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Moped-Liebe: Wie die Bautzener Zweirad-Versteher mit Simson und MZ weiter wachsen

Die Firma AKF in Bautzen ist längst mehr als Europas größter Versandlogistiker für Ersatzteile für die DDR-Kult-Zweiräder. Was das Unternehmen noch kann, zeigt es jetzt beim Abgrillen.

Von Miriam Schönbach
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Die Simson-Albatros wurde ursprünglich mal von der Post genutzt. Jetzt hat sie ein Zuhause bei AKF-Fahrzeugteile in Bautzen gefunden - sehr zur Freude von Geschäftsführer Alexander Kalkbrenner (l.) und Prokurist André Koch.
Die Simson-Albatros wurde ursprünglich mal von der Post genutzt. Jetzt hat sie ein Zuhause bei AKF-Fahrzeugteile in Bautzen gefunden - sehr zur Freude von Geschäftsführer Alexander Kalkbrenner (l.) und Prokurist André Koch. © Steffen Unger

Bautzen. Ein bisschen Zweitakt-Gemisch haben wohl alle 80 Mitarbeiter der Bautzener Firma AKF-Fahrzeugteile im Blut. „Einstellungsvoraussetzung ist das nicht, es gibt aber eine hohe Anzahl Zweiradbegeisterter “, sagt Geschäftsführer Alexander Kalkbrenner. Vor mehr als 20 Jahren hat er das Unternehmen in der elterlichen Garage gegründet. Seitdem stehen die Zeichen auf Wachstum. Seine Spezialität: Traditionsmarken wie Simson, MZ sowie exotische Oldtimer-Fahrzeuge. Einen Blick hinter die Kulissen werfen können alle Fans dieser motorisierten DDR-Klassiker beim Abgrillen am 21. September 2024.

Alexander Kalkbrenners Leidenschaft für etwas ältere Zweirad-Modelle beginnt mit einer Simson Sperber SR 4-3. Diese wurde von 1966 bis 1972 insgesamt 80.000-mal im renommierten VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk „Ernst Thälmann“ in Suhl gebaut. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 75 km/h und einem Hubraum von 50 Kubik ist das Motorrad ein Stück Zweirad- und Familien-Geschichte. Schließlich fährt mit jenem Sperber schon Kalkbrenners Mutter in ihrer Jugend zur Ausbildung – und dann landet das Gefährt im Schuppen oder der Scheune wie bei so vielen einstigen Simson-Liebhabern, bis sie wiederentdeckt werden von der nächsten Generation.

2010 Umzug an den Bautzener Standort

Der Sperber bringt Freiheit für den 16-Jährigen, ein Gefühl, dass er mit vielen Kindern vom Dorf teilt. Doch die Rückblende führt auch in die Zeit um 2000. „Damals waren Ausbildungsplätze Mangelware. Ich habe eine schulische Ausbildung zum Assistenten für Wirtschaftsinformatik in Dresden absolviert, die zwei Interessen verband: den Computer und seine Programmierung und das Kaufmännische“, erinnert sich der heute 38-Jährige. Und wieder kommt an dieser Stelle seine Mutter ins Spiel. Er solle sich einen Feierabendjob suchen und nicht so viel vor dem Computer herumhocken, forderte sie ihren Sprössling damals auf.

Die Konstrukteure Klemens Kretschmer (l.) und Sebastian Tittelbach sitzen über neuen Entwürfen.
Die Konstrukteure Klemens Kretschmer (l.) und Sebastian Tittelbach sitzen über neuen Entwürfen. © Steffen Unger

Druck macht erfinderisch. Zu den beiden Interessen kommt eine dritte Leidenschaft hinzu – Kalkbrenners autodidaktisches Wissen über Mopeds. Also wächst die Idee, bei Ebay eine damals noch billige Simson zu ersteigern, sie in Einzelteile zu zerlegen und dann wieder zu verkaufen. 200 Euro ist die Erstinvestition, für das Doppelte können der Gründer und sein Vater schließlich Krümmer, Baudenzug und Co. verkaufen. Das Geld wird reinvestiert. Jetzt können zwei Mopeds angekauft und zerlegt werden, bald muss der erste Mitarbeiter eingestellt werden. 2010 erfolgt der Umzug an den Bautzener Standort.

