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Wenn der Stress krank macht

Immer mehr Berufstätige leiden unter psychischen Krankheiten. Neben der ganz persönlichen ist das auch eine Herausforderung für Arbeitgeber. In Sachsen soll ein Pilotprojekt zeigen, was helfen kann.

Von Annett Kschieschan
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Lehrer haben eine große Verantwortung, stehen aber oft auch unter großem Druck. Das kann gesundheitliche Folgen haben. In Sachsen soll ein Pilotprojekt helfen, die Lehrergesundheit zu stärken.
Lehrer haben eine große Verantwortung, stehen aber oft auch unter großem Druck. Das kann gesundheitliche Folgen haben. In Sachsen soll ein Pilotprojekt helfen, die Lehrergesundheit zu stärken. ©  Pixabay

Chronische Erschöpfung, Depression, Burnout – immer öfter sind Berufstätige davon betroffen. Der Gesundheitsreport 2024 der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) zeigt, dass die krankheitsbedingten Ausfälle gegenüber dem Vorjahr um 13 Prozent gestiegen. Die meisten Krankschreibungen gab es für Atemwegserkrankungen. Besonders stark fällt der Anstieg zudem bei den psychischen Erkrankungen aus. Hier wuchsen die Fehlzeiten laut DAK um 7,4 Prozent. Das ist längst ein Problem für Unternehmen, denn vor allem psychische Leiden sind in der Regel nicht mit ein bis zwei Wochen Genesungszeit zu bewältigen. Oft fallen Mitarbeiter lange, manchmal viele Monate aus. Stellen temporär anderweitig zu besetzen ist in Zeiten des Fachkräftemangels oft nicht möglich. In der Folge steigt die Mehrbelastung für die anderen Mitarbeiter, was wiederum gesundheitliche Folgen haben kann. „Betriebe haben in den zurückliegenden Jahren immer mehr im Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements getan, aber unsere Zahlen zeigen, dass das nicht ausreicht. Wir brauchen in Deutschland eine Offensive für das betriebliche Gesundheitsmanagement“, sagt DAK-Vorstandschef Andreas Storm.

Und auch Volker Nürnberg, Experte für betriebliches Gesundheitsmanagement, betont die Notwendigkeit, aktiv zu werden. Viele psychischen Erkrankungen seien auf eine „Wechselwirkung aus privaten und beruflichen Faktoren zurückzuführen“. Unternehmen müssten „der veränderten, disruptiven Arbeitswelt Rechnung tragen.“ Eine Lösung könne die New Work sein, also eine mitbestimmungsorientierte Arbeitswelt mit flachen Hierarchien, die auch den Bedürfnissen der Beschäftigten Rechnung trägt. Oft treibt der Spagat zwischen beruflichen Anforderungen und Familienleben Mitarbeiter in die Erschöpfung. Flexible Arbeitszeiten und Homeoffice-Lösungen könnten hier entlasten. Die Digitalisierung schafft die Möglichkeiten dafür, sie ist andererseits aber ein weiterer Grund für Unsicherheiten und Ängste. Wer befürchtet, am Arbeitsplatz bald von der KI ersetzt zu werden oder den Veränderungen, die die durchaus rasante Entwicklung auf diesem Gebiet mit sich bringt, nicht gewachsen zu sein, kann ebenfalls starken psychischen Belastungen ausgesetzt sein.

Eine „identitätsbildende Unternehmenskultur“ sowie die Bereitschaft, alle Beschäftigten auf dem Weg in die digitalere Arbeitswelt mitzunehmen, könne hier helfen, so Nürnberg. Das ist je nach Branche und Beruf nicht immer einfach umzusetzen. Ein Blick in die Statistik zeigt, dass vor allem Menschen, die in medizinischen und sozialen Berufen arbeiten, unter hohem Druck stehen, der sich über kurz oder lang auch gesundheitlich bemerkbar macht. Auch, wer täglich mehrere Stunden zur Arbeit pendeln muss, ist stärker gefährdet. Nicht selten kommen beide Faktoren zusammen.

Hohe Belastung in sozialen Jobs

Das von Unternehmen geforderte Umdenken muss freilich auch anderswo auf Akzeptanz stoßen. Ein Beispiel aus Sachsen könnte hier Schule machen und das durchaus im wörtlichen Sinne. Um Lehrerinnen und Lehrer für die Anforderungen des Berufslebens zu stärken, werden das Kultusministerium, das Uniklinikum Dresden und das Sächsische Fachkrankenhaus Arnsdorf künftig an einem Strang ziehen. Eine entsprechende gemeinsame Erklärung wurde vor wenigen Tagen herausgegeben.„Unsere Schulen sind mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert. Gerade psychische Probleme und Fehlverhalten von Kindern und Jugendlichen beeinflussen den Schulalltag und wirken sich langfristig auf die Berufszufriedenheit und Lehrergesundheit aus. Um dem entgegenzuwirken, müssen wir unsere Schulleitungen präventiv stärken“, so Kultusminister Christian Piwarz.

Das soll durch ganz praktische Hilfen geschehen. Das entsprechende Programm wird als Pilotprojekt an 150 Schulen in Dresden und an 100 Schulen im Landkreis Bautzen laufen. Der Start ist für diesen Herbst geplant. Dabei wolle man „digitale und personelle Informations- und Betreuungsformen zu erproben und zu installieren“. Die Erkenntnisse sollen dann im Freistaat insgesamt zur Anwendung kommen. Die Schwerpunkte liegen zum einen bei der Wissensvermittlung zu emotionalen Problemen oder Verhaltensstörungen von Schülern und dem Erkennen von Problemlagen, die von Essstörungen bis zu sexuellen Übergriffen reichen können, und zum anderen beim Einsatz digitaler Strukturen, auf die die Pädagogen im Alltag zugreifen können. Sachsen will Vorreiter sein, wenn es darum geht, Führungskräfte und Lehrer an Schulen zu stärken. Bereits jetzt gebe es zahlreiche Fortbildungsmöglichkeiten zur Resilienzstärkung. Das neue Projekt setzt ebenfalls hier an. Insgesamt fließen nach Angeben des Kultusministeriums pro Jahr 4,4 Millionen Euro in die Lehrergesundheit und den Arbeitsschutz. So viel Geld können die meisten Unternehmen nicht ins Gesundheitsmanagement investieren. Aktiver als bisher, da sind sich Experten einig, müssen die meisten trotzdem werden, bevor Krankenstand und Fachkräftemangel noch drastischere Folgen haben.