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So wirbt Bautzen um TSMC-Mitarbeiter aus Taiwan

Bautzen bewirbt sich in Taiwan als Wohnort für Mitarbeiter der neuen TSMC-Chipfabrik, die in Dresden entsteht. Womit die Stadt vor allem punkten will.

Von Miriam Schönbach
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Mit einer Initiativbewerbung beim weltgrößten Chip-Hersteller TSMC in Taiwan will die Stadt Bautzen Mitarbeiter der neuen Chipfabrik in Dresden zum Wohnen an die Spree locken.
Mit einer Initiativbewerbung beim weltgrößten Chip-Hersteller TSMC in Taiwan will die Stadt Bautzen Mitarbeiter der neuen Chipfabrik in Dresden zum Wohnen an die Spree locken. © Steffen Unger

Spatenstich für die Zehn-Milliarden-Euro-Fabrik war im August 2024. Nach Unternehmensangaben sollen am Standort Dresden rund 2.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Silicon Saxony – so nennt der Freistaat seine wachsende Mikroelektronik- und Halbleiterbranche rund um Dresden – rechnet bis zum Jahr 2030 sogar mit einem Wachstum auf insgesamt 100.000 Beschäftigte – und damit einem riesigen Wohnungsbedarf, auch durch den weiteren Aufbau von Arbeitsplätzen bei Zulieferern und Herstellern. Doch schon jetzt mangelt es an Wohnungen in Dresden – und deshalb wollen eben auch die Stadt Bautzen und andere Kommunen ihre Hände Richtung Silicon Saxony ausstrecken.

Bautzens Oberbürgermeister Karsten Vogt: „Wir bringen diese Bewerbung auf den Weg, um die Perspektive der Stadt in fünf und zehn Jahren sicherzustellen."
Bautzens Oberbürgermeister Karsten Vogt: „Wir bringen diese Bewerbung auf den Weg, um die Perspektive der Stadt in fünf und zehn Jahren sicherzustellen." © Steffen Unger

Ein erstes Zusammentreffen der Akteure hat es auf Einladung des Freistaats im April 2024 gegeben. „Daraufhin haben wir eine Arbeitsgruppe gegründet und nun die Bewerbung als Wohnstandort fertiggemacht. Dazu zählen eine englischsprachige Broschüre und Homepage zu den Themen Wohnen, Stadt, Bildung. Sie soll Ende September/Anfang Oktober online gehen“, sagt Karsten Vogt. Vorab habe zudem die TSMC-Personalchefin die Stadt besucht, Stadtrundgang inklusive. Das Treffen diente dazu, um zu hören, worauf die Menschen aus Taiwan Wert legen.

Künftig englischsprachiger Unterricht an Bautzener Schulen?

Das Gespräch sei aufschlussreich gewesen: Neben Wohnungen ist demnach das Englische der Dreh- und Angelpunkt für künftige Neu-Bautzener. „Ich habe die drei Schulleiter der Bautzener Gymnasien in diesen Prozess einbezogen. Es gilt zu überlegen, wie wir an unseren Schulen in der Stadt englischsprachigen Fachunterricht anbieten können. Die Taiwanesen sind mit ihren Familien drei, vier Jahre vor Ort, dann gehen sie wieder zurück. Ihre Vorstellung ist, dass sie zu Hause nahtlos wieder ihre Schule besuchen können“, sagt der Oberbürgermeister.

So könnte dieses Extra in Hsinchu – das ist der TSMC-Hauptstandort in Taiwan – über einen Umzug nach Bautzen entscheiden – und zugleich der Schullandschaft einen Schub geben. „Dazu braucht es Konzepte, um den englischsprachigen Unterricht mit unseren Schülern zusammenzuführen“, sagt der OB, der selbst viele Jahre Schulleiter war. Darüber hinaus sieht er, dass solch ein neues Unterrichtsangebot auf die Ansiedlung des Bauforschungszentrums LAB oder weitere Arbeitgeber im Silicon Saxony ausstrahlen könnte, und erhofft sich dadurch einen Sog-Effekt für weitere Familien aus dem Großraum Dresden.

Mit gutem Grund: „Wir bringen diese Bewerbung auf den Weg, um die Perspektive der Stadt in fünf und zehn Jahren sicherzustellen, damit wir Bautzen in seiner jetzigen Größe mit der Infrastruktur weiter so bedienen können wie heute. Jede, wirklich jede Bevölkerungsprognose sagt uns: Wir verlieren als Stadt Bevölkerung“, erklärt der Ratshauschef. Diese abnehmende Einwohnerzahl würde weniger Schlüsselzuweisungen vom Freistaat und damit weniger Geld bedeuten. Laut Statistischem Landesamt wird die Bevölkerung der Stadt Bautzen bis 2030 um knapp 15 Prozent schrumpfen.

Wohnungsneubau im Stadtteil Gesundbrunnen?

Das heißt, Bautzen könnte in den nächsten Jahren 4.000 bis 5.000 Einwohner verlieren. Parallel dazu nimmt der Anteil der Bevölkerung im Rentenalter zu, die Kinderzahlen sinken. „Ein schrittweiser Abbau der Stadt kann nicht unsere Zielstellung sein. Wir brauchen junge Leute in der Stadt“, sagt Karsten Vogt.

Außer mit den Schulleitern habe man sich auch mit den Großvermietern an einen Tisch gesetzt, um nachzufragen, welcher Wohnraum kurz- und mittelfristig entstehen soll. So soll sich der Aufsichtsrat der Bautzener Wohnungsbaugesellschaft (BWB) mit der Umgestaltung der Einstein-Brache beschäftigen. Dabei handelt es sich um eine Fläche im Stadtteil Gesundbrunnen, auf der einst eine Schule stand, die zuletzt als Einstein-Gymnasium genutzt und 2016 abgerissen wurde.

Blick auf die Brache an der Albert-Einstein-Straße 6 in Bautzen: Der Aufsichtsrat der Bautzener Wohnungsbaugesellschaft (BWB) soll sich mit der Umgestaltung des Areals beschäftigen.
Blick auf die Brache an der Albert-Einstein-Straße 6 in Bautzen: Der Aufsichtsrat der Bautzener Wohnungsbaugesellschaft (BWB) soll sich mit der Umgestaltung des Areals beschäftigen. © Steffen Unger

„Da müssen wir mit einer Investition ins Risiko gehen. Wir müssen schauen, wo können wir selber etwas entwickeln, um den Bedarfslagen der Neu-Bautzener gerecht zu werden“, sagt der OB. Auf dem Areal in Gesundbrunnen wäre eine neue Wohnbebauung möglich. Darüber hinaus soll mit den Bautzener Anrainer-Gemeinden zusammengearbeitet werden – denn der Stadt Bautzen fehlen Flächen.

Ihr Konzept für eine Willkommenskultur für die neuen Mitarbeiter aus Taiwan hat die Stadt Bautzen in der vergangenen Woche zusammen mit zwölf anderen Kommunen beim Wohngipfel in Weinböhla präsentiert. „Wir waren die einzige Stadt, die das Thema Schule mitgedacht hat. Jetzt gilt: Wir müssen schauen, dass wir diese Bewerbung Richtung Taiwan für die Zukunft unserer Stadt nutzen können“, sagt Karsten Vogt.