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SZ + Bautzen

Der Retter verschollen geglaubter Grenzsteine

Der Königswarthaer Hans-Joachim Gawor beschäftigt sich mit der früheren sächsisch-preußischen Grenze. Ihm und seinen Mitstreitern ist ein großer Erfolg gelungen.

Von Uwe Menschner
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Hans-Joachim Gawor freut sich über das letzte Glied in der nun vollständigen Kette der Grenzsteine im Gebiet um Königswartha.
Hans-Joachim Gawor freut sich über das letzte Glied in der nun vollständigen Kette der Grenzsteine im Gebiet um Königswartha. © Uwe Menschner

Königswartha. Viele Menschen in Görlitz und Umgebung bekennen sich als Schlesier und nehmen dabei Bezug darauf, dass ihre Orte von 1815 bis 1945 zur preußischen Provinz Schlesien (zeitweise Niederschlesien) gehörten. Doch auch Städte und Dörfer fernab der Neiße blicken auf eine solche Vergangenheit zurück, darunter der Königswarthaer Ortsteil Wartha. Entsprechend verlief auch die sächsisch-preußische Grenze zwischen Commerau beziehungsweise Caminau und Wartha quer durch die heutige Gemeinde Königswartha.

Wer den Verlauf dieser heute surreal erscheinenden Grenze nachvollziehen will, kann sich an den damals errichteten Grenzsteinen orientieren. Dass diese zumindest im Norden des Landkreises Bautzen fast vollständig vorhanden und weitgehend gut erhalten sind, ist zu einem großen Teil dem Königswarthaer Hans-Joachim Gawor zu verdanken. Seit 15 Jahren beschäftigt er sich mit der früheren preußisch-sächsischen Grenze und hat maßgeblich mit dafür gesorgt, dass unlängst am Hoyerswerdaer Schwarzwasser bei Wartha eines der letzten noch fehlenden Glieder in die Kette eingefügt werden konnte.

18 Grenzsteine ausgegraben

„Meine Frau schenkte mir zu Weihnachten 2007 das Buch, welches der Reichenbacher Manfred Steinmann über die Grenzsteine geschrieben hat“, blickt Hans-Joachim Gawor auf die Anfänge zurück. Als passionierter Langstreckenläufer wusste er, dass es in seiner Heimatgemeinde eine große Menge dieser Zeitzeugnisse gab und nutzte sie gern für die Messung von Zwischenzeiten.

Als die Gesundheit die Ausübung dieses Sports nicht mehr zuließ, folgte Gawor der Aufforderung des Begründers der Sächsischen Grenzsteinforschung zum Mitmachen und begann, die etwa 500 Kilometer lange Grenzlinie von der heute polnischen Witka-Talsperre bis nach Altenburg Schritt für Schritt abzulaufen. „Zusammen mit Gleichgesinnten, vor allem dem Königswarthaer Werner Rentsch, haben wir nahezu 3.000 Grenzzeichen gefunden, erfasst und dokumentiert sowie 18 verschollene Grenzsteine ausgegraben und wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht“, erinnert er sich.

Das Original liegt wohl auf dem Grund des Graureihersees

Zu den wenigen Steinen im Oberlausitzer Abschnitt, die bis vor kurzem noch fehlten, gehörte der am Hoyerswerdaer Schwarzwasser zwischen Wartha und Commerau. In der von Ost nach West fortlaufenden Nummerierung trägt er die 112. Allerdings handelt es sich bei dem unlängst aufgestellten Stein nicht um das Original: „Bei der Regulierung des Schwarzwassers zwischen 1968 und 1972 ging dieses verloren“, weiß Hans-Joachim Gawor. Zu DDR-Zeiten gab man nicht viel auf die Zeugnisse einer überwunden geglaubten Zeit, auch wenn die Bezirksgrenze zwischen Dresden und Cottbus haargenau der alten preußisch-sächsischen Grenze folgte.

Der alte Stein liegt wohl auf dem Grund des Graureihersees, wo sich früher die Deponie Knappenrode befand. Doch auch der jetzige Stein blickt auf eine fast schon abenteuerliche Geschichte zurück: „Bei ihm handelt es sich um den ursprünglichen Grenzstein 145P, der am Ruhlander Schwarzwasser bei Zeisholz stand und 1990 beim Straßenbau herausgezogen und abgelegt wurde“, berichtet Hans-Joachim Gawor. Das P steht für Preußen – an manchen Stellen wurden je ein preußischer und ein sächsischer Stein paarweise aufgestellt.

Einem umsichtigen Mitarbeiter der damaligen Straßenmeisterei Kamenz ist es zu verdanken, dass der Stein geborgen und auf das Gelände der Meisterei gebracht wurde. Dort diente er als Teil eines ganzen Lapidariums - einer Sammlung von Steinwerken - der Anschauung für Auszubildende. Beim Umzug der Straßenmeisterei nach Königsbrück wurde das Lapidarium aufgelöst; der alte Grenzstein kam mit an den neuen Standort. Die Straßenmeisterei willigte schließlich ein, den Stein dem Königswarthaer Geschichtsverein zu überlassen, damit er am Standort des früheren Steines 112 – eben zwischen Wartha und Commerau – aufgestellt werden kann. Und so geschah es dann auch Ende Juni.

Grenzstein-Diebe scheiterten am Gewicht

Viel hat Hans-Joachim Gawor im Laufe seiner Beschäftigung mit den Grenzsteinen erlebt. Von der Spurensuche im abgelassenen Stausee Witka über Exkursionen auf frühere Truppenübungsplätze bis hin zum Auffinden eines gestohlenen Grenzsteins: „Die Diebe hatten wohl das Gewicht unterschätzt, sodass der Anhänger durchbrach.“ Schließlich bestehen die Grenzsteine in der Oberlausitz aus Granit, was sie schwerer und langlebiger macht als ihre Sandstein-Pendants in westlicheren Landesteilen. Bis zu einer Tonne kann so ein Stein wiegen; und in Nord- und Westsachsen blieben sie bei Weitem nicht so lückenlos erhalten wie in der Oberlausitz.

Hans-Joachim Gawor sieht in der Aufstellung des „neuen“ Steines 112 einen abschließenden Höhepunkt seines heimatgeschichtlichen Wirkens: „Ich werde weiter Wissen über die frühere Grenze vermitteln, aus der Geländearbeit ziehe ich mich aber aus Alters- und gesundheitlichen Gründen weitgehend zurück“, erklärt der 81-Jährige.