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Ist die sorbische Sprachbildung in Radibor in Gefahr?

In der Sorbischen Grundschule Radibor sollen zwei etwa gleich starke erste Klassen jeweils aus sorbischen und deutschen Schülern gebildet werden. Schule und Eltern befürchten Nachteile für den muttersprachlichen Unterricht.

Von Uwe Menschner
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Sorgen um die sorbische Sprachbildung gibt es derzeit an der Grundschule in Radibor.
Sorgen um die sorbische Sprachbildung gibt es derzeit an der Grundschule in Radibor. © Symbolfoto: SZ/Uwe Soeder

Radibor. Die Domowina sieht die sorbische Sprachbildung an der Sorbischen Grundschule Radibor in Gefahr. Der Regionalverband „Jan Arnošt Smoler” Bautzen habe enttäuscht zur Kenntnis genommen, dass die Einrichtung einer aus sorbischen Muttersprachlern bestehenden ersten Klasse verboten worden sei - „entgegen dem Wunsch der Eltern und der ersten Schuleinweisung“, teilt Leńka Thomas im Namen des Vorstands mit. Weiter erklärt sie: „Wir unterstützen den Kampf der Eltern und deren Forderung, selbstständige Lerngruppen für muttersprachliche Kinder zu bilden. Sprachlich gemischte Klassen oder Gruppen funktionieren nur, wenn die Mehrheit der Schüler Sorbisch beherrscht.“

Auch die sächsische Landtagsfraktion der Partei Bündnis 90/Die Grünen will die entsprechende Entscheidung des Landesamtes für Schulen und Bildung (Lasub) nicht hinnehmen: „Das Konzept 2plus ist toll. Es ersetzt aber nicht den Unterricht auf muttersprachlichem Niveau. Wenn immer weniger Kinder Sorbisch lernen und entsprechend alphabetisiert werden, ist das ein existenzielles Problem für die sorbische Sprache und Kultur“, erklärt die bildungspolitische Sprecherin Christin Melcher.

An der Sorbischen Grundschule in Radibor darf 2024 keine nur aus sorbischen Muttersprachlern bestehenden ersten Klasse gebildet werden.
An der Sorbischen Grundschule in Radibor darf 2024 keine nur aus sorbischen Muttersprachlern bestehenden ersten Klasse gebildet werden. © Uwe Menschner

Die Leiterin der Sorbischen Grundschule Radibor, Angela Rentsch, erklärt die Problematik und den tatsächlichen Sachstand: „Wir haben zwei erste Klassen mit 20 sowie mit sieben Kindern gebildet. Letztere gehören zu den Sprachgruppen 1 und 2, sind also Muttersprachler oder deutsche Kinder mit guten sorbischen Sprachkenntnissen.“ Dies sei auf Grundlage der Elternwünsche und der durchgeführten Sprachanalysen erfolgt.

Problem: Zu wenig sorbisch alphabetisierte Kinder

„Die muttersprachliche Bildung ist deswegen in Gefahr, weil die Schülerzahl der Kinder, die sorbisch alphabetisiert werden und möglichst viele Stunden in dieser Sprache erleben sollen, 2024 nur sehr gering ist. Das Sprachenkonzept 2plus, nach dem wir arbeiten, sieht zweisprachige Klassen vor. Die 27 Schüler dieses Jahrganges sollen laut Landesamt für Schule und Bildung in einem etwa gleichmäßigen Verhältnis auf beide Klassen aufgeteilt werden, um allen Schülern die gleichen Möglichkeiten zur Sprachförderung zu geben."

Das sei grundsätzlich verständlich. Da es an der Sorbischen Grundschule Radibor jedoch jährlich eine hohe Anzahl von Schülerinnen und Schülern ohne Sorbischvorkenntnisse gibt, bestehe die Gefahr, dass sich der Unterricht eher an diesen Schülern orientieren würde, da ihnen der einfachste Grundwortschatz fehlt. Um den Sprachvoraussetzungen der in diesem Jahr sieben Kinder der Sprachgruppen 1 und 2 gerecht zu werden, komme die ungleiche Verteilung zustande. "Das Sprachenkonzept 2plus sollte an dieser Stelle so angepasst werden, dass die schulinternen Besonderheiten der jeweiligen Schule berücksichtigt werden können. Das sollte das Ergebnis künftiger Diskussionen um die Wirksamkeit des Konzeptes zum Erhalt und zum Ausbau der Minderheitensprache sein“, so Angela Rentsch.

Schulamt: Diskriminierungsfreies Lernen ist Ziel

Clemens Arndt, der Pressesprecher des Sächsischen Landesamtes für Schule und Bildung, begründet die Forderung der Behörde wie folgt: „Wir nehmen den verfassungsmäßigen Auftrag zum Schutz der Rechte des sorbischen Volkes sehr ernst, müssen aber auch die Mehrsprachigkeit im sorbischen Siedlungsgebiet fördern.“ Ziel sei ein „diskriminierungsfreies Lernen von deutschen und sorbischen Kindern.“ Die deutschen Kinder sollen dazu befähigt werden, sorbisch zu sprechen – „wie soll das gelingen, wenn wir sie nur getrennt von den sorbischen Kindern unterrichten?“

Laut Wito Böhmak von der Elterninitiative Radibor handelt es sich bereits bei der jetzt gebildeten Klasse mit sieben Schülern um eine Klasse, wie sie das 2plus-Konzept vorsieht: „Das war auch in den vergangenen Jahren schon ein erfolgreiches Modell in Radibor, Kinder mit Sorbisch als Zweitsprache mit guten Sprachkenntnissen zusammen mit Kindern mit Sorbisch als Erstsprache sorbisch zu alphabetisieren und zu unterrichten. Das würde nicht funktionieren, wenn wir Kinder mit geringer oder ohne jede sorbische Sprachkenntnis da mit hineinnehmen.“

Eltern melden Kinder an anderen Schulen im sorbischen Gebiet an

Er verweist darauf, dass es rechtskräftige Bescheide zur Aufnahme in die entsprechenden Klassen gebe, die das Lasub jetzt einfach aufheben wolle. Es gehe auch darum, „sorbische Sprachräume zu schaffen und zu erhalten. Die sorbischen Kinder wachsen in einer stark deutsch geprägten Umgebung auf, und Begegnung findet doch in der Schule ohnehin statt.“ Es sei im Sächsischen Schulgesetz verankert, dass zur Sicherung der sorbischsprachigen Bildung auch kleinere Klassen gebildet werden können, als normalerweise vorgesehen, und auch ein in der Landesverfassung verbrieftes Recht der Sorben.

Die Zahl der Erstklässler in den Sprachgruppen 1 und 2 schwanke von Jahr zu Jahr sehr stark, im nächsten Schuljahr seien es deutlich mehr. Wito Böhmak ist ebenso wie die Schulleiterin der Auffassung, dass 2plus weiterentwickelt werden müsse, „um das Recht auf muttersprachliche Bildung auch in Jahren mit wenigen sorbischsprachigen Kindern zu sichern und den Eltern Planungssicherheit zu geben.“ Es gebe bereits Tendenzen, die Kinder an anderen Schulen im sorbischen Siedlungsgebiet anzumelden. Schulleiterin Angela Rentsch erwartet nach der zweiwöchigen Kennenlern-Phase der ersten Klassen den endgültigen Bescheid vom Lasub und hofft, „dass unserer Klasseneinteilung zugestimmt wird.“