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Eltern wollen mehr Sorbisch in der Schule

An der Grundschule in Radibor lernen Erstklässler jetzt zuerst das sorbische Alphabet. Eine Initiative hat sich dafür eingesetzt - und sie will noch mehr erreichen.

Von Anne Semlin
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Die Erstklässler der Klasse mit Schwerpunkt Sorbisch in der Grundschule Radibor lernen mit ihrer Lehrerin Margit Wels das sorbische Alphabet noch vor dem deutschen. Nicht nur das ist anders als in ihrer Parallelklasse.
Die Erstklässler der Klasse mit Schwerpunkt Sorbisch in der Grundschule Radibor lernen mit ihrer Lehrerin Margit Wels das sorbische Alphabet noch vor dem deutschen. Nicht nur das ist anders als in ihrer Parallelklasse. © SZ/Uwe Soeder

Radibor. Nacheinander sagen die Erstklässler im Chor die Begriffe und Buchstaben, die auf den Kärtchen an der Tafel stehen, auf. Sie lernen das sorbische Alphabet. Das lernen die Schüler der Sorbischen Grundschule in Radibor, noch bevor sie sich mit den deutschen Buchstaben beschäftigen. Denn sie sind in einer zweisprachigen Klasse mit dem Sprachschwerpunkt Sorbisch. Dafür, dass es so eine Klasse in Radibor gibt, hat sich Katrin Suchy-Zieschwauck eingesetzt. „Ich wünsche mir, dass meine Kinder genauso wie die deutschen Kinder mit ihrer Muttersprache aufwachsen“, sagt sie.

Dass Kinder zuerst sorbisch lesen und schreiben lernen, ist nicht neu an der Schule. Nur gab es in den letzten Jahren nicht immer eine Klasse, in der alle Schüler zuerst die sorbische Fibel bekommen und in allen Fächern ausschließlich auf Sorbisch unterrichtet werden. Die Schüler der neu gebildeten Klasse sprechen also im Unterricht - außer im Fach Deutsch - nur Sorbisch. „Es geht dabei auch um den Zusammenhalt in der Klasse und das Gefühl für den eigenen Sprachraum“, sagt Katrin Suchy-Zieschwauck.

Eltern wollen Lehrern den Rücken stärken

Für ihr Anliegen hat sich die mehrfache Mutter nach einer Elternversammlung vor den Sommerferien mit etwa zehn weiteren Eltern zusammengetan. Gemeinsam haben sie sich an die Schulleiterin gewandt und ihr Anliegen in die Schulkonferenz getragen. „Wir möchten den Lehrern den Rücken stärken, wenn es um die sorbische Sprache in der Schule geht“, sagt die Vertreterin der Elterninitiative. Die Schulkonferenz hat schließlich vor Beginn des neuen Schuljahres die Einrichtung einer Klasse mit Sprachschwerpunkt Sorbisch in Klassenstufe eins beschlossen.

Möglich wurde das vor allem durch die in diesem Schuljahr vergleichsweise hohe Zahl an Schülern, die mit ihren Sprachkenntnissen das Niveau eines Muttersprachlers erreichen. Dazu gehören übrigens auch Kinder aus Familien, deren Muttersprache Deutsch ist. An anderen sorbischen Grundschulen wie in Ralbitz, Räckelwitz und Panschwitz-Kuckau gibt es regelmäßig eine Klasse mit dem Sprachschwerpunkt Sorbisch, weil ausreichend Kinder Sorbisch auf muttersprachlichem Niveau beherrschen, um eine Klasse zu bilden. Insgesamt gibt es in Sachsen neun sorbische Grundschulen, an denen im vergangenen Schuljahr 901 Kinder zweisprachig unterrichtet wurden.

Katrin Suchy-Zieschwauck setzt sich gemeinsam mit weiteren Eltern für mehr Sorbisch an der Sorbischen Grundschule in Radibor ein.
Katrin Suchy-Zieschwauck setzt sich gemeinsam mit weiteren Eltern für mehr Sorbisch an der Sorbischen Grundschule in Radibor ein. © SZ/Uwe Soeder

Sorbisch als etwas ganz Normales erleben

In Radibor waren bisher in beiden Klassen Schüler mit unterschiedlichen Sorbischkenntnissen gemischt. Um dem unterschiedlichen Sprachniveau in einer Klasse gerecht zu werden, setzt die Grundschule hauptsächlich zwei Methoden ein. Eine Möglichkeit ist, die Klasse in kleinere Gruppen entsprechend dem Sprachniveau aufzuteilen. „Durch die geringere Schülerzahl können die Lehrkräfte intensiver mit den Schülern arbeiten und den Unterricht individuell auf die vorhandenen Sprachkenntnisse ausrichten“, erklärt Schulleiterin Angela Rentsch. Eine weitere Möglichkeit ist das sogenannte Team Teaching: Hier kommt eine weitere Lehrkraft in den Unterricht und erklärt die Inhalte auf Sorbisch oder übersetzt wichtige Begriffe.

Katrin Suchy-Zieschwauck wünscht sich, dass in der Schule ein komplett sorbischer Sprachraum gebildet wird. „Mir ist es wichtig, dass die Kinder so viel wie möglich Sorbisch sprechen – im gesamten Unterricht und auch in den Pausen, so wie es bei deutschen Schülern auf Deutsch der Normalfall ist“, sagt sie. Eine ihrer Töchter kommt nächstes Jahr in die Schule und sie hofft, dass auch dann wieder eine Klasse mit Schwerpunkt Sorbisch gebildet wird.

Mehr Sorbisch schon im Kindergarten

Das ist eines der Anliegen der sorbischen Elterninitiative, die demnächst ein eingetragener Verein werden soll. In den kommenden Monaten wollen sich die Eltern außerdem dafür einsetzen, dass das Ganztagsangebot im Bereich der sorbischen Sprache ausgebaut und mehr sorbische Bräuche in der Schule zelebriert werden. 

Darüber hinaus wollen sie eine engere Zusammenarbeit der örtlichen Kindergärten mit der Schule fördern. „Wir wollen die Eltern früh davon überzeugen, dass die Kinder keine Nachteile haben, wenn sie in einer Klasse mit sorbischem Schwerpunkt sind, und sie dabei unterstützen, ihre Kinder zu fördern, auch wenn sie selbst keine sorbischen Muttersprachler sind“, sagt Katrin Suchy-Zieschwauck.

Dafür wollen sie mit der Schulleitung und der Domowina zusammenarbeiten. Deren Vorsitzender, Dawid Statnik, freut sich über den Erfolg der Elterninitiative. „Radibor ist ein gutes Zeichen für neues sorbisches Selbstbewusstsein und ein weiterer Schritt in Richtung Selbstbestimmung in Bildungsangelegenheiten“, sagt er.

Katrin Suchy-Zieschwauck ist selbst Mitglied im Bundesvorstand der Domowina und singt im Sorbischen Volkschor Meja. Ihr Engagement für die sorbische Sprache geht über die Schule hinaus. „Wir brauchen insgesamt mehr sorbische Sprachräume – Orte, an denen man sich treffen und sorbisch miteinander sprechen kann, sodass es ganz normal ist“, sagt sie. 

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