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Im Alter beruflich durchstarten

Lange Zeit war die Jugend ein entscheidendes Kriterium auf dem Stellenmarkt. Das ändert sich gerade. Inzwischen haben sich Personalvermittler auf Silver Worker spezialisiert. Aus vielen guten Gründen.

Von Annett Kschieschan
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Sie sind längst im Fokus der Personalvermittler, die sogenannten Silver Worker – Männer und Frauen zwischen Mitte 50 und Ende 60.
Sie sind längst im Fokus der Personalvermittler, die sogenannten Silver Worker – Männer und Frauen zwischen Mitte 50 und Ende 60. © AdobeStock

Hoch qualifiziert, engagiert, kinderlos – und möglichst jünger als 30. So oder ähnlich sah der ideale Bewerber noch vor zehn Jahren aus. Inzwischen ist die (Arbeits-)welt eine andere. So wie immer mehr Menschen ihrer persönlichen Lebensplanung mindestens genauso hohe Priorität einräumen wie ihren beruflichen Ambitionen ist Jugend per se kein gutes Entscheidungskriterium für die Personalplanung mehr. Die demografische Entwicklung lässt sich nicht wegargumentieren. Schon jetzt sind knapp 40 Prozent aller Arbeitnehmer in Deutschland 50 Jahre oder älter - Tendenz steigend. Auch in Sachsen, einem der Bundesländer mit ohnehin hohem Altersdurchschnitt, ist diese Entwicklung deutlich spürbar.

Sie treibt den Fachkräftemangel, der inzwischen fast alle Branchen beschäftigt, weiter an. Dabei ist das, was noch vor Jahren als Problem galt, heute eine Chance: Die bewusste Förderung älterer Mitarbeiter. Die sogenannten Silver Worker sind längst ins Visier der Headhunter geraten. Im Internet gibt es Portale, die genau sie vermitteln: berufserfahrene Frauen und Männer zwischen Mitte 50 und Ende 60. Das sind jene Mitarbeiter, die Unternehmen bislang ganz gern zu mehr oder weniger attraktiven Konditionen in die Frührente geschickt haben.

Krisenerprobt und loyal

Dass das ein Fehler gewesen sein könnte, spricht sich aber offenbar langsam in den Personalabteilungen des Landes herum. „Gerade in Krisenzeiten bringen ältere Arbeitnehmende die entsprechende Erfahrung mit, haben Dotcom-, Finanz-, Eurokrise erlebt und überlebt. Sie verfügen über Eigenschaften, die gerade in schwierigen Zeiten wertvoll sein können: Stabilität, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Kontinuität. Sie haben wertvoller Netzwerke aufgebaut, begegnen den ebenso gealterten Kundinnen und Kunden auf Augenhöhe, strahlen Vertrauen aus. Und sie sind vielfach loyal. Nicht mehr auf dem Sprung zum nächsten Job oder höheren Level. Viele sind finanziell entspannter“, so Thomas Leibfried. Der Personalmanager leitet seit 2019 den Bereich RPO (Recruitment Process Outsourcing) bei dem internationalen Personaldienstleister Hays. In Kombination mit jüngeren Kolleginnen und Kollegen, die wiederum eigene Stärken und Blickwinkel mitbringen, können die Silver Worker ihre Kompetenzen sogar besonders gut einbringen. Diverse Teams – so die These – verhindern den oft berufs,- manchmal aber auch generationsbedingten Tunnelblick. Gleichzeitig lassen sich Nachfolgeregelungen entspannter umsetzen, wenn die Jüngeren im Arbeitsalltag von den Älteren lernen können.

Was einleuchtend klingt, ist in der Praxis dennoch oft mit Startschwierigkeiten verbunden. Nicht immer stimmt die Kommunikation im Team, fühlen sich ältere Mitarbeiter vom vielleicht zu lockeren Umgangston vor den Kopf gestoßen, während die Jungen den Eindruck haben, nicht so wirklich ernst genommen zu werden. Eine Studie des Karriereportals Xing ergab zudem, dass knapp ein Drittel aller Arbeitnehmer über 50 schon einmal aufgrund seines Alters diskriminiert wurde – häufig übrigens von der eigenen Führungskraft. „In einem Land, in dem viele Unternehmen Diversity-Richtlinien zu Religion, Geschlecht oder Herkunft haben, wird über Altersdiskriminierung in der Arbeitswelt noch viel zu wenig gesprochen – und vor allem wird zu wenig dagegen vorgegangen“, kritisiert Thomas Kindler, Managing Director bei Xing.

Mobbing direkt unterbinden

Genau wie bei den Jungen gilt: Schlechte Stimmung im Unternehmen führt heute besonders schnell zur Kündigung seitens des Mitarbeiters. Spricht sich das frostige Betriebsklima herum, hat sich der jeweilige Betrieb einen echten Bärendienst erwiesen. Was helfen kann? Gute Kommunikation, Offenheit und das Verständnis dafür, dass Bedürfnisse – auch altersbedingt – unterschiedlich sein können. „Vielleicht sind ältere Arbeitnehmer nicht mehr bereit, die ganze Woche unterwegs zu sein. Ganz ehrlich? Die meisten Jungen sind das auch nicht. Und in Zeiten des hybriden Arbeitens und der Videocalls ist das in den meisten Fällen auch gar nicht mehr nötig“, so Hays-Manager Leibfried.

Auch was die persönliche Belastbarkeit, die Technik-Affinität und nicht zuletzt das Risiko einer Kündigung angeht, seien die Voraussetzungen altersunabhängig sehr individuell. Oft braucht es offensichtlich nur etwas Mut, das Narrativ des jung-dynamischen Mitarbeiter-Ideals abzulegen. Die demografische Entwicklung wird darauf ohnehin keine Rücksicht nehmen.