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Neue Ausstellung in Königswartha lädt zum Mitmachen ein

Ein Ortsbuch aus dem Jahre 1924 nennt Namen und Berufe früherer Bewohner von Königswartha. Eine Angabe jedoch fehlt – und soll nun durch Besucher der Sonderausstellung ergänzt werden.

Von Uwe Menschner
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In einer neuen Ausstellung in Königswartha erfährt man, wer früher in den Häuser gelebt und gearbeitet hat. Erstellt wurde sie vom Geschichtsverein. Dessen Vorsitzende Annemarie Rentsch hofft auf weitere Informationen seitens der Besucher.
In einer neuen Ausstellung in Königswartha erfährt man, wer früher in den Häuser gelebt und gearbeitet hat. Erstellt wurde sie vom Geschichtsverein. Dessen Vorsitzende Annemarie Rentsch hofft auf weitere Informationen seitens der Besucher. © Uwe Menschner

Königswartha. Wer fragt sich nicht manchmal, wenn er durch die Straßen seines Heimatortes an den Häusern vorbei geht: Wer mag früher hinter diesen Mauern gelebt, gearbeitet, geweint und gelacht haben? Die Königswarthaer können sich diese Frage jetzt mit einem Gang durch die Ausstellungsräume in einem der früheren Rittergutsgebäude zumindest in Teilen beantworten. Hat doch der Königswarthaer Geschichtsverein RAK hier unlängst eine Ausstellung eröffnet, welche sich genau damit beschäftigt und die Besucher nicht nur zum Anschauen, sondern auch zum Mitmachen anregt.

„Es begann damit, dass ich ein Ortsbuch von Königswartha aus dem Jahre 1924 gefunden habe“, berichtet die Vereinsvorsitzende Annemarie Rentsch. „Darin sind viele damalige Bewohner unseres Ortes – hauptsächlich Männer – in alphabetischer Reihenfolge mit ihren Berufsbezeichnungen aufgeführt.“ Wenn jemand eine eigene Firma besaß, so war auch diese mit Namen und Branche vermerkt.

Königswartha war wichtiger Umschlagplatz an Bahnstrecke

Für interessierte Königswarthaer oder mit dem Dorf Verbundene eröffnet dies zahlreiche Recherchemöglichkeiten. So lässt sich anhand der von Annemarie Rentsch mühsam digitalisierten Angaben herausfinden, was für Unternehmen es im Jahre 1924 in Königswartha gab. Dabei stößt man auf bekannte Namen wie die Tischlerei Kunaschk und den gleichnamigen Baustoff-Fabrikanten, die beide bis heute existieren. Doch kann man mit dem Finger auf den Namenslisten auch eine Zeitreise unternehmen, bei der man Gewerke findet, die es heute kaum noch gibt: So existierten in Königswartha Stellmacher, Sattler, Korbmacher, Siebmacher, Böttcher und Binder, „wobei wir nicht wissen, was der Letztgenannte eigentlich gebunden hat. Bücher waren es sicher nicht“, so Annemarie Rentsch.

Zahlreiche Eisenbahner tauchen in der Liste auf, war doch Königswartha ein wichtiger Umschlagplatz an der 1890 eröffneten Bahnstrecke nach Bautzen, die zwischen 1905 und 1908 bis Hoyerswerda verlängert wurde. Doch auch noch heute geläufige Berufsbezeichnungen sind enthalten, wenngleich sich die Namen geändert haben: Bäcker, Gastronomen, Fahrradhändler…

Einst gab es in Königswartha viele Gaststätten und Geschäfte

„Es ist heute kaum noch vorstellbar, wie viele Gaststätten und Geschäfte es früher, allein an der Hauptstraße, in Königswartha gab“, meint Annemarie Rentsch. Dabei zeigt sie die historische Aufnahme einer vollständig von Häusern flankierten, städtisch wirkenden Straße, auf der über die gesamte Breite hinweg Fußgänger flanieren und wo sich die Geschäfte wie Perlen an einer Kette aneinander reihen. Selbst eine Druckerei namens Bubel gab es, die das wöchentlich erscheinende „Oberlausitzer Sonntagsblatt“ herausgab.

Bei der Darstellung des Königswarthaer Gewerbelebens kommen Annemarie Rentsch und ihren Mitstreitern die für eine frühere Ausstellung gesammelten etwa 30 Meisterbriefe zugute, die eine willkommene Ergänzung für das Ortsbuch darstellen und ebenfalls gezeigt werden.

Königswartha verzichtete aufs Stadtrecht

Was in dem historischen Dokument allerdings fehlt, sind die Adressen. Und hier kommen nun die Besucher ins Spiel: „Wir haben einen Ortsplan von Königswartha aus der Zeit um 1924 digitalisiert und als Tafel aufgestellt“, so die Vereinsvorsitzende. „Jeder, der weiß, wo einer der 334 Aufgeführten wohnte oder seine Firma hatte, ist aufgefordert, eine Pin-Nadel hineinzustecken.“ Auf diese Weise konnten schon für einen Großteil der Königswarthaer aus dem Jahre 1924 die entsprechenden Zuordnungen erfolgen – allerdings bei weitem noch nicht für alle. Und so ruft Annemarie Rentsch dazu auf, die Ausstellung weiterhin fleißig zu besuchen, damit möglichst viele der nummerierten Nadeln ihren Weg in die Tafel finden.

Neben der aktuellen Sonderausstellung gibt es noch weitere gute Gründe, die Ausstellungsräume zu besuchen, zeigen sie doch eine überraschende Fülle an Zeugnissen aus der Geschichte von Königswartha. „Wer weiß schon heute noch, dass unser Ort früher einmal eine Stadt war, aber auf das Stadtrecht verzichtete – angeblich, weil Dorfschullehrer besser bezahlt wurden als solche in der Stadt?“, fragt Annemarie Rentsch rhetorisch. Die Anlage des Marktplatzes mit der geschlossenen Bebauung ringsherum deutet noch heute darauf hin.

Geschichtsverein bietet Rundgang durch Gewerbegebiet an

Und auch, wer mehr über die Forschungen des Vereinsmitglieds Hans-Joachim Gawor zu den Sächsisch-Preußischen Grenzsteinen erfahren will – derzeit läuft hierzu ein Digitalisierungsprojekt mit dem Ziel, einen Audio-Führer zu erstellen – ist in dem alten Gutsgebäude richtig. „Unsere Vereinsarbeit findet aber nicht nur in diesen Räumen statt, sondern auch draußen im Gelände“, betont die Vorsitzende.

So lädt der Geschichtsverein RAK für den Tag der Oberlausitz am 24. August 2024, ab 9 Uhr, zu einem Rundgang durch das Gewerbegebiet, das Gelände der früheren Munitionsfabrik (zu DDR-Zeiten VEB Mechanische Werkstätten) ein, bei dem ehemalige Mitarbeiter von ihren Erlebnissen berichten. „Granatendreher“ steht übrigens bei keinem der im Ortsbuch von 1924 Verzeichneten als Beruf – die Fabrik nahm erst wesentlich später den Betrieb auf.

Ein Besuch der Ausstellungsräume auf der Gutsstraße 4c in Königswartha ist nach Voranmeldung unter Telefon 035931 20812 oder per Mail an [email protected] möglich.