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Weißenberg: Modernes Design in historischem Gemäuer

Judith Anders lässt derzeit in Weißenberg ein altes Handwerkerhaus sanieren. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches – was später in ihm passieren soll, aber schon.

Von Uwe Menschner
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Designerin Judith Anders richtet derzeit ihre Keramikwerkstatt in Weißenberg ein.
Designerin Judith Anders richtet derzeit ihre Keramikwerkstatt in Weißenberg ein. © Uwe Menschner

Weißenberg. Diese Schale bricht mit traditionellen Seh- und Essgewohnheiten. Je nach Blickwinkel des Betrachters gibt die ovale Öffnung nur einen Teil des Inhaltes preis. „Die Gestaltung wendet sich bewusst gegen die Verwendung von klassischem Besteck“, sagt Judith Anders.

Mit Vaio – der Produktserie, zu der die außergewöhnlich geformte Schale gehört – hat die Weißenbergerin 2020 den Publikumspreis im Rahmen des Wettbewerbs um den Sächsischen Staatspreis für Design gewonnen. Ein großartiger Erfolg für eine junge Frau, der jetzt sicherlich die ganze Welt offensteht.

Und doch bleibt Judith Anders in Weißenberg. Jener kleinen Stadt im Osten des Landkreises Bautzen, die auf den ersten Blick so gar nichts mit der manchmal abgehoben erscheinenden Welt des modernen Designs und der Gourmet-Kulinarik zu tun hat.

Mit der Produktserie Vaio hat Judith Anders 2020 den Publikumspreis im Rahmen des Wettbewerbs um den Sächsischen Staatspreis für Design gewonnen.
Mit der Produktserie Vaio hat Judith Anders 2020 den Publikumspreis im Rahmen des Wettbewerbs um den Sächsischen Staatspreis für Design gewonnen. © Archivfoto: SMWA/Julian Hoffmann

Judith Anders empfängt den Besucher ganz und gar nicht abgehoben, sondern bodenständig in Jeans und Rollkragenpullover. Das Haus an der Ernst-Thälmann-Straße, das später einmal ihre Werkstatt beherbergen soll, präsentiert sich von Baugerüsten umgeben. Zementsäcke und Gerüststangen lassen nur einen schmalen Durchgang zu dem Nebengebäude, in dem die junge Designerin derzeit arbeitet.

Nach dem Studium in die Heimat zurückgekommen

Bodenständig sind auch die Gründe, warum sie nicht in Dresden oder Leipzig ihr Glück versucht, sondern hier in der Heimat: „Ich stamme aus Weißenberg, bin hier aufgewachsen und habe die ländliche Region schon in meiner Kindheit liebgewonnen. Ich denke, das war Grund genug, nach meinem Studium und dem Auslandsaufenthalt zurück in die Heimat zu ziehen.“

Davon abgesehen sei Weißenberg durchaus kein ungünstiger Standort: „Es liegt mitten im Dreiländereck und hat eine gute Anbindung an die Autobahn.“ Doch vor allem: „Eine große Rolle spielt auch die Möglichkeit, hier ein eigenes Haus mit Grundstück aus dem Familienbesitz ausbauen zu können. Mein Handwerk braucht viel Raum und Lagerflächen, ein kleines Atelier in der Stadt war für mich nie denkbar.“ Und überhaupt: „Der Onlinehandel ermöglicht jederzeit einen internationalen Auftritt. Mir lag es aber auch am Herzen, meiner Heimatregion etwas mitzubringen.“

Will traditionelles Handwerk durch Innovation beleben

Und das tut Judith Anders zweifellos. Nicht nur, dass sie einem alten Handwerkerhaus an der Via Regia neues Leben einhaucht. Das, was sie beruflich in Weißenberg plant, bereichert die Kunst- und Handwerksszene der Oberlausitz um eine neue Facette: „Mein Ziel besteht darin, traditionelles Handwerk durch innovative Produktideen neu zu beleben“, beschreibt die junge Designerin ihren Grundansatz. Funktionalität und Ästhetik, in hoher Qualität aus einer Hand gefertigt – so lautet der Anspruch, den Judith Anders an sich selbst stellt.

Sie arbeitet mit Glas, Steinzeug und Porzellan, anders als in der traditionellen Töpferei hauptsächlich im Gußverfahren: „Am Anfang steht dabei die Herstellung eines Modells aus Gips. Ich baue alle Modelle und Formen selber und nutze dafür unterschiedliche Verfahren“, berichtet die Weißenbergerin.

Doch auch die Töpferscheibe kommt zum Einsatz, sei es im Formenbau oder bei der Herstellung der fertigen Objekte. Das Studium an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein, aber auch zahlreiche Praktika im In- und Ausland ermöglichten es Judith Anders, ihre Fähigkeiten zu vervollkommnen. Das Ergebnis zeigt sich in kunstvoll designten Gegenständen, die alltägliche Tätigkeiten in ein ganz neues Licht rücken – wie die nunmehr preisgekrönte Serie Vaio.

Showroom statt klassisches Ladengeschäft

Den Ursprung von allem bildete jedoch Judith Anders` Faszination für Blüten und Blätter: „Die Vergänglichkeit von Pflanzen im Kontrast zur Langlebigkeit von Keramik spielt in meinem Schaffensprozess eine wichtige Rolle.“ So findet sie Inspiration in der Natur und kreiert Schalen und Vasen, unterstützt aber auch die florale Manufaktur Heiko Steudtner in Cunewalde mit ihrem Wissen und Können.

Daneben baut Judith Anders nun Schritt für Schritt ihr eigenes Geschäft auf, für das die gegenwärtigen Bauarbeiten an der Weißenberger Ernst-Thälmann-Straße die Grundlage bilden: „Die Rohbauarbeiten an dem alten Fachwerkhaus sind fast abgeschlossen, bald geht es an den Innenausbau. Begonnen wird mit den Werkstatträumen in der unteren Etage. Ich hoffe, diese im Herbst beziehen zu können.“

In dem Nebengebäude, in dem sich derzeit ihre Interimswerkstatt befindet, will Judith Anders einen kleinen Showroom für ihr aktuelles Sortiment einrichten. „Ein Ladengeschäft im klassischen Sinne plane ich nicht, denn dafür müsste ständig jemand vor Ort sein.“

Doch es wird regelmäßig Gelegenheiten geben, die Werkstatt zu besichtigen oder an Workshops teilzunehmen: „In diesen möchte ich mein Handwerk den Besuchern nahebringen, Wissen weitergeben, Prozesse verständlicher machen und Unterschiede zu bekannten Verfahren in der Keramikherstellung aufzeigen.“ Vielleicht kommen dann ja auch Dresdner und Leipziger nach Weißenberg?