe die Baugrube trocken. Denn die große Frage ist ja: Wie baut man bei der gut gefüllten Spree eine Brücke? „Kleine Gewässer können wir verrohren. Fangedamm unten, Fangedamm oben und dazwischen kommt eine Rohrleitung“, erklärt der Projektleiter. Der Fangedamm bezeichnet eine provisorische Barriere, um für die Bauzeit bestimmte Bereiche des Baufeldes trockenlegen zu können. Dafür werden auf der Baustelle an der Schlungwitzer Spree riesige Bigbags ins Wasser gelassen.

Die Bigbags sind Teil des sogenannten Fangedamms, einer provisorischen Barriere, um für die Bauzeit bestimmte Bereiche des Baufeldes trockenlegen zu können.
Die Bigbags sind Teil des sogenannten Fangedamms, einer provisorischen Barriere, um für die Bauzeit bestimmte Bereiche des Baufeldes trockenlegen zu können. © Foto: Anne Hasselbach

Vorher wurde die Baugrube mit einem sogenannten „Berliner Verbau“ abgefangen, so wird eine Trägerbohlwand bezeichnet, die das Nachrutschen des Erdreichs verhindern soll. Hier ist sie mit zehn Meter langen Dübeln unter der Straße befestigt und im Granit am Fuß eingespannt. Im Flussbett indes plätschert auf einer Breite von acht Metern die Spree. „Auch wir haben jetzt einen Fangedamm gebaut. Weil immer Sickerwasser durchgeht, zutscht die Söffelpumpe den Bereich leer“, sagt Stefan Meint. Problematisch seien Hochwasserlagen, weil das viele Wasser eben auch immer Sedimente in den Fangedamm mitbringt – und das zusätzliche Arbeit verursacht.

Im Wasser wird gearbeitet, gestützt wird die Spreebaustelle durch einen sogenannten „Berliner Verbau“.
Im Wasser wird gearbeitet, gestützt wird die Spreebaustelle durch einen sogenannten „Berliner Verbau“. © Foto: Anne Hasselbach

Das alles sind quasi Vorarbeiten, bevor die Altfundamente gesäubert und darauf neue Widerlager mit Verstärkung aufgesetzt werden können. Bei den Widerlagern handelt es sich um den massiven Unterbau einer Brücke, der den Übergang zwischen der Brückenkonstruktion und dem Erddamm herstellt. In Schlungwitz kommen hinter das alte Fundament zusätzlich noch sogenannte Mikrobohrpfähle, quasi lange, dünne Anker. „Die alte Brücke hatte zwei Zwischenpfeiler, die jetzt weg sind. Somit haben wir auf den Widerlagern mehr Zugkraft“, sagt der Brücken-Experte. Die Verankerung helfe, die Kräfte besser im Baugrund zu verteilen.

Abriss bringt Bausünden der Vorgänger zum Vorschein

Beim Abriss der alten Brücke sind auch einige Bausünden der Vorgänger zum Vorschein gekommen, so wurden noch Materialien der ersten Gewölbebrücke gefunden. An der Stelle sollten die Bauarbeiter eigentlich auf Beton statt „Konglomerat-Beton“ stoßen, wie es im Fachdeutsch heißt. Doch sichtbar ist Stein-Bruch in unterschiedlichen Größen und Qualitäten.

Mit dem Ersatz-Neubau wurden nun aber mit der Firma STL Bau aus Löbau richtige Brücken-Spezialisten beauftragt. Nach der Baugrubensicherung und dem Widerlager-Bau errichten deren Mitarbeiter als Nächstes das Traggerüst für die Schalung, was einer von vielen Zwischenschritten ist. Denn bis die Spannbetonbrücke fertig ist, werden noch Monate ins Land gehen.

„Bis Mai 2025 wollen wir mit Überbau und den Straßenanschlüssen fertig sein. Dann wollen wir den Verkehr halbseitig auf die neue Brücke nehmen und im Anschluss noch die Fußgängerbrücke überkronen“, sagt Stefan Meint. Ab Juli 2025 soll die neue Brücke dann beidseitig befahrbar sein.