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Auch Waschen will gelernt sein

In speziellen Kursen werden Arbeitssuchende zu Pflegehelfern umgeschult. Sie sollen den Mangel an Fachkräften lindern.

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© ronaldbonss.com

Von Andrea Schawe

Ein eigenes Pflegeheim im Grünen – das ist der Traum, flachst Yvonne Zirkel mit ihren Kollegen. Bis der in Erfüllung gehen kann, dauert es noch ein paar Jahre. Momentan steht sie kurz vor der Prüfung zum Pflegehelfer, danach kommt ein achtwöchiges Praktikum.

Yvonne Zirkel macht eine Weiterbildung bei der Tüv Rheinland Akademie – einem der größten Bildungsträger im Freistaat. Sie kommt aus der Praxis und arbeitet schon in einem Pflegeheim – ungelernt. Den Abschluss braucht sie zur Qualifizierung. Nicht ungewöhnlich, sagt Andreas Oese-Warg. Er ist seit 2003 Dozent bei der Tüv-Akademie. Kurz vor der Prüfung testet er das Wissen seiner Schüler mit Fallbeispielen aus der Realität.

Etwa: einen bettlägerigen Patienten richtig waschen. Im Dresdner Trainingscenter stehen dafür nicht nur Pflegebetten zur Verfügung. Auch an Puppen, sogenannte Pflegedummies, die etwa das Verhalten einer 80-jährigen Frau simulieren, üben die angehenden Pflegehelfer. Beim Waschen gibt es ein Schema: „Bei Frauen hat das 144 Schritte, bei Männern 146“, erklärt Oese-Warg. Der Ablauf muss trainiert werden.

„Die Teilnehmer üben aber auch aneinander“, sagt der Dozent. Einer von ihnen spielt den Patienten, der unbeweglich im Pflegebett liegt. Nur so kann man erahnen, wie es sich für einen Pflegebedürftigen anfühlt – etwa, welche Muskelgruppen beim Liegen besonders belastet werden. Sie werden mit Polstern, die unter die Knie, Füße, Becken und Ellenbogen geschoben werden, entlastet.

Etwa zehn bis 14 Teilnehmer im Alter zwischen 25 und 40 Jahren nehmen an dem Kurs in der Tüv-Akademie teil. Der nächste startet Anfang April. Die siebenmonatige Weiterbildung für Arbeitslose und Arbeitsuchende wird in den Trainingscentern in Dresden, Riesa, Meißen, Görlitz und Niesky angeboten.

Voraussetzungen gibt es keine. Ein Orientierungspraktikum sei allerdings hilfreich, um zu sehen, ob man für die Arbeit mit Pflegebedürftigen geeignet ist, so Andreas Oese-Warg. Manche der Teilnehmer haben auch vorher Angehörige gepflegt.

Pflegehelfer arbeiten in der stationären oder ambulanten Pflege, sind aber auch als Alltagsbetreuer tätig – etwa für Demenzkranke oder Menschen mit Behinderung. Im Anschluss an die Qualifizierung ist auch eine Ausbildung zur Pflegefachkraft möglich. „Ziel ist es nicht nur, einen Job zu bekommen, sondern den Teilnehmern eine langfristige Orientierung zu geben“, sagt der Dozent.

Deutschlandweit ist der Bedarf für Pflegekräfte groß. In Sachsen bekommen nach Angaben des Statistischen Landesamtes derzeit 167 000 Menschen Geld von der Pflegeversicherung, weil sie pflegebedürftig sind. Etwa 40 Prozent von ihnen werden von Angehörigen versorgt, jeweils 30 Prozent werden von ambulanten Pflegediensten sowie in Heimen betreut. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird in den kommenden Jahren deutlich steigen – bis 2050 auf 215 000 Menschen.

Experten gehen davon aus, dass bei gleichem Personalbestand und einer steigenden Anzahl von Pflegebedürftigen in Sachsen bis 2030 etwa 14 000 Vollzeitbeschäftigte mehr in der Pflege gebraucht werden. Die Versorgungslücke betrage dann knapp 54 Prozent. Nach einer Analyse des Bundesgesundheitsministeriums könnte der Arbeitskräftemangel vermieden werden, wenn der Pflegeberuf attraktiver gestaltet und verstärkt zu Pflegehelfern umgeschult wird.