Bautzen. Adolf Philipp ist hunderte Kilometer Umweg gefahren, um nach Bautzen zu kommen. Eigentlich will er mit seiner Frau nach Griechenland, beide kommen aus Wilhelmshaven. Doch es gibt ein Problem: Die rechte Scheibe ihres Wohnmobils ist blind. "Das fing schon letztes Jahr an", sagt Philipp. "Fast alle Wohnmobile haben dieses Problem."
Ein Fall für die Autoglaserei Pötschke aus Bautzen. Inhaber Martin Pötschke erklärt, was das Besondere an diesen Thermoglasscheiben ist: "Zwischen diesen Scheiben ist Luft drin." Der Zwischenraum regelt den Ausgleich zwischen Innen- und Außentemperatur und sorgt für klare Sicht. Mit den Jahren können die Scheiben aber undicht werden, weshalb Feuchtigkeit dazwischen kommt. Dann beschlagen sie. "Das muss alles dicht und trocken sein." Aller sieben oder acht Jahre trete das Problem auf, so Pötschke.
Neue Fenster würden sehr viel kosten. Deshalb würden viele Wohnmobil-Besitzer auch von weiter her den Weg nach Bautzen auf sich nehmen und blinde Fenster bei ihm reparieren lassen. Die Scheibe wird ausgebaut, gereinigt, aufbereitet und wieder eingesetzt. Etwas, was laut Pötschke nur noch eine andere Glaserei in Deutschland macht.
"Man kann sich schnell den Ruf kaputtmachen"
Für die Reparatur brauche man viel Erfahrung. "Der Ablauf muss stimmen", sagt der Experte. "Wenn dort ein kleiner Fehler drin ist, laufen die Fenster wieder an und das meistens innerhalb der nächsten zwei Jahre. Wenn man da nicht weiß, was man macht, kann man sich ganz schnell den Ruf kaputtmachen."
Seit über 20 Jahren repariert die Autoglaserei in Bautzen solche Scheiben. Mit Fenstern von Reisebussen hat alles angefangen. "Hauptsächlich hatten die früher solche Probleme", sagt Martin Pötschkes Frau Diana. "Die Kunden haben gefragt, ob es auch eine andere Möglichkeit gibt, als immer die Scheibe zu wechseln."
Später sei ein Wohnmobil-Kunde vorbeigekommen, auch mit einer beschlagenen Scheibe. "Dann haben wir das einfach probiert, ob es mit diesen Scheiben auch funktioniert", sagt sie. "Es hat geklappt, wir konnten sie wieder instand setzen."
Glaserei hat auch Dresdner Salonschiff neu verglast
In der Wohnmobil-Szene habe sich das schnell herumgesprochen. "Das ging durch die Foren, die sind ja alle total vernetzt", sagt Martin Pötschke. Mittlerweile würden Kunden aus ganz Europa kommen. Seine Werkstatt mit aktuell drei Mitarbeitern habe schon Scheiben von Wohnmobilen zum Beispiel aus England, der Schweiz, Belgien, Holland, Österreich und Frankreich instand gesetzt. "Ein Kunde ist 1.530 Kilometer gefahren, der kam aus England", sagt Pötschke. Der sei sogar schon zweimal dagewesen.
Im Durchschnitt stünden drei bis vier Wohnmobile in der Woche zur Reparatur da. Künftig sollen es fünf werden. Dafür soll nächstes Jahr die Werkstatt ausgebaut werden. Im September kommt auch ein neuer Mechaniker dazu. Die Kundschaft sei da, die Termine bis November 2024 alle weg, sagt Martin Pötschke. Es gebe sogar eine Warteliste.
Außer um Wohnmobile kümmert sich die Autoglaserei auch um Schiffe. Für das Salonschiff "Gräfin Cosel" der Sächsischen Dampfschifffahrt haben sie die Thermoglasscheiben im Restaurantbereich neu gemacht, erzählen Pötschkes. Auch das Führerhaus der Santa Barbara, die auf dem Senftenberger See schippert, sei von ihnen neu verglast worden, ebenso die Polizeischiffe von Dresden.
Während der Reparatur entdecken Kunden Bautzen
Zurück zu den Wohnmobilen-Kunden: Die bekommen per Mail neben dem Reparaturauftrag mit Ablaufplan und Zeiten noch einen besonderen Service. "Von der Touristeninfo haben wir einen QR-Code, den wir mit verschicken", sagt Diana Pötschke. "Da hat man einen Überblick über ein paar Spaziergänge oder Touren in Bautzen." Die Kunden würden auch Flyer und einen Stadtplan mitbekommen. Viele schauten sich dann die Stadt an, während ihrer Wohnmobil repariert wird.
Viele seien aber auch skeptisch, wenn sie nach Bautzen kommen, sagt Martin Pötschke. "Dann kommen die her, lassen sich von uns aufnehmen, gehen in die Stadt und sind dann immer völlig begeistert, wie schön Bautzen ist." Viele kämen auch wieder her.
Wer etwas weitere Touren unternehmen möchte, dem stelle die Glaserei auch einen Mietwagen zur Verfügung. Die Reparatur dauere in den meisten Fällen zwei Tage. Auf dem Betriebshof können Kunden auf einem extra Stellplatz auch übernachten.
Adolf Philipp war schon mehrmals in Bautzen. Er kennt die Gegend bereits ein wenig. "Wir sind seit fast drei Tagen hier und haben auch schon Fahrradtouren unternommen", sagt er. Für ihn und seine Frau geht es nun nach Griechenland. Mit einer frisch instand gesetzten Scheibe aus Bautzen.