Mutters Sperber als Startkapital für die Firma

Das Startkapital für Kalkbrenners Unternehmen ist übrigens der restaurierte und wieder aufgebaute Sperber seiner Mutter. Es ist die Zeit, da die DDR-Zweiräder aus dem Dornröschenschlaf geholt werden. Die Nachfrage nach neuen Ersatzteilen steigt, Großhändler im Bundesgebiet müssen gesucht und der Onlinehandel professionalisiert werden. Der Rest ist Geschichte und viel Arbeit.

Prokurist André Koch schmunzelt. „Aus heutiger Sicht ist dieser Anfang erstaunenswert“, sagt der 45-Jährige. Sein erstes Modell als Jugendlicher im Meißner Land war übrigens eine MZ. Seit vier Jahren kümmert er sich nun um die Zahlen im Unternehmen, kennt sich aus mit dem Markt.

Mit knapp sechs Millionen hergestellten Krafträdern war Simson der größte Zweiradhersteller Deutschlands. Sein Plus: die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 Stundenkilometern in der 50ccm-Klasse. Nach den heutigen Vorschriften dürfen jene Kleinkrafträder nur 45 Stundenkilometer fahren. Die Oldies düsen aber immer noch mit 60 Sachen über die Straßen.

„Und Du schaffst Mobilität für junge Leute im ländlichen Raum“, sagt André Koch. Doch nicht nur Auszubildende fahren Moped. Die Kundenanalyse zeigt: Simson sind Vater-Sohn/Tochter- oder oft sogar Drei-Generationen-Projekte. Auch Mittvierziger entdecken alte Leidenschaften mit der Hilfe aus dem Bautzener Paradies für Simson-Schrauber neu.

Im April 2023 nahm die Firma AKF in Bautzen hat eine neue Logistikhalle in Betrieb.
Im April 2023 nahm die Firma AKF in Bautzen hat eine neue Logistikhalle in Betrieb. © SZ/Uwe Soeder

AKF ist dabei längst mehr als ein Versandlogistiker für Ersatzteile vom Motor über Tacho bis hin zu Tuning-Elementen. In der Konstruktionsabteilung werden selbst Teile entworfen, reproduziert und in Kleinserie hergestellt. Die Entwürfe entstehen mithilfe von 3-D-Simulationen und teils am 3-D-Drucker. „Wir haben in den vergangenen Jahren in der Software-Entwicklung, Produktion und Logistik große Kompetenzen aufgebaut. Wir können schnell auf Anfragen und Trends reagieren. Unser Erfolg steht und fällt mit der Zufriedenheit der Kunden“, sagt Alexander Kalkbrenner. Geliefert wird hauptsächlich in die DACH-Region – also Deutschland, Österreich und die Schweiz.

2022 wird AKF Unternehmen des Jahres in Sachsen

2022 wird die Firma AKF Fahrzeugteile aus Bautzen vom Ostdeutschen Sparkassenverband (OSV) zum Unternehmen des Jahres in Sachsen gekürt. Ein Meilenstein zwei Jahre später ist die Umsetzung des neuen Online-Shops. In zehn Sprachen, darunter Polnisch, Dänisch oder Norwegisch, können jetzt Interessierte in die AKF-Welt eintauchen, die AKF-App wird auch erneuert. Darüber hinaus denken die Visionäre schon wieder über einen weiteren Neubau nach. Die Produktion platzt inzwischen aus allen Nähten. Aktuell werden dazu erste Gespräche mit der Baufirma geführt.

Doch das ist Zukunftsmusik. Am 21. September heißt es nun zum Ausgang der Zweirad-Saison wieder „Abgrillen“. Dazu werden – bei gutem Wetter – bis zu 1.500 Kult-Zweiräder und bis zu 5.000 Begeisterte mit Zweitakt-Gemisch im Blut erwartet. „Es ist unsere Idee, mit der Community ins Gespräch zu kommen und uns auch als lokaler Arbeitgeber vorzustellen“, sagt Alexander Kalkbrenner. Der Sperber-Liebhaber fährt inzwischen wieder einen Sperber. Es ist ein Vater-Tochter-Projekt.

Abgrillen am 21. September 2024 von 10 bis 18 Uhr bei AKF in der Dresdener Straße 70A in Bautzen