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Einbruch auf dem Stellenmarkt

Erstmals seit Langem schreiben viele Unternehmen deutlich weniger Stellen aus. Die wirtschaftliche Lage verunsichert. Das ändert erst einmal nichts am Fachkräftemangel, justiert die Bedingungen für Bewerber aber dennoch neu.

Von Annett Kschieschan
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Flaute auf dem Bau? Das trifft zuerst auch die Mitarbeiter.
Flaute auf dem Bau? Das trifft zuerst auch die Mitarbeiter. ©  Pixabay

Die jüngsten Nachrichten aus der Wirtschaft waren oft wenig ermutigend. Betriebsschließungen, Stellenabbau, Abwanderung ins Ausland. Fachkräfte werden hierzulande trotzdem in Größenordnungen gebraucht – allerdings wendet sich das Blatt zumindest in einigen Branchen inzwischen. So vermeldet die Personalberatung Hays erstmals seit 2021 einen starken Einbruch bei der Zahl der Stellenausschreibungen. „Nachdem die Fachkräftenachfrage in den letzten beiden Quartalen unbeeinflusst von einer unsicheren Wirtschaftslage schien, wirkt sich die wirtschaftliche Stagnation nun als deutlicher Faktor auf die Rekrutierung aus“, so das Ergebnis der jüngsten Analyse zum Fachkräfte-Index. Betroffen sind vor allem jene Jobs, die ihrerseits mit dem Thema Stellenausschreibung und -besetzung zu tun haben. Der HR-Bereich – das Kürzel steht für Human Ressources – muss zurzeit offenbar selbst vielerorts um seinen Personalbestand bangen. Das kommt nicht von Ungefähr.

„Das Personalwesen legt aktuell einen klaren Fokus auf die Transformation der Organisation. Bisher vorgesehene Planstellen sowie auch angedachte Projekte wurden daher im vergangenen Quartal flächendeckend reduziert. Das zeigt sich vor allem am massiven Rückgang der HR Business Partner und HR Manager“, sagt Florian Wagner, Bereichsleiter HR Interim & Projects bei Hays.

KI spielt eine größere Rolle

Auch in der IT werden aktuell deutlich weniger Mitarbeiter gesucht. Das sei auch vor dem Hintergrund der Umsetzung EU-weiter Regularien zur IT-Sicherheit erstaunlich, konstatiert man bei Hays. Unabhängig davon bleibt der IT-Bereich krisensicher: Wer hier einen Job sucht, hat beste Chancen, einen zu finden – aktuell aber vielleicht nicht in jedem Fall beim Wunsch-Unternehmen auf einer ganz bestimmten Position. Auch Finanzprofis werden weiterhin gebraucht – mit Einschränkungen. Während Controller und Buchhalter noch immer gut nachgefragt werden, ist der Bedarf an sogenannten Tax- und Compliance-Managern deutlich zurückgegangen. Finanzielle Stabilität hat für Unternehmen die höchste Priorität. „Im Vergleich zu den anderen Berufsgruppen gibt es im Finanzbereich weniger Rückgang. Das hat damit zu tun, dass das Recruitment von Finanzpositionen weitgehend konjunkturunabhängig verläuft. Was wir allerdings auch feststellen: Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz werden bereits Teile der Aufgabenstellungen im Finanz- und Rechnungswesen übernommen,“ so Erich Schwinghammer, Bereichsleiter Finance und HR bei Hays.

Der zunehmende Einsatz Künstlicher Intelligenz verändert den Arbeitsmarkt bereits heute – und damit auch die Nachfrage nach neuen Mitarbeitern. Das ist allerdings sehr branchenabhängig. Während etwa in der Autoproduktion längst automatisiert wird, waren Ingenieure zuletzt sogar wieder stärker gefragt. Auch hier zeichnen sich nun aber Veränderungen ab. Der Bedarf an Ingenieuren sank im Fachkräfteindex positionsübergreifend auf den niedrigsten Wert seit 2021. Auch hier spiele vor allem die allgemeine wirtschaftliche Unsicherheit eine große Rolle, weiß René Gruner, Bereichsleiter Digital Technology and Engineering. „Insbesondere der klassische Automotive Sektor befand sich in den letzten Monaten stark im Abbaumodus.“ Die jüngsten Nachrichten vom möglichen Stellenabbau bei VW war zum Zeitpunkt der Analyse noch nicht einmal bekannt.

Und weil viele Jobs am Ende eben doch in Zusammenhang miteinander stehen, haben auch Verkaufs- und Marketing-Profis derzeit etwas schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Das gilt auch für Social Media- und Content-Manager. Auch hier macht sich eine gewisse Konsolidierung in vielen Unternehmen bemerkbar. Man versucht in Krisenzeiten eher, mit den vorhandenen Ressourcen – auch den personellen – auszukommen. Dazu kommt aber: Oft wurde gerade in den Bereichen, die nun eine stark rückläufige Nachfrage verzeichnen, zuletzt deutlich Personal aufgestockt. Jetzt hat die Gegenbewegung eingesetzt.

Auch Handel und Vertrieb betroffen

So stehen auch Juristen, Vertriebler, Chemiker und Biotech-Spezialisten auf der Liste der Berufe, die gerade weniger gefragt sind als noch vor einigen Monaten. Nahezu flächendeckend ist die Industrie betroffen. Auch Handel und Dienstleistung leiden unter der allgemeinen Situation.

„Im Gegensatz zum vorherigen Quartal zeigt sich deutlich, wie stark Unternehmen ihre Investitionen zurückhalten. Viele fokussieren sich auf die technologische und organisatorische Transformation mit vorhandenen Ressourcen. Dabei ist es jetzt wichtig, bisher ungenutzte Beschäftigungsoptionen am Markt zu nutzen, um Potenziale zu heben und wettbewerbsfähig zu bleiben: Hoch qualifizierte Bewerbende steigern die Produktivität, flexible Arbeitsmodelle fördern die Vereinbarkeit von Karriere und Familie und vermeiden soziale Ungleichheit“, so das Fazit von Alexander Heise, Hays CEO Deutschland und CEMEA.

Der Hays-Fachkräfte-Index basiert auf einer quartalsweisen Auswertung der index Internet und Mediaforschung GmbH für Hays. Einbezogen werden Stellenanzeigen der meistfrequentierten Online-Jobbörsen, von Tageszeitungen sowie dem Netzwerk Xing. Der Fachkräfte-Index zeigt die prozentuale Veränderung zum Ausgangswert von 2015 an.