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Busbrücke brachte über 1.200 Ukrainer in die Oberlausitz

26 Busse starteten vom Landkreis Bautzen aus zur ukrainischen Grenze. Derzeit sind die Fahrten eingestellt. Vorbei ist das Hilfsprojekt damit aber noch nicht.

Von Tim Ruben Weimer
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Beim Projekt Busbrücke, das in Schirgiswalde initiiert wurde, fuhren bisher 26 Busse an die polnisch-ukrainische Grenze. Auf dem Hinweg transportierten sie Hilfsgüter, auf dem Rückweg brachten sie Flüchtlinge in die Oberlausitz.
Beim Projekt Busbrücke, das in Schirgiswalde initiiert wurde, fuhren bisher 26 Busse an die polnisch-ukrainische Grenze. Auf dem Hinweg transportierten sie Hilfsgüter, auf dem Rückweg brachten sie Flüchtlinge in die Oberlausitz. © Archivfoto: Steffen Unger

Bautzen. "Wir hatten einen Drive, eine Euphorie", sagt Philipp Düring. "Im März hatten wir fast jeden Tag einen Bus, der an die polnisch-ukrainische Grenze gefahren ist." Sein Bruder Johannes Düring ergänzt: "Man war getragen von der Dynamik und dem Gedanken, etwas Sinnvolles zu leisten." Der letzte Bus fuhr am 8. April. Seitdem ist die Bautzener Busbrücke zum Stillstand gekommen.

Der Schirgiswalder Reiseunternehmer Andreas Thomas, der Metallunternehmer Martin Düring und dessen Familie haben zusammen mit Partner-Busunternehmen seit Anfang März insgesamt 1.255 Ukrainer in 26 Bussen in die Oberlausitz gebracht. Rein statistisch entspricht das gut 40 Prozent der Ukrainer, die derzeit im Landkreis Bautzen leben. Am 7. März fuhr der erste Bus ins polnische Mircze, brachte Hilfsgüter an die ukrainische Grenze und nahm auf dem Rückweg 85 Flüchtlinge aus der Ukraine mit nach Wilthen und Bautzen.

1.255 Geflüchtete aus der Ukraine hat die Busbrücke in Kooperation mit verschiedenen Busunternehmen in die Oberlausitz gebracht.
1.255 Geflüchtete aus der Ukraine hat die Busbrücke in Kooperation mit verschiedenen Busunternehmen in die Oberlausitz gebracht. © Archivfoto: SZ/Uwe Soeder

Damals habe man nur die große Hilfsbereitschaft kanalisieren müssen, erzählt Philipp Düring, der eigentlich selbstständiger Unternehmensberater ist und unter anderem die Spendensammlung für die Busbrücke koordinierte. Anfragen von Busunternehmen, die ihre Fahrzeuge zur Verfügung stellen wollten, kamen von allen Seiten. "Jetzt ist eine Normalität eingetreten", sagt Düring. "Dass die Ukrainer da sind, gehört dazu."

Auch die Spendenbereitschaft ist abgeflacht. Seit Anfang März sammelte die Busbrücke 82.880 Euro, jede Busfahrt kostete rund 3.500 Euro. Momentan gebe es noch einen Überschuss von 6.000 Euro, erklärt Philipp Düring. Man könnte also theoretisch noch zwei Busse schicken. Das mache derzeit aber wenig Sinn.

Flüchtlinge nutzen Züge nach Deutschland kostenlos

"Wir fahren nur, wenn wir für die Flüchtlinge vorab auch eine Unterkunft organisiert haben", sagt er. Das sei inzwischen aber schwierig geworden, weil der Landkreis ausgelastet sei. Eigentlich sei eine letzte Fahrt für den 19. April geplant gewesen, die musste aber kurzfristig wieder abgeblasen werden, weil die Unterkünfte dann doch nicht mehr zur Verfügung standen.

Außerdem sei der Sinn der Busbrücke in Frage gestellt, weil Flüchtlinge kostenlos mit dem Zug von der polnischen Grenze nach Deutschland fahren können. Anfangs habe es Bilder von überfüllten Bahnhöfen und Zügen gegeben. Inzwischen gebe es in den sozialen Medien Bilder von Lebensmittel-Bergen am Wegesrand, Hilfsgütern, die weggeschmissen wurden. "Es wäre Ressourcen-Verschwendung, weiter zu fahren", sagt Düring. "Es gibt vor Ort inzwischen genug Wasser, Decken und Lebensmittel."

Auf dem Weg zur polnisch-ukrainischen Grenze transportierten die Busse viele Hilfsgüter.
Auf dem Weg zur polnisch-ukrainischen Grenze transportierten die Busse viele Hilfsgüter. © Archivfoto: Steffen Unger

Wichtiger werde nun die medizinische Versorgung der ankommenden Kriegsflüchtlinge. Die könnten andere Initiativen aber besser organisieren. Ohnehin gebe es inzwischen so viele Hilfsinitiativen, dass die Beschaffung von Hilfsmitteln und Spenden für die Busbrücke immer schwieriger geworden sei. Dazu kommt, dass die Zahl der Flüchtlinge insgesamt abgenommen hat.

Zwischenzeitlich war angedacht, im April Flüchtlinge statt in die Oberlausitz nach England zu transportieren, erst per Bus, dann per Flugzeug. "Die Kosten hätte die englische Regierung komplett übernommen", erzählt Philipp Düring. Die staatliche Flüchtlingskoordination liefe dort unkomplizierter. Mit den Gastfamilien würden vorher Zoom-Calls durchgeführt, die Reisekosten nach England würden komplett übernommen. Das Problem: Kaum jemand wollte auf die Insel. Der Gedanke wurde wieder verworfen.

Fährt ein Bus Flüchtlinge wieder nach Hause?

Wie das übriggebliebene Geld genutzt werden soll, steht noch nicht fest. Es könnte zur weiteren Integration der Flüchtlinge genutzt werden, sagt Philipp Düring. Oder für den Wiederaufbau in der Ukraine gespendet werden. Oder aber ein Bus könnte Flüchtlinge wieder nach Hause fahren. Entsprechende Anfragen habe es bereits gegeben. Auf jeden Fall sei die Busbrücke noch nicht abgeschafft, sie stehe nur auf Pause, sagt Johannes Düring, der unter anderem die Social Media-Auftritte der Busbrücke managte und vor Ort mithalf. "Man sollte das Ganze nicht zu zeitig abschreiben. Der Konflikt ist immer noch da, es kann jederzeit wieder akut werden."

Andreas Thomas (l.) und Martin Düring gehörten zu den Initiatoren des Projekts Busbrücke.
Andreas Thomas (l.) und Martin Düring gehörten zu den Initiatoren des Projekts Busbrücke. © Archivfoto: Steffen Unger

Eine Stärke der Busbrücke sei die unbürokratische Organisation gewesen, sagt Philipp Düring. "Für mich war es während der Arbeit meist nur ein zusätzliches Fenster am PC." Neben Andreas Thomas, Chef des Schirgsiwalder Reiseunternehmens ATeams, gehörten die vier Düring-Geschwister Martin, Philipp, Johannes und Stefanie zum Kernteam. Während der gesamten Zeit hätten sich die Dürings zwar nie vor Ort gesehen, da sie an verschiedenen Orten in Deutschland wohnen. Über WhatsApp sei die Kommunikation aber sehr effektiv gewesen, jeden Abend gab es ein Zoom-Meeting, um sich gegenseitig auf den aktuellsten Stand zu bringen.

Die Unterkünfte wurden laut Philipp Düring ohne Hilfe des Landkreises, sondern über eigene Kontakte und über die Bautzener Josua-Gemeinde und die Zittauer Elim-Gemeinde organisiert. "Je tiefer wir in die kommunalen Ebenen des Landkreises vorstoßen, desto langsamer wird es", bemängelt Düring, das mache sich jetzt bei der weiteren Integration und Verteilung der Flüchtlinge bemerkbar.

Die Flagge der Busbrücke
Die Flagge der Busbrücke © Busbrücke