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Nach 33 Jahren als Hausärztin in Cunewalde: Gordana Bulla geht in den Ruhestand

Gordana Bulla hat seit 1989 in der Gemeinde Cunewalde praktiziert. Jetzt hört sie auf. Obwohl sie keinen Nachfolger für ihre Praxis gefunden hat, weiß sie ihre Patienten in guten Händen.

Von Bettina Spiekert
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Die Cunewalder Hausärztin Gordana Bulla geht Ende September in den Ruhestand. Obwohl es für ihre Praxis keine Nachfolger gibt, weiß sie ihre Patienten gut versorgt.
Die Cunewalder Hausärztin Gordana Bulla geht Ende September in den Ruhestand. Obwohl es für ihre Praxis keine Nachfolger gibt, weiß sie ihre Patienten gut versorgt. © Steffen Unger

Cunewalde. Berge von Akten stapeln sich in der Praxis von Gordana Bulla in Cunewalde. Die Allgemeinmedizinerin hat ihre Patienten schon vor Monaten darüber informiert, dass sie im Herbst 2024 in den Ruhestand gehen wird. Da es für ihre Praxis keinen Nachfolger gibt, gibt sie ihren Patienten die vorhandenen Unterlagen samt aktuellem Medikamentenplan sowie Labor- und Impfdaten mit, damit es nahtlos in einer anderen Praxis weitergehen kann. Wer seine Akten habe möchte, muss sich sputen. Die Praxis von Gordana Bulla ist mit Unterbrechung nur noch bis 30. September geöffnet.

Mehrere Jahre hatte die Hausärztin nach einer Nachfolgerin für ihre Praxis auf der Wilhelm-von Polenz-Straße gesucht. Fast hätte es auch geklappt, der Vertrag war unterschriftsreif. „Dass es nun nichts geworden ist, damit kann ich leben. Denn es gibt ja nun mit Dr. Katja Wünsche eine neue Ärztin im Ort. Ich bin sehr froh darüber, dass andere Cunewalder Hausärzte meine Patienten übernehmen“, sagt Gordana Bulla.

Sechs Jahre Medizinstudium in Kiew

Wenn sie nun ihren Beruf aufgibt, liegen 33 Jahre als praktizierende Hausärztin in ihrer Heimatgemeinde hinter ihr. Dass sich Gordana Bulla für eine Karriere als Ärztin entschied, hat sie auch dem damaligen Cunewalder Sportarzt Dr. Hanisch zu verdanken, der ihr dazu riet, Medizin zu studieren. Ihre Eltern, die Mutter war Lehrerin, der Vater arbeitete in der Härterei im Motorenwerk Cunewalde, freuten sich über diese Berufswahl, auch wenn das hieß, dass sie ihre Tochter lange Zeit nicht sehen würden.

Denn dank ihrer hervorragenden Schulnoten wurde Gordana Bulla für den Besuch der Arbeiter- und Bauernfakultät in Halle ausgewählt. Dort absolvierte sie ihr Abitur und wurde auch mit intensivem Sprach-Unterricht auf ein Auslandsstudium vorbereitet. Zum Medizinstudium ging die junge Cunewalderin dann 1979 für sechs Jahre nach Kiew. „Diese Zeit war prägend für mich und hat mich sehr geformt“, sagt sie auch 40 Jahre später noch. Die Lebensumstände seien selbst für den Mangel gewohnten DDR-Bürger nicht einfach gewesen. Ihrer Schwester riet sie daher von einer ähnlichen Laufbahn ab.

Schon während des Studium hatte sich Gordana Bulla für die Allgemeinmedizin entschieden und Görlitz als Wunschort für einen künftigen Arbeitsplatz angegeben. „Die Entscheider in Berlin hätten mich zwar lieber in der Forschung gesehen, aber mir war schon sehr zeitig klar, dass ich mal als Hausärztin in meiner Heimatregion arbeiten wollte“, sagt sie. Von ihrem Studium in der damaligen Sowjetunion brachte Gordana Bulla ihren ersten Mann mit nach Cunewalde. 1986 begann sie ihre Facharzt-Ausbildung in Bautzen.

Berufsstart im Cunewalder Landambulatorium

Mitte 1989 trat die junge Ärztin ihre erste Stelle im damaligen Landambulatorium in Cunewalde an, auch auf Betreiben des damaligen Cunewalder Bürgermeisters Günther Weickert. Nur ein Jahr später war diese kleine Variante einer Poliklinik Geschichte. Mit der Wende verschwanden die ambulanten Großpraxen, und Gordana Bulla startete in den angemieteten Räumen des Ambulatoriums mit einer eigenen Niederlassung.

Fünf Jahre später eröffnete sie eine Praxis in eigenen Räumen im neu gebauten Haus in Obercunewalde. Dass auf der Fläche gebaut werden durfte, dafür änderte der Gemeinderat extra den Bebauungsplan. „Beim Studium hatte ich die Vorstellung, dass ich mal eine Praxis haben werde, die ich in Hausschuhen erreichen kann“, erinnert sich die Cunewalderin schmunzelnd.

Seit ihrer ersten Patientin, an die sich noch heute erinnern kann, hat Gordana Bulla viele Cunewalder und Menschen aus den umliegenden Dörfern behandelt. Anfang der 90er-Jahre waren darunter auch Babys und Kleinkinder, da es damals keine Kinderärzte in der Region gab. Neben vielen glücklichen Momenten hatte die Medizinerin auch weniger schöne Einsätze zu absolvieren, war sogar mehrfach mit Anzeigen von Patienten konfrontiert. „Trotzdem ist es ein sehr schöner und erfüllender Beruf“, resümiert sie.

Seit 2022 auch viele Ukrainer behandelt

Auf Weiterbildungen und neueste Technik hat sie dabei immer viel Wert gelegt. „Digitalisierung kann den Alltag in der Praxis erleichtern. Deshalb haben wir auch vor Jahren beim digitalen Impfpass mitgemacht. Dass dieses Projekt 2022 eingestellt wurde, ist sehr schade“, sagt sie. Die Idee der elektronischen Patientenakte - sie soll 2025 starten - findet sie daher grundsätzlich gut, „aber ungenügend vorbereitet“, so die Hausärztin.

Auch die Ukrainisch- und Russisch-Kenntnisse von Gordana Bulla waren in jüngster Zeit wieder nachgefragt. Nach der Ankunft von ukrainischen Flüchtlingen im Frühjahr 2022 half sie als Übersetzerin aus und hat seitdem viele Ukrainer auch medizinisch betreut. Dadurch kam sie in Kontakt mit ukrainischen Ärzten, Schwestern und Pflegern. „Denen wird es oft schwerer als nötig gemacht, dass sie wieder in ihrem Beruf arbeiten können, selbst wenn sie schon gut Deutsch sprechen“, schüttelt die deutsche Medizinerin mit dem Kopf.

Die bald 64-Jährige freut sich auf ihren Ruhestand und hat auch schon einen Plan, was sie mit den freien Tagen anfängt. „Ich möchte Zeit mit meinen Enkeln verbringen und noch viele spannende Orte auf der Welt sehen“, sagt die begeisterte Schwimmerin und Taucherin. Von ihrem Haus mit angeschlossener Praxis mag sie sich noch nicht trennen, auch wenn das nach dem Tod ihres zweiten Mannes inzwischen viel zu groß ist. „Dafür gebe ich mir noch Zeit“, sagt Gordana Bulla